Sechs Millionen Zuschauer für Hape Kerkeling, mehr als acht Millionen für Günther Jauch: Auch diesmal erfreuten sich die Jahresrückblicke bei ZDF und RTL einmal mehr größter Popularität. Und wie immer lassen sich nach der Ausstrahlung Aussagen darüber treffen, welcher Jahresrückblick nun unterhaltsamer, emotionaler, relevanter gewesen ist. Eines aber trifft in jedem Jahr zu: In kaum einem anderen Format - sieht man mal von Sonja Zietlows regelmäßigen Rückblicken auf "emotionale DSDS-Momente" ab - baden sich die Sender so gerne in ihrer eigenen Suppe wie in den obligatorischen Rückblicken zum Jahresende.

Beispiele gefällig? Bei Jauchs "Menschen, Bilder, Emotionen" waren es Pietro Lombardi und Sarah Engels, die als Final-Pärchen von "Deutschland sucht den Superstar" offenkundig für das musikalische Ereignis des Jahres sorgten und jeweils einen Halbsatz dazu sagen durften, wie sehr sie sich lieben. Im ZDF wurde dagegen eine junge blinde Sängerin gefeiert, weil sie im Frühjahr in der Kika-Show "Dein Song" als Siegerin hervorgangen war. Dass die Produktion der kindgerechten Talentsuche eine Produktion des ZDF war, versteht sich dabei von selbst. Das Fernsehen produziert seine Stars und hat sich dafür selbst unheimlich gern. Getreu dem Motto: "Schaut nur, wie toll wir sind."

 

Auch "Fernsehgärtnerin" Andrea Kiewel hätte man als Gast eines Jahresrückblicks nicht unbedingt auf dem Schirm gehabt. Gekommen ist sie trotzdem - weil sie für das ZDF über die royale Hochzeit von William und Kate aus London berichtete. In diesem Zusammenhang konnte dann auch noch Kabarettistin Monika Gruber untergebracht werden. Dass sie im kommenden Jahr eine neue Satireshow im ZDF präsentieren wird, kommt da natürlich gerade recht. Während sich Kerkeling von ZDF-Koch Johann Lafer Schnitzel bringen ließ, feierte RTLnoch einmal ausgiebig den Auftritt von Barbara Schöneberger. Immerhin war sie die erste Promi-Frau, die bei "Wer wird Millionär?" alle 15 Fragen richtig beantwortete.

Und dann war da noch Maite Kelly, die noch einmal ausführlich darüber sprechen konnte, wie es sich anfühlte, bei "Let's dance" zum Sieg zu tanzen. Wenn das kein Thema des Jahres ist, was dann? Nur die Tatsache, dass RTL den zweiten Weltmeister-Titel von Sebastian Vettel lediglich zwischen Euro-Krise und Gaddafi kurz bei den bunt gemischten "Bildern des Jahres" abhandelte, überraschte dann doch ein wenig. Box-Weltmeister Wladimir Klitschko, der mit seinen Kämpfen bei RTL regelmäßig Spitzen-Quoten einfährt, kam übrigens auch nur deshalb nicht, weil er sich unwohl fühlte und das Krankenhaus Günther Jauchs roten Ledersesseln vorzog. Nur gut, dass man auch Bruder Vitali noch eingeladen hatte.

Wenn man RTL und das ZDF jedoch für ihre bisweilen selbstverliebte Themensetzung kritisieren möchte, muss man der Fairness halber aber auch hinzufügen: Es git offenbar jedes Jahr aufs Neue ein Millionenpublikum, das sich daran nicht zu stören scheint. Unter all das Eigenlob mischt sich allerdings immer wieder auch so manch interessanter Moment. Etwa ein Gespräch von Günther Jauch mit einer Iranerin, deren Gesicht von ihrem Mann mit Schwefelsäure verätzt wurde, weil sie dessen Liebe verschmähte. Sie verzichtete in letzter Sekunde darauf, ihrem Peiniger Säure in die Augen zu träufeln, obwohl ein Gericht ihr das Recht zu dieser Vergeltungstat zusprach.

Im ZDF waren Gespräche über die Erdbeben-Katastrophe in Japan und die Anschläge in Norwegen bewegend - der für seine Lebensrettung bereits mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Marcel Gleffe war übrigens gleich in beiden großen Jahresrückblicken zu Gast. Bei Jauch auf der Bühne, bei Kerkeling eine Woche später im Publikum. Helden des Alltags, politische Aufsteiger - und Boris Becker, der nebst Gattin Lilly und Sohn Noah für die "Patchwork-Familie" des Jahres geehrt wurde: Man wird den Eindruck nicht los, all das sei schon einmal da gewesen. Beide Shows sind allerdings vor allem eines: Beruhigend. So lange in Jahresrückblicken Platz für Maite Kelly und Johann Lafer ist, können die vergangenen Monate nicht allzu schlimm verlaufen sein. In diesem Sinne: Bis zum nächsten Jahr.