Wenn es dem deutschen Fernsehen derzeit an einem nicht mangelt, dann sind es Kuppelshows. Die meisten davon laufen nach dem immer gleichen Muster ab: Skurrile Personen treffen auf oft noch skurrilere Personen, von denen sie sich - wie sollte es anders sein - die ganz große Liebe versprechen. Bei Reitausflug, Picknick im Stroh oder gemeinsamem Kuchenbacken werden Zärtlichkeiten ausgetauscht - und die Kamera hält selbst in den peinlichsten Momenten drauf. In diesem Punkt schenken sich die RTL-Formate "Bauer sucht Frau" und "Schwiegertochter gesucht", aber auch die Sat.1-Show "Schwer verliebt" nicht allzu viel.

Gerne wird das Bild des "Trottels vom Land" in diesen Sendungen zementiert. Wer sich etwa die Teilnehmer von Inka Bauses Scheunenfesten ansieht, bekommt unweigerlich den Eindruck vermittelt, nahezu alle Bauern seien eigenbrödlerische Individuen, die sich zwar um ihre Kühe kümmern können, zu viel mehr in ihrem Leben aber kaum bis gar nicht in der Lage sind. Kuppelshows gleichen heutzutage also nicht selten einem wahren Gruselkabinett, das durch Inszenierungen, Musik und lächerliche Einblendungen von Seiten der Sender nur noch schlimmer gemacht wird.

Genau daran könnte es aber womöglich liegen, dass der jüngste RTL-Streich namens "Großstadtliebe" am Sonntag vom Publikum nicht angenommen wurde: Mit dem aus "Bauer sucht Frau" & Co. gewohnten plumpen Umgang mit den Protagonisten hat diese Sendung nämlich überraschend wenig am Hut. Freilich bringt auch "Großstadtliebe" so manche Situation des Kopfschüttelns mit sich - und doch war das, was RTL am Sonntag im Vorabendprogramm zeigte, bisweilen zumindest nett anzuschauen. Da war etwa der 45-jährige Dirk aus Frankfurt, von Beruf LKW-Fahrer. Kein Traummann, aber auf den ersten Blick sympathisch. Er erzählt, dass er bei der Tsunami-Katastrophe vor acht Jahren drei Freunde verloren hat - ganz ohne die emotionale Schiene geht es natürlich nicht.

Mit einer neuen Frau an der Seite will Dirk nun aber einen Neustart wagen. Seine Wahl fällt auf die Berlinerin Steffi, die er schließlich mit einem Wohnmobil durch die Lande kutschiert. "Erwarte nicht zu viel, sondern lass dich von dem überraschen, was kommt", philosophiert er, um seine Herzensdame später mit Microwellen-Essen auf einem Rastplatz glücklich zu machen. Der 55-jährige Peter aus München tritt indes seit 30 Jahren als Zauberer auf und sucht dementsprechend eine Frau, die sich, wie er sagt, von ihm "verzaubern lassen möchte". Weil eine nicht genug, lädt er gleich drei Damen in sein spirituelles Münchner Heim, die noch dazu im selben Zimmer übernachten müssen.

Tina hat sich sogar gleich mit vier Männern verabredet. Weil sie aus Köln kommt, ist es natürlich Pflicht, sich - wahlweise als Schwein oder Bär verkleidet - in einem Brauhaus zu treffen, um erste Gemeinsamkeiten auszuloten. "Ich finde es kuschelih, dass er Kuscheltiere sammelt", sagt die 47-Jährige rheinische Frohnatur über den als Schaf verkleideten Dieter, der mit Tina am liebsten auf Shoppingtour gehen würde, was "Ochse" Rolf wiederum zutiefst gegen den Strich geht. "Dieter ist der größte Schleimer, den ich mir vorstellen kann", echauffiert er sich. Später entscheidet sich Tina übrigens prompt sowohl für Rolf als auch für Dieter - an Zündstoff wird es also auch weiterhin nicht mangeln.

Und dann wäre da auch noch die 25-jährige Anne - attraktiv und freiheitsliebend, wie ihre Ausflüge mit dem Cabrio zeigen sollen. Mit ihren besten Freundinnen durchsucht sie einen großen Korb voller Liebespost und hofft auf die große Liebe in der großen Stadt. All das ist zwischen Abendbrot und "Tatort" nett anzuschauen und tut niemandem weh. Das Mitleid mit den Kandidaten hält sich, anders als in anderen Formaten dieser Art, in Grenzen. Dass RTL natürlich nicht auf den einen oder anderen Fremdschäm-Moment verzichtet, ist da beinahe schon geschenkt - etwa, wenn dem als Ochse verkleideten Kandidaten ständig der Ochsen-Kopf verrutscht oder angeblich spirituelle Handbewegungen durch grafische Effekte unterstützt werden, die Teile des Raums plötzlich in güldener Farbe erstrahlen lässt.

Und natürlich kann man kritisieren, ob es wirklich sein muss, dass erwachsene Menschen in Kostüme gesteckt werden, obwohl sie offenkundig überhaupt kein Interesse am Karneval haben. Doch das sind Kleinigkeiten, verglichen mit dem, was man in der Vergangenheit etwa von Vera Int-Veens Schwiegertochter-Suche kannte. nteressant ist in diesem Zusammenhang aber vor allem eines: Womöglich lassen sich die Zuschauer von einer vergleichsweise harmlos angelegten Kuppelshow wie "Großstadtliebe" auch deshalb nicht mehr so recht begeistern, weil die Sender ihr Publikum mit all den unsäglichen Formaten längst von weitgehend unspektulären Geschichten entwöhnt haben.

So gesehen wären die enttäuschenden Quoten der neuen Sendung sogar hausgemacht. Oder aber, und auch das ist nicht unwahrscheinlich, haben die Zuschauer allmählich schlicht genug von der medialen Partnersuche. Ganz gleich ob in der Stadt oder auf dem Land.

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