"Ich möchte zum Anfassen sein - nach innen und außen." Das kündigte Tom Buhrow Ende Mai unmittelbar nach seiner Wahl zum Intendanten des WDR an. Es waren große Worte, die er damals wählte. Doch dem Neuen an der Spitze des Senders scheint es ernst zu sein. Nicht anders ist es zu erklären, dass sich Buhrow am Mittwochabend rund zwei Stunden lang den Fragen der Zuschauer stellte. Und weil der WDR inzwischen fast alles checkt, gibt's nun also auch einen "WDR-Check" - es ist ein Format, in dem sich der Sender vermutlich so offen gibt wie noch nie zuvor. "Der WDR hat mich am Ende nochmal so richtig ans Arbeiten gekriegt", scherzte Buhrow gleich zu Beginn, angesprochen auf seine ersten Arbeitswochen als Intendant.
Sein Lächeln hat der einstige "Tagesthemen"-Anchor also bislang nicht verloren, auch wenn er kürzlich bereits drastische Sparmaßnahmen anzukündigen hatte. Bei seinem Auftritt in der großen TV-Arena hatte er nun zwar keine neuen Informationen im Gepäck. Doch das war auch gar nicht nötig. Viel wichtiger war nämlich die Botschaft, die Buhrow vermittelte: Da stand einer, dem es ganz offensichtlich alles andere als egal ist, was das Publikum, das die Öffentlich-Rechtlichen jährlich mit Milliarden versorgt, denkt. "Wir gehören Ihnen", sagte er dann und fügte schnell an: "Sie sind unsere Aktionäre." Ein Pressesprecher hätte ihm diese Sätze vermutlich nicht in den Block diktiert, doch Buhrow sagt sie einfach so. Und man nimmt ihm ab, dass er sie auch tatsächlich so meint.
Dabei sparten die Zuschauer nicht mit kritischen Fragen, etwa in Bezug auf die oft als zu üppig kritisierte Altersversorgung der WDR-Mitarbeiter. Ob die Sportredaktion Fußball-blind sei, wollte einer der Zuschauer wissen, der sich daran störte, dass die vier Erstliga-Eishockey-Klubs aus NRW so wenig Präsenz im Programm des WDR bekommen. "Vielleicht ist der Puck zu klein", scherzte Buhrow zunächst auch bei diesem Thema, versuchte dem Mann danach aber klar zu machen, dass Eishockey-Übertragungen in der Vergangenheit schlicht nicht die Masse an Zuschauern gebracht hätten, die man sich erhoffte. Dennoch gebe es Überlegungen, am Sonntagabend verstärkt auch über Sportarten abseits des Fußballs zu berichten.
Freilich, es sind oft die kleinen Dinge, an denen sich das Publikum stört. Zu wenig Abwechslung im Radio etwa oder die geringe Fernseh-Präsenz der nicht ganz preiswerten WDR-Klangkörper. Eine Frau im Publikum konnte sich mit den Doppelmoderationen in der "Aktuellen Stunde" nicht anfreunden und sagte, die Präsentation komme ihr jeden Abend vor wie eine Büttenrede im Kölner Karneval. Buhrow - einst ebenfalls Moderator der "Aktuellen Stunde" - lachte herzlich und konterte, er selbst sei einst sehr froh gewesen, dass ein anderer einspringen konnte, wenn er selbst mal nicht mehr weiter wusste. Es sei letztlich aber vor allem eine dramatgurische Entscheidung. Dass nach der geäußerten Kritik nun die Doppelmoderation am Vorabend weichen muss, darf bezweifelt werden.
Aber Buhrow hörte zu und gab sich sichtlich Mühe, sich und das oft komplizierte öffentlich-rechtliche System zu erklären. Ohne das übliche PR-Gerede, das mittlerweile nur allzu häufig auf der Tagesordnung der Sender zu stehen scheint. Dabei verzichtete Buhrow glücklicherweise auch darauf, den Allwissenden zu spielen. Als es im Gespräch mit dem "FAZ"-Redakteur Michael Hanfeld um den geplanten Jugendkanal von ARD und ZDF ging, machte er deutlich, dass er selbst sich erst an den Gedanken, ein solches Projekt anzugehen, habe gewöhnen müssen. "Irgendwas müssen wir ja probieren", sagte er schließlich ganz offen. Dass das auch "in die Hose" gehen kann, wie er flapsig ergänzte, nimmt der Intendant offensichtlich gerne in Kauf. An einer anderen Stelle forderte er, man müsse "die Hosen runter lassen".
So hat man wohl schon lange keinen ARD-Intendanten reden hören. Das entschädigte für so manchen Beitrag, der dann doch etwas zu viel Eigenlob beinhaltete, und die an manchen Stellen zu dick aufgetragenen Moderationen von Bettina Böttinger. Dennoch wirkte die diese Sendung, die der WDR am Mittwoch zur besten Sendezeit ausstrahlte, fast schon revolutionär. Nicht, weil von heute auf morgen mit tiefgreifenden Veränderungen zu rechnen ist. Es ist viel mehr Buhrows Stil, der den Unterschied macht. Am Ende des "WDR-Checks" gab Buhrow noch zu Protokoll, der WDR wolle Teil der Menschen sein. Das klingt hochtrabend, bringt das Dilemma aber auf den Punkt. Denn nur wenn sich Zuschauer und Hörer aller Altersgruppen von den Programmen angesprochen fühlen, für die sie zahlen, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine echte Zukunft. So gesehen war Buhrows Auftritt - der Auftritt eines Intendanten zum Anfassen - ein erster Schritt in die richtige Richtung.