"Meine Frau sagt immer: Finde den richtigen Moment, um Abschied zu nehmen. Aber was ist der richtige Moment? Muss jemand vom Sender sagen: Gehen auch ein paar Auftritte weniger? Oder: Wir wollen’s gar nicht mehr? Oder ist der richtige Moment, wenn man es gelassen sieht und sagt: Solange ihr mich noch wollt, machen wir es, nehmen uns aber vor, dass nicht groß geweint wird, wenn’s zu Ende geht?" Vor sechs Jahren dachte Günther Jauch in einem langen Gespräch mit dem "Zeit Magazin" laut nach über das Abschiednehmen. Damals hatte er gerade seinen Frieden geschlossen mit der Entscheidung, die Nachfolge von Sabine Christiansen platzen zu lassen.

Dass er nur zwei Jahre später doch noch den begehrten Talkshow-Sendeplatz am Sonntagabend übernehmen würde, hätte zu diesem Zeitpunkt vermutlich auch er selbst nicht gedacht. Bis zum Ende des Jahres wird er mehr als 150 Mal getalkt haben über die Ukraine, Griechenland, die Arbeitslosigkeit im Land und Uli Hoeneß. Nüchtern betrachtet war die Sendung stets ein Erfolg. Mit im Schnitt mehr als viereinhalb Millionen Zuschauern pro Ausgabe schlug sich Jauch besser als Christiansen und seine direkte Vorgängerin Anne Will. Trotzdem hört der Mann, den viele Deutsche nur allzu gerne ins Amt des Bundespräsidenten wählten, zum Jahresende auf. Einfach so. "Aus beruflichen und privaten Gründen", sagt er, ohne weiter ins Detail zu gehen.

Auf die "Gremien voller Gremlins" schimpft er - anders als noch vor acht Jahren - diesmal nicht. Die haben sich in den zurückliegenden Jahren zwar auch schon mal zu Wort gemeldet, etwa wenn es um die Vielzahl an Talks im Ersten ging, hielten sich ansonsten aber im Hintergrund. Wohl auch, weil bei Jauch die Quote stimmte. Kritik musste der sich vor allem von der Presse gefallen lassen. Er, der allseits beliebte Quizmaster, bekam plötzlich Gegenwind zu spüren. Wegen seines laschen Umgangs mit einem umstrittenen Berliner Imam, wegen eines weichgespülten Auftritts des Unternehmers Carsten Maschmeyer, wegen einer in vielerlei Hinsicht unglücklichen Sendung über den Kachelmann-Prozess und zuletzt wegen eines lächerlichen Stinkefingers, den Jauchs Redaktion derart künstlich aufblies, dass sie per Pressemitteilung fast schon verzweifelt von Komiker Jan Böhmermann einen Beweis forderte, nachdem dessen legendäres Fake-Fake-Video die Runde machte.

Unglücklich auch, dass Jauch kürzlich eher widerwillig einlenkte, als ein Gast im Publikum alle Anwesenden im Studio zu einer Schweigeminute für die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge aufrief. Freilich gab es in den zurückliegenden Jahren auch viele gute Sendungen, doch häufig erweckte es eben den Anschein, als werde der Moderator mit seiner Rolle am Sonntagabend nicht so richtig warm. Was ihm bei "Wer wird Millionär?" seit jeher gelang, nämlich im Gespräch mit seinen Kandidaten scheinbar mühelös die konkreten Auswirkungen des politischen Handelns sichtbar zu machen, schaffte er ausgerechnet in seinem Polittalk viel zu selten. Er gab sich gerne als Anwalt des kleinen Mannes, ließ dann aber doch viel zu oft die auf Talkshow-Autritte trainierten Polit-Lautsprecher gewähren.

Womöglich hat Günther Jauch den Spielraum eines Polittalkers überschätzt. Dafür spricht, dass er, der Langstreckenläufer, der mehr als 20 Jahre lang "Stern TV" moderierte und seit nunmehr 16 Jahren bei RTL die Fragen stellt, so schnell das Handtuch wirft. Nicht einmal die nächste Bundestagswahl hat ihn noch gereizt. Dabei ahnte ausgerechnet Thomas Gottschalk, dass es sein guter Freund schwer haben würde, sich auf dem Gebiet der politischen Talkshow zu behaupten. "Günther ist ein Perfektionist, und das Ding wäre nie perfekt gelaufen", mutmaßte Gottschalk einst nach Jauchs Rückzieher, von dem Anne Will zunächst profitierte, ehe sie ihren Platz am Sonntagabend wieder räumen musste - zugunsten des teuer eingekauften Star-Moderators.

Der wird im nächsten Jahr übrigens 60 Jahre alt und dürfte fortan noch etwas häufiger als bisher auf seinem Weingut an der Saar anzutreffen sein. Mit dem Ende der Talkshow geht für Günther Jauch zugleich ein spürbarer Rückzug aus dem Fernsehen einher. Längst schon hat RTL die Dosis seines Rate-Dauerbrenners reduziert und mit so manch leidigem Special die lebensverlängernden Maßnahmen eingeleitet. Abseits davon muss er sich inzwischen mit Hubert Kah und diversen Ex-Dschungelcampern bei "5 gegen Jauch" messen oder - weil's früher doch so schön war - zusammen mit Thomas Gottschalk in einem leider viel zu engen Show-Korsett den Klassenkasper geben.

Zumindest den Ärger um seine wöchentliche ARD-Sendung will sich Jauch ab dem kommenden Jahr ersparen. Über die genauen Gründe für seine Entscheidung schweigt er. Ob auch die angebliche Absicht der ARD, die Kosten für die teure Produktion senken zu wollen, eine Rolle spielte, wie es die "FAZ" am Tag nach dem Donnerschlag mutmaßt, ist nicht gesichert. Vermutlich kam vieles zusammen. Sein Glück fand Günther Jauch im heiß ersehnten Polittalk jedenfalls nicht. So gesehen ist es der richtige Zeitpunkt für den Abschied. Das große Weinen wird trotzdem ausbleiben.

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