"Bands müssen sich selbst finden. Es ist so in das Leben", sagt Samu Haber, dann überlässt er seine 20 Schützlinge schon wieder sich selbst, damit sie sich für das geplante Konzert zurechtsortieren – und eigentlich hätte Habers neue ProSieben-Show nach dieser Ansage und einer guten Dreiviertelstunde Sendezeit auch schon wieder beendet sein können. Es ist halt so in das Leben: Meistens stört das Fernsehen eh nur, wenn es dabei bleibt, wie irgendwer sich selbst findet.

Weil Leute sich aber trotzdem gerne dabei zusehen lassen, gibt es seit diesem Donnerstagabend "Die Band", "eine Entwicklung der Münchner Produktionsfirma Tresor TV in Zusammenarbeit mit ProSieben", schwindelt der Sender in der Ankündigung. Denn eigentlich ist "Die Band" bloß: "Popstars" ohne Detlef D! Soost mit Kandidaten, die wirklich Musik machen können.

Aber ehrlich gesagt reicht das schon völlig aus, um nicht gleich schreiend davon laufen zu müssen und dem mal eine Chance zu geben.

Ermutigt vom Erfolg mit "The Voice of Germany" hat ProSieben entdeckt, dass sich Castings auch veranstalten lassen, wenn darin Leute gefunden werden, die tatsächlich eine Stimme haben oder ein Instrument beherrschen, nicht nur eine große Klappe. "Die Band" ist der konsequente Versuch, dieses Prinzip ins Dokusoap-Genre zu hieven, ganz ohne Einpeitscher, Runterputzer und Quatschchoreograph – ausgerechnet von der "Popstars"-Firma Tresor TV. Dafür hat der Sender Ex-"Voice"-Coach Haber aus seinem Bro-Reservat mit Kumpel Rea Garvey gerissen und ihm ein Grüppchen Starkbegabter vor die Nase gesetzt, aus dem in vier Wochen Barcelona-Klassenfahrt eben "Die Band" werden soll. Und zwar ohne dass sich das Publikum oder irgendein Profifuzzi einmischt.

"Ich bin kein Coach, ich bin keine Jury, ihr habt die Power", meinte Haber am Ende der ersten Woche – und ließ die Klassenfahrer sich gegenseitig per Strichliste eliminieren, weil halt jede Woche auch jemand gehen muss, damit die Nachberichterstattungs-Tussis von "red!" später nicht mit zu vielen Kandidaten-Hausbesuchen überfordert sind.

Womöglich ist das auch schon der größte Schwachpunkt dieses schönen Versuchs, im Fernsehen einfach mal einen launischen Team-Findungsprozess mit Palmenhintergrund zu zeigen: dass sich nämlich alle, selbst wenn sie sich gerade rausvoten, permanent mit Komplimenten erschlagen. "Du bist der Hammer, aber ich glaub, ich kann mit dir keinen Rock'n'Roll machen", gehörte da noch zu den unfreundlicheren Erklärungen. Zumal vorher schon alle ständig so "Oberhammer" waren, dass nicht ganz klar ist, warum ProSieben nicht einfach alle 20 in die Band lässt, die, wenn die "Popstars"-Regel aus der Spätphase noch gilt, in spätestens zwölf Monaten ja sowieso aus dem kollektiven Publikumsgedächtnis gelöscht wird – sozusagen das Snapchat des Privatfernsehens.

Wer noch ein paar Sprüche sucht, die sich gut ins Rock-Poesiealbum schreiben lassen, ist bei "Die Band" auf jeden Fall richtig: "Freunde kommen und gehen – aber die Musik bleibt", "Ohne Gitarre würde es mich nicht geben", "Wenn dein Herz rockt, schaffst du alles", "Ich möchte Menschen mit meinen Texten zum Nachdenken bewegen". An Branchenromantik und Klischeegelaber scheint es dem "Band"-Trüppchen jedenfalls nicht zu fehlen.

Dummerweise ist da noch "Kult-Coach" ("red!") Haber, der jeden zurück auf den Boden der Tatsachen holt, wenn er erklärt, dass das Bandleben auch nicht mehr das ist, was es früher mal war: "Rock'n'Roll ist nicht wie in den 80ern, sondern ein Job. Wir können nicht betrunken Shows spielen."

Irgendjemand muss schließlich darauf aufpassen, dass die Leute vom Fernsehen nicht zuviel bechern und dabei wieder in alte Rollenmuster zurückfallen. Das hat zum Auftakt ganz gut geklappt. Erstaunlicherweise hielt sich der Schicksalsteil in "Die Band" in Grenzen: Sängerin Laura sollte erzählen, wie ihre Beziehung gescheitert ist, wie sie den Job verloren hat und von Hartz IV lebt (mit 27): "Ich bin ganz unten und hab nix zu verlieren." Und ein 19-jähriger Abiturient faselte als stünde ihm die Lebenserfahrung bis in die frisch geföhnten Haarspitzen: "Ich lass mich von jemandem von meinem Weg abbringen."

Zwischendrin gab's zur Abwechslung auch mal – Musik. Ganze Songs sogar, bei denen die Damen und Herren sogar aussingen durften.

Ob das jetzt schon als Konzept durchgeht, Leute in eine spanische Finca zu stopfen, ein bisschen abrocken zu lassen und zwischendurch zum Keyboard-Workshop mit Jamie Cullum nach London fliegen zu lassen, ließe sich durchaus anzweifeln. Aber es guckt sich ganz gut so weg an einem Donnerstagabend, zumal es auch keine endlos aufgebauschte "Challenge" ist, wenn Leute auf einem Speedboot angeschnallt werden, um bei Vollgas Gitarre zu spielen – sondern halt einfach Spaß. Könnte bloß sein, dass das dem Drama-gewöhnten Publikum auf Dauer ein bisschen langweilig wird.

Richtig was beitragen kann Samu Haber zu alldem zwar nicht. Für den Finnen ist das Projekt vermutlich eher eine Art Intensivkurs, bei dem er die Untiefen seiner Drittsprache ausloten und jetzt daheim erzählen kann, dass die seltsamen Deutschen "locker-flockig vom Hocker" sagen, wenn sie meinen, das jemand gelöst auf der Bühne gestanden hat. Ist aber trotzdem gut, dass er dabei ist: Als seine Schützlinge beim Premieren-Gig in einem spanischen Club den Saal zum Kochen bringen, steht Haber leicht angefasst dazwischen, ist sichtlich stolz – und man nimmt ihm das tatsächlich ab.

Das muss RTL 2 in ein paar Wochen erstmal nachmachen mit seinem eigenen "Popstars" ohne Detlef D! Soost. 

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