Für einen kurzen Moment muss man unweigerlich an Olli Dittrichs hervorragende Satire „Frühstücksfernsehen“ denken, wenn man „sonntags.live“ einschaltet. Überdreht gute Laune, ganz viel Emotion und Heiterkeit zwischen gefühlige Themen und etwas Service - das Rezept vom frühen Morgen hat RTL für sein neues Sonntagsmagazin adaptiert. Herausgekommen ist dabei eine kurzweilige Sendung, die beinahe etwas zu aufgeweckt daher kam und durchaus einen ruhigeren Takt vertragen könnte. Im Eiltempo führen Wolfram Kons und seine Kollegin Ann-Katrin Schröder durch 100 Minuten Infotainment aus der Zentrale der Mediengruppe RTL Deutschland. Zum ersten Mal setzt RTL dabei auf ein reales Set - mit Glasfront zur Mall des gewaltigen Bürokomplexes. Ohne dem Pseudo-Dach aus Plane über der Mall könnte man auch sagen: Mit Fenster zum Hof.

In dem hatte man einen kleinen Weihnachtsmarkt nachgebaut - aus dem das Duo Kons und Schröder die Zuschauer zur Premieren-Sendung begrüßten und nicht viel Zeit verlieren wollten. Das zog sich übrigens durch die gesamte Sendung. Zum Auftakt ging es um eine Familie, die kürzlich Fünflinge bekam. Herzerwärmende Story, doch der Talk mit den Eltern geriet aufgrund ihrer mangelnden Deutsch-Kenntnisse etwas einsilbig. Bei mancher Frage ließen die Gäste die Moderatoren sogar auflaufen. Es hätte besser starten können - doch als wenn sich Kons und Schröder das selbst gedacht hätten, folgte prompt Thema Nr. 2. Während noch der Sohn der Familie durchs Bild turnte, mühte sich Kons um Betroffenheit im Ausdruck: Es ging um den Vergewaltigungsvorwurf gegen Karl Dall.


Doch was als Gespräch mit Karl Dall angekündigt wurde, wäre selbst mit einer flüchtigen Begegnung noch euphemistisch beschrieben. Schade um die Chance eines aktuellen Boulevard-Aufhängers. Der aktuelle Anlass wurde stattdessen mit einem Hintergrund zum Thema Stalking ergänzt. Das passt schon, könnte man sagen. Es folgte die charmanteste Idee der neuen Sendung: Ein Ehepaar im aus dem Studiopublikum wurde überrascht - mit Thorsten Schorn, der in ihrer Abwesenheit mit den Kindern zuhause das ganze Haus auf Weihnachten umrüstet. Per Live-Schalte erlebten die Eltern in Köln, wie ihr Haus in Essen mit maximal möglicher Weihnachtsdeko transformiert wird. Das ist harmlos amüsant - und beschreibt die Tonalität der Sendung. Immer positiv bleiben, scheint das selbsterklärte Ziel zu sein. Stichwort positiv: So fällt bei den Schalten einmal mehr Thorsten Schorn auf.

Warum jedoch das Gespräch mit dem überraschten Paar inklusive Live-Schalte wieder draußen vom Weihnachtsmarkt gemacht wurde, bleibt ein Rätsel. Es sind diese Stellen, an denen man etwas zu viel Aktionismus spürt. Etwas zu oft ist „sonntags.live“ ein Rein-und-Raus, ein Hin-und-Her. Auch inhaltlich: Als Tim Bendzko und Cassandra Steen - wir sind übrigens wieder zurück im Studio - auf dem Sofa saßen, wird nur kurz über sie selbst gesprochen. Stattdessen waren sie Stichwortgeber. Ging es gerade noch um den Unfalltod von Paul Walker und ein Kiffer-Cafe in Berlin, da entgleitet Moderatorin Ann-Katrin Schröder plötzlich ein herzerwärmendes „Oooh ja“. Unpassend? Nein keineswegs, wir sind nur schon wieder beim nächsten Thema: Ein 81 Jahre verheiratetes Ehepaar. Und schon sind wir bei der Friseur von Boris Becker. Zu all den Themen müssen Tim Bendzko und Cassandra Steen ihre Meinung abgeben, bevor sie endlich singen durften.

Die erste halbe Stunde ist rum - und RTL geht in die Werbung. Die Mischung und Tonalität der Sendung stimmt. Wenn bloß nur etwas mehr Ruhe drin und das Karl Dall-Stück nicht so belanglos gewesen wäre. Zurück aus der Werbung ging es um Erkältungen - ein Service-Thema, aufgemacht als Live-Experiment mit dem Studio-Publikum und einem klassischen Beitrag, wie man seine Abwehrkräfte stärken kann. Sehr schön gemacht. Danach, wieder draußen auf dem kleinen Weihnachtsmarkt, testen Kons und Schröder einige Erkältungsgetränke - aus Tassen, bei denen die Produktion nicht mal die Preisschilder am Boden entfernt hatte. Ähnlich lieblos wirkte übrigens auch die Bestuhlung für das Publikum im Studio. Sonntägliche Gemütlichkeit vermittelt das jedenfalls nicht.