Da steht sie nun, die einstige HBO-Stilikone, und untersucht zwölf Jahre nach "Sex and the City" kritisch ihr Gesicht im Badezimmer-Spiegel. Direkt zu Beginn von "Divorce" ist klar: Straffe Haut ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Ende der 90er Jahre begann Sarah Jessica Parker in der Kultserie des Bezahlsenders ihre große TV-Karriere und war als Sexkolumnistin Abziehbild des galmourösen, manhattan'schen Single-Lifestyles. Doch was sie damals als faltenfreie Carrie Bradshaw zu Beginn des Piloten aus dem Off säuselte, passt in gewisser Weise ebenso gut zur neuen, aus der Feder von Sharon Hogan ("Catastrophe") stammenden Serie: "Selbstschutz und Vertragsabschluss dominieren alles. Amor ist aus dem gemachten Nest geflattert." 

Der Zeitpunkt des ehelichen Vertragsabschlusses liegt bei der von Parker verkörperten Frances und dem von Thomas Haden Church gespielten Robert schon lange zurück. Gut, sollte man meinen, wo doch immer konstatiert wird, dass Beziehungen zu Zeiten der Selbst- und Partneroptimierung nur noch eine Haltbarkeit von einer zerteilten Avocado haben. Und immerhin hat das Ehepaar zwei Kinder hervorgebracht, die sich bereits im Teenager-Alter befinden. Dennoch fragt man sich direkt zu Beginn: Hat Amor bei den beiden überhaupt jemals auch nur ansatzweise mit seinem Pfeil in deren Richtung gezielt? Der kommentarlos in die Höhe gestreckte Mittelfinger von Frances an die Adresse ihres Mannes könnte nach gerade mal einer Minute eine erste Antwort darauf liefern.

 

Dieser hat die gewählte Form nonverbaler Kommunikation zwar nicht mitbekommen, dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass sie in Verbindung mit einem gedachten Zwinkersmiley - Kategorie "nicht ernst gemeint" - daher kam. Spätestens nach weniger als der Hälfte ist auch für den Letzten klar: sie will ihn nicht mehr. Vielleicht hasst sie ihn sogar. Immerhin durchlief sie schon mal das Gedankenspiel, ihm mit einer asiatischen Winke-Katze ins Gesicht zu schlagen. Das beste Weihnachten seit Jahren hatte sie, als er in Alaska beim Fischen war, und sein Auto in der Hofeinfahrt zerstört ihre Freude beim abendlichen Heimkehren im Nu. All dies teilt sie ihm am Rande einer ohnehin kurios verlaufenden 50. Geburtstagsfeier einer ihrer Freundinnen mit. Einen Geliebten hat sie auch, "J", wie er in ihr Smartphone eingespeichert ist. Nicht die besten Voraussetzungen für ein weiteres Leben in Viersamkeit. So kommt es dazu, was mit dem Titel der Serie bereits vorweg genommen wird: Frances will die Scheidung. Sie liebe ihn nicht mehr. Und er? Reagiert körperlich und kotzt in ein Weinglas.

Wer sich die erste Folge von "Divorce" anschaut, kommt durch die Geschichte im Hintergrund kaum umhin, sie in Bezug zu "Sex and the City" zu setzen und nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten zu forschen. Zu wichtig war die Serie für Parker, den Pay-TV-Sender oder andere Serien mit offener Gesprächskultur. Ob es beispielsweise die schmutzigere Brooklyn-Version "Girls" ohne die Vorlage gegeben hätte, ist fraglich. Hinzu kommt, dass die 51-Jährige über eine so lange Zeit nicht auf dem kleinen Bildschirm in einer TV-Serie sichtbar war, dass ein Comeback unabhängig vom Thema ein genau beobachtetes ist. Und dann ist da eben auch noch das Thema selbst. Auf die Suche nach Mister Right und die mühsame Zähmung von Mister Big in "Sex and the City" könnte nun in "Divorce" das Thema "Beziehungsende" folgen - so die Theorie. Ist dies die logische Fortführung in einer anderen Serie, in der nicht die Beziehungsanbahnung (mit dann doch erfolgreichem, filmisch erzählten Ende), sondern das Scheitern einer Ehe mit anderen Charakteren thematisiert wird?

Dies wäre sicherlich zu einfach gedacht. Zugestehen muss man es Sarah Jessica Parker des Weiteren auch, sich in einer seriellen Erzählung mit ähnlich thematischem Rahmen bewegen zu dürfen, ohne dabei eine ältere Version ihres Alter Egos mimen zu müssen. Für das Loslösen könnte bereits der Ort des Geschehens, der weiter nach draußen verlagert wurde, sorgen. Wir befinden uns nicht mehr im Herzen New Yorks, sondern irgendwo in einem Vorort: Auf Wiedersehen Großstadt-Dschungel - hallo familienbedingtes Mittelstandsleben mit Veranda vor der Haustür! Auch wenn Frances offensichtlich Wert auf ihr Äußeres legt und in zeitlose Klassiker gehüllt ist - die Über-Fashionista ist gewichen.

Ein unglaubwürdiges Paar

Die als Comedy beschriebene Serie ist durchaus unterhaltsam erzählt. In der Manier von "Transparent" und "Master of None" findet man Humor eher zwischen den Zeilen versteckt. Skurrilitäten gibt es allerlei: direkt zu Beginn als eine Dose angeblich für die männliche Notdurft herhalten muss, oder wenn Frances ihrer Tochter auf dem Weg zum Schulbus folgt, um sich von ihrem morgendlichen Mundduft zu überzeugen. Beim Piloten merkt man direkt, dass man sich nicht im Network-Fernsehen befindet, sondern im wenig konservativen Pay-TV: Boshaftigkeiten, Oralverkehr, Schusswaffen-Gebrauch. All das schadet dem Halbstünder nicht. 

Doch zwei Probleme tun sich auf: Ein erstes besteht darin, dass man das Gefühl nicht los wird, Sarah Jessica Parker ist nicht richtig angekommen im neuen, weniger aufregenden Leben fernab Manhattans. Ihre Figur scheint nicht mit ihr zu verschmelzen. Viel zu oft ist da nur ein Gesichtsausdruck, der an ein Botox bedingtes, begrenztes Spektrum an Mimik einer Nicole Kidman erinnert. Schmerz, Witz, Hass: In der Figur der Frances schlägt sich das jedoch nur selten nieder. Das Puppenhafte und Bedachtsein auf einen allseits intensiven Blick mit Schmollmund ist einer weiteren Sache nicht zuträglich, womit wir zum zweiten Problem kommen. Der Mann der Scheidungswilligen wirkt ganz losgelöst von Frances wie Martin Sheens Figur Lester Nygaard in "Fargo". Ein Tölpel, ein Anti-Mr. Big, einer, mit dem man es machen kann, was uns wiederum erneut zu Amor führt: Die beiden geben als Paar eine zu unglaubwürdige Version ab. Leider wirkt es allzu oft so, als spielten Parker und Church in zwei verschiedenen Serien.

Doch nochmals zurück zum männlichen Part: Besagter Robert kommt bis kurz vor Schluss wie die Einfältigkeit in Person daher. So, dass es schon fast schmerzt. Unbeholfen und ungelenk steht er da mit seinem Schnäuzer im Holzfällerhemd, als er versucht, seine Wut an im Schlafzimmer herumstehenden Stühlen auszulassen. Doch die Sache kippt: als er seiner Frau auf die Schliche kommt und ihren Geliebten identifiziert, gibt es bei ihm so etwas wie eine Entwicklung in der ersten Folge. Dies kommt erfreulich unerwartet. Und dennoch bleibt der Eindruck: Er befindet sich in einer Comedy, sie in einer Drama-Serie. Auf welcher Ebene sich die beiden in den weiteren Folgen begegnen, dürfte nicht unspannend sein. In dem Fall dominiert nicht der Vertragsabschluss, sondern dessen Auflösung. Denn daran führt kein Weg vorbei. Sie sind einfach zu unterschiedlich. 

"Divorce" steht wöchentlich bei Sky Go, Sky On Demand und Sky Ticket im Originalton zum Abruf bereit. Die synchronisierte Fassung läuft ab Frühjahr bei Sky Atlantic HD.