Die Idee ist attraktiv. Man mische eine Art Cyberkrimi mit dokumentarischen Elementen und führe damit spannend durch ein komplexes Thema. Das komplexe Thema heißt in diesem Fall Martin Luther. Der Aufruhr, den er mit seinen Thesen auslöste, ist aktuell 500 Jahre alt. Das ist Grund genug, noch einmal die Fakten unters Volk zu bringen. Bitte möglichst packend, mögen die Auftraggeber gesagt haben.

Für Aufregung soll der Fall von Carsten von Lupfen sorgen. Der arbeitet als IT-Experte im Bundeskanzleramt und hat dort gehackt, was zu hacken war. Zu Beginn des Films wird er verhaftet und in die abgedunkelte Kommandozentrale der staatlichen Cyber-War-Kombattanten verfrachtet. Dort gibt er sich wortkarg und sondert lediglich ein Luther-Zitat ab. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“

„Luther lässt grüßen“, sagt zwischendrin auch noch jemand, und damit es auch der letzte Zuschauer versteht, muss noch jemand eine gewichtige Frage stellen, auf dass auch ja die Parallelen sichtbar werden. „Es kann doch nicht sein, dass hier das Gleiche passiert wie der katholischen Kirche vor 500 Jahren.“

„Was kommt der uns mit Martin Luther?“ brüllt der ungesund wirkende Mann aus dem Innenministerium, während der tätowierte IT-Nerd erst einmal erklärt bekommen muss, um wen es geht. „Martin Luther, Luther mit th, der Erfinder, der evangelischen Kirche.“ Der Innenministrale beruhigt sich aber rasch wieder und sagt dann einen Satz, der so gar nicht zum beabsichtigten Bedrohungsszenario passen will. „Das ist eine unangenehme Sache“, urteilt er lapidar. Ja klar, eine unangenehme Sache. Wegen einer unangenehmen Sache wird jemand inhaftiert. So ist das halt in solchen im Halbdunkel spielenden Filmen.

Schon da wird überdeutlich, dass hier ein pädagogischer Holzhammer aufs Glöckchen schlägt. Beauftragt wurde dieser offiziell als Doku-Thriller angepriesene Film von der ARD-Koordination Kirchliche Sendungen, und dementsprechend kommen dann auch ganz viele wichtige Leute aus dem Kirchensprengel zu Wort.

Dabei bedient man sich einer Art Echtzeitsimulation, die offenbar ein wenig „24“-Flair erzeugen soll. Eine Ermittlerin wird von Berlin nach Wittenberg geschickt und dann nach Rom und dann wieder nach Wittenberg. Natürlich wird sie von Kameras begleitet, weshalb im Berliner Lagezentrum stets in Echtzeit zu sehen ist, mit welchem Würdenträger oder Kirchenexperten sie gerade spricht. Die Recherchen sind natürlich fruchtbar und folgen der Frage, was in Dreiteufelsnamen Martin Luther mit dem inhaftierten Whistleblower aus dem Bundeskanzleramt zu tun hat.

Leider misslingt das Vorhaben der Filmemacher an genau diesem Punkt der Verknüpfung zweier Ebenen. Wer nämlich Doku und Krimi verbinden will, muss darauf achten, dass im Krimi auch so etwas wie ein inneres Motiv existiert. Das Motiv ist in diesem Fall aber nur ein behauptetes. Der Hacker kämpft angeblich für Freiheit und führt sich als eine Art Edward Snowden auf, während die Regierungsverantwortlichen vorgeben, eine Heidenangst zu haben vor der Veröffentlichung geheimer Papiere.

Leider will sich diese Angst beim Zuschauer überhaupt nicht einstellen. Sie wird nur schlecht belegt, weshalb es der ganzen Angelegenheit an Fallhöhe fehlt. Man spürt sehr rasch, dass niemand wirklich zwingend handelt, sondern lediglich, weil es so im Drehbuch steht. Der Versuch, hier einen Hybrid zu schaffen, darf als auf ganzer Linie gescheitert angesehen werden. Er stolpert über die Unentschlossenheit der Macher, die so gerne etwas Besonderes schaffen wollten.

Das Besondere schaffen wollten sie wohl, weil sie der Form einer einfachen Dokumentation nicht vertraut haben. Die aber wäre der bessere Weg gewesen, denn abseits der nicht gelungenen Krimihandlung ist hier eine ordentliche Aufklärungsarbeit zu verfolgen. Natürlich wird hier viel im Interesse der Kirche gefragt. Das spürt man sehr, und zwischendrin wirkt es dadurch doch oft ein bisschen wie eine klerikale Version der Sendung mit der Maus. Da hatte Luther doch ein bisschen mehr drauf.

"Die Luther Matrix", Dienstag, 11. April, 22:45 Uhr im Ersten