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Am Dienstag ergingen sich der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), wie schon so oft in der Vergangenheit, mal wieder in Selbstmitleid. In Pressemitteilungen kritisierte man mit bekannt nölendem Unterton die nach einem Jahr der Ankündigung nun endlich verfügbare "Tagesschau"-App. Die ist umsonst, was für Unmut bei den Verlegern sorgt. Dabei liefert sie nicht mehr als die auch bislang schon über tagesschau.de erhältlichen Inhalten. Neu ist im Grunde nur die Benutzerführung. Das wurde bei VDZ und BDZV vor lauter Schnappatmung aber offenbar übersehen. Vollmundig lässt etwa BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff gleich verkünden, die "Tagesschau"-App verstoße damit gegen geltendes Recht. Eine kühne Behauptung. Wir reden von der Aufbereitung des gleichen Inhaltes in neuer Optik und Nutzerführung - manch einer würde das einfach Relaunch nennen.

Und der ist nur einfach zu gut ausgefallen. Die Kritiken im AppStore zeigen: Die App der "Tagesschau" ist auf Anhieb umjubelt. Und weil es den Verlegern zwar persönlich nicht an Selbstbewusstsein mangelt, aber der Glaube an die Qualität der eigenen Produkte irgendwo im Gejammer und Genöle der vergangenen Jahre verloren gegangen ist, sucht man jetzt lieber schon mal einen Schuldigen  für das mögliche Scheitern eigener App-Pläne als an deren Qualität zu arbeiten. Schuldig ist die ARD, weil sie das Kartell der Verleger durchbricht, die durch Geschlossenheit kostenpflichtige Apps zum Standard machen will.

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Wie krampfhaft man diesen Kurs umzusetzen versucht, zeigte jüngst die Sperrung von Bild.de auf dem iPad um die Nutzung der kostenpflichtigen App zu erzwingen. Ein Offenbarungseid. Weil die meisten der aktuellen Apps der Verlage einen gegen Null tendierenden Mehrwert gegenüber den mobilen Websites der bestehenden Marken bieten, soll deren Nutzung erzwungen werden. Leser durch Leistung, Qualität und Mehrwert von der Nutzung zu überzeugen und so für sich zu begeistern - auf diese altmodische Idee kommt man offenbar nicht mehr. Der VDZ beklagte am Dienstag, die "Tagesschau"-App beeinträchtige "das junge Geschäft der Verleger mit Apps, die damit Geld verdienen müssen."

Das ist aber der große Irrtum der Verleger. Sie machen Apps per se zu einer eigenen Mediengattung und doch entpuppen sich die meisten Nachrichten-Apps - wie eben auch die "Tagesschau"-App - im Grunde als eine für das entsprechende Gerät optimierte Website. Mit anderen Worten: Was man im "großen" Internet nicht schafft - die Bezahlschranke herunter zu lassen - versuchen die Verlage den Lesern ohne echten Mehrwert auf dem kleinen Screen als Mehrwert zu verkaufen. Kein Wunder, dass man bei diesem gewagten Plan Panik vor der "Tagesschau"-App hat. Sie entlarvt mit ihrer puristischen Übersetzung des Website-Angebot, dass Apps per se nun einmal keine eigene Mediengattung sind.

Vereinzelt versuchen Verlage genau das zu kreieren. Nennenswert wären da zum Beispiel Springers "Iconist" oder die iPad-Ausgaben von "FR" und "Kölner Stadtanzeiger". Hier bietet sich ein echter Mehrwert durch neue Darstellungsformen. Dass sich damit derzeit noch keine Millionen verdienen lassen liegt aber nicht an kostenloser Konkurrenz sondern viel mehr an der maßlosen Überschätzung des App-Marktes und seines Wachstums. Täglich zu Steve Jobs beten für die Erfindung des iPads als Rettung der Verlagsbranche? Also bitte. Seit Monaten redet sich die Verlagswelt beim Thema Apps förmlich in einen Rausch - und scheint sich nebenbei kaum noch für ihr Kerngeschäft, dem Gedruckten, zu begeistern.

DWDL.de hat keine App: Weil wir unsere Artikel genauso gut über ein Mobilportal zugänglich machen können - für alle Smartphones und ohne der Notwendigkeit eines Downloads. Aber jeder der hip sein will, braucht eine App. Die wenigsten denken darüber nach, ob es überhaupt Sinn macht. Und ungläubig fragt man sich, welche Erwartungen wohl so manches Medium an seine App knüpft. Es würde nicht verwundern, wenn die Antwort den Machern selbst noch nicht bekannt ist. Dabei sein ist erstmal alles. Wenn für diese Planlosigkeit und Angebote ohne Mehrwert Geld verlangt wird, dann macht die "Tagesschau"-App keinen Markt kaputt. Sie öffnet nur die Augen dafür, dass sich mit plumper Abzocke kein stabiler Markt aufbauen lässt. Dafür bedarf es neuer Ideen. Je länger man aber das absurde Märchen der Wettbewerbsverzerrung weiterspinnt, desto später werden die Verleger erkennen: Gutes zu verbieten, macht Schlechtes nicht besser.