DWDL.de-Kommentar
Good-bye Gottschalk: Eine Reizfigur tritt ab
© ZDF/Carmen Sauerbrei
Ein paar Sendungen macht er noch. Aber dann nimmt er Abschied von "Wetten, dass..?". Thomas Gottschalk war eine Reizfigur in der deutschen TV-Unterhaltung. Dennoch ist sein Abschied bei "Wetten, dass..?" bedauerlich. Ein Kommentar...
© ZDF In über neun Jahren DWDL.de mangelte es nicht an scharfer Kritik an Thomas Gottschalk. Wenn wir ihn mal Heuchler, mal selbstherrlich genannt haben, dann gehörte das mitunter noch zu den netteren Umschreibungen. Ja, an Thomas Gottschalk konnte und kann man sich reiben. Das taten TV-Kritiker seit Jahren bei jeder Ausgabe von "Wetten, dass..?" mit größter Freude. Er bot eben tatsächlich auch genügend Angriffsfläche. Seine eigenwilligen Gespräche mit den Sofa-Gästen, sein überdurchschnittliches Selbstbewusstsein, sein gelegentlich lautes Poltern in der Presse oder die gewagte Garderobenauswahl. Es ließ sich immer etwas finden, über das man sich aufregen kann. Nur wer regt sich denn da wirklich auf? Die Fachpresse und das Feuilleton. Ein sehr kleiner Kreis.
Das Fernsehpublikum jedoch hielt zu Gottschalk. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Einschaltquoten der ZDF-Show seit Jahren sanken. Das ist sicher auch dem lange Zeit nur sehr behäbig gewandelten Format geschuldet, aber auch der immer vielfältigere Fernsehlandschaft. Kaum ein Format oder Genre erreicht heute noch Bestmarken wie in den 90er Jahren. Und doch war "Wetten, dass..?" noch immer die oder zumindest eine der stärksten Marken im deutschen Fernsehen. Thomas Gottschalk war bei dem ZDF-Vorzeigeformat nie ein guter Moderator. Aber ein guter Gastgeber. Als solcher stets bemüht darum, dass sich alle wohlfühlen und am Ende des Abends das positive Fazit ziehen, dass es nett war mal wieder bei Gottschalk zu Gast gewesen zu sein - egal ob auf dem Sofa oder vor dem Fernseher.
© ZDF/Astrid Schmidhuber Er brachte noch zusammen, wo andere spalten oder den Versuch aufgegeben haben, mehr als nur eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen. Dass man sich zwischendurch auch mal über ihn aufgeregt hat - es war doch ein Segen. Nichts braucht das deutsche Fernsehen dringender als kantige, aber auch glaubwürdige Persönlichkeiten. Gottschalk war und ist Gottschalk. Man konnte ihn nur mögen wie er ist oder es bleiben lassen. Aber doch lieber einer wie Gottschalk, der sich abgesehen von seinem Hobby bei Tele 5 auf die großen Gesten vor großem Publikum beschränkte als all diese Allrounder heutzutage, die sich vor Flexibilität bis zum Maximum verbiegen um alles wegzumoderieren.
Mir jagt ein Fernsehen mit profillosen Grüßaugusten, in dem Personen wie Bruce Darnell oder Ross Antony schon als TV-Persönlichkeit gehandelt werden, weil sie brav jede Rolle spielen, wenn nur das Geld stimmt, mehr Angst ein als ein wohldosierter Thomas Gottschalk. Noch hat er ein paar "Wetten, dass..?"-Ausgaben vor sich - und bekommt im Herbst gleich drei Sondersendungen mit Rückblicken auf seine Zeit bei "Wetten, dass..?". Es wird eine lange Abschiedstourneee. Wobei: Das ZDF kündigt an, dass Thomas Gottschalk auch 2012 weiterhin im ZDF moderieren werde. Ja, das mag sein. Und es wird sich schon etwas finden. Aber "Wetten, dass..?" hat Gottschalk geprägt - und umgekehrt. Weder für das Format, noch für den vielleicht letzten großen Showmaster dieses Schlags, wird es einfach werden.
(Dieser Kommentar erschien, in abgewandelter Form, bereits im Mai 2010 bei DWDL.de zum 60. Geburtstag des Moderators)
Good-bye Gottschalk: Eine Reizfigur tritt ab
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