Schon früh hat das Fernsehen die Lüge für sich entdeckt. So ist das Ratespiel "Sag die Wahrheit" seit vielen Jahren ein großer Erfolg – und die Älteren unter uns werden sich womöglich noch an eine weitere Show erinnern, in der das Publikum zu erraten hatte, welche von drei aufgetischten Geschichten erlogen war. "Wer dreimal lügt" nannte sich das Format, dessen Titel dem NDR offensichtlich so gut gefiel, dass man ihn jetzt für eine neue Show-Idee verwendet, in der es die Protagonisten mit der Wahrheit ebenfalls nicht allzu genau nehmen.
Das Konzept des Formats, das das Dritte Programm in den nächsten Tagen noch ein paar weitere Male am späten Abend testen wird, ist schnell erklärt: Im Mittelpunkt stehen mehr oder weniger skurrile Fragen, zu denen Annette Frier und Jürgen Vogel ebenso skurrile Antworten zu liefern versuchen. Allerdings sagt nur immer einer die Wahrheit - der andere hat seine Geschichte in bester Münchhausen-Manier frei erfunden. Die Grundzutaten, aus denen der Show-Neustart besteht, sind also nicht gerade das, was man für gewöhnlich als ausgefallen bezeichnen würde.
Sie taugen aber zumindest für eine ganz amüsante Fernsehstunde, was weniger auf die Geschichten als vielmehr auf die beiden äußerst motivierten Geschichtenerzähler zurückzuführen ist. Denn tatsächlich geben sich Frier und Vogel viel, manchmal auch etwas zu viel Mühe, um die beiden Kandidaten-Teams auf ihre Seite – und damit womöglich auf die falsche Fährte – zu locken. So gelingt es Jürgen Vogel gleich mehrfach, die Mitspieler mit Unwahrheiten für sich zu gewinnen, etwa als er behauptet, dass die Nachspielzeit bei einem brasilianischen Fußballspiel einst fast eine halbe Stunde dauerte, weil die Uhr im Stadion kaputt gewesen sei.
Wer sich auf die Sendung einlässt, erfährt mit der Zeit allerlei unnützes Wissen – oder hätten Sie geglaubt, dass zur Aufnahme an der New Yorker Columbia University zunächst ein Schwimmtest erfolgreich absolviert werden muss, oder dass Koalas beinahe den gleichen Fingerabdruck besitzen wie Menschen? Auf diese Weise eignet sich "Wer 3x lügt" recht gut zum Mitraten. Das Zeug zum Mitfiebern mit den Kandidaten besitzt die Show dagegen leider nicht, weil Moderator Jürgen von der Lippe bis zum Schluss nicht gerade den Eindruck erweckt, sich ernsthaft für seine Spieler zu interessieren und daher die Chance verpasst, das Publikum mit ihnen vertraut zu machen.
Ohnehin dient von der Lippe in diesem von Beckground TV produzierten NDR-Neustart zumeist bloß als Stichwortgeber für die "Lügenbarone", was schon alleine deshalb ein wenig schade ist, weil er in all den Jahren bei "Geld oder Liebe" in schöner Regelmäßigkeit unter Beweis stellte, dass er selbst reichlich Talent besitzt, wenn es darum geht, vor laufender Kamera zu flunkern. Wie schade, dass man sich das nicht zu Eigen gemacht hat. Fraglich auch, ob es auf Dauer nicht womöglich zu monoton wird, ausschließlich auf Frier und Vogel als Flunker-Experten zu setzen.
Trotz ihres Engagements wäre ein wenig Abwechslung im Ensemble womöglich nicht verkehrt – auch, um bei den aufgetischten Lügen noch etwas unberechenbarer zu sein. So besteht jedenfalls die Gefahr der schnellen Abnutzung. Was bleibt, ist daher letztlich eine ebenso unterhaltsame wie vorhersehbare Show, der es an manchen Stellen aber noch an Routine und Timing mangelt. Das ist im Übrigen keine Lüge, sondern echt wahr. Ehrlich.