Der Streit, ob man fremdsprachige Fiktion im Original sehen soll oder synchronisiert, ist etwa so alt wie die DVD. Stören Untertitel Hintersinn und Wirkung des Ausgangsidioms oder verdirbt das dauernde Starren auf deutsche Übersetzungen im Gegenteil den wahren Sehgenuss? Nicht nur für notorische Binge-Watcher angloamerikanischer Import-Fiktionen sind das Fragen von fast schon philosophischer Tiefe. Bislang warten sie vergeblich auf Antwort. Noch. Denn die deutsche Web-Serie "Just Push Abuba" hat eine gefunden. Sprache, lernt man in sechs lose verknüpften Achtminütern um eine Kreuzberger WG, die einen Teil des Flurs aus chronischer Geldnot an Touristen vermietet, Sprache ist variabel, dehnbar, vielfältig und ganz sicher nicht an Herkunft oder Wohnort gekoppelt.

Mit den Gästen ihrer chaotischen Bleibe reden die noch viel chaotischeren Notvermieter Toni, Lucia und Joon daher einen Mischmasch aus viel Englisch, gelegentlichem Deutsch und Einsprengseln von Griechisch. Wenn das ZDF-Format am Freitag um 10 Uhr in der Mediathek und parallel bei Youtube online geht, bevor es einen Monat später auch im (mitternächtlichen) Regelprogramm läuft, hagelt es deshalb untertiteltes Esperanto à la „we live in a Drecksloch“ oder „because your mama dropped you from the Wickeltisch“. Und als Toni aus dem Notizbuch eines berühmten Psychoanalytikers, von dem sich seine griechische Mitbewohnerin Beistand erhofft, „9 Uhr 30, endlich wieder Stuhlgang gehabt“ vorliest, fragt sie in Ermangelung hiesiger Sprachkenntnisse hoffnungsfroh: „Is that about me?“

Nein Lucia, ist nicht über dich…

Wie überhaupt wenig in dieser Serie um irgendwas, sondern allenfalls für irgendwen gemacht ist. In ihrer alltäglichen Banalität liefert sie schließlich nicht viel mehr als leicht verdauliche, schnell vergängliche, dabei jedoch recht kurzweilige Fertignahrung für die Generation Z, also Zuschauer, die nie, wirklich niemals fernsehen. Da hilft es sehr, dass Objekt und Subjekt dieses ulkigen Durcheinanders szeneberliner Alltagsbefindlichkeiten teils deckungsgleich sind. Als frühe Achtzigerjahrgänge mögen die beiden Showrunner Jana Burbach und Niko Schulz-Dornburg zwar fast noch der analogen Generation X angehören, die mit Kassettenrecorder und brauner Soße aufgewachsen sind. Ihre Low-Budget-Produktion hingegen ist selbst für Millenials der wesensdigitalen Folgegeneration Y wohl zu substanzlos, weshalb es konsequent mit Entertainern der Kernzielgruppe besetzt ist.

Youtuber wie Joon Kim zum Beispiel, der als gleichnamiges WG-Mitglied ulkige Pullover durch Just Push Abuba spazieren führt und ansonsten mit Heimvideoclips über, nun ja, nichts von Bedeutung stolze 744.074 Abonnenten erreicht. Was wiederum kein Drittel jener zweieinhalb Millionen Fans von Freshtorge ist, der seinen drei Mietern als spießiger Hausbesitzer Riesenkampf das Untervermieten verbieten will. Zwischendurch darf die hauptberufliche Tochter Cheyenne Savannah Ochsenknecht als „Insta-Girl“ auf den WG-Flur kotzen, bevor ihr Bruder Wirsing Gorgonzola Unverständliches in die Gegensprechanlage grunzt. Und Louis Held darf als „Junger Hipster“ aus der Teeny-Reihe Bibi & Tina kurz ins ZDF hüpfen, um sich ansehnlich neben Friedrich Liechtenstein als Friedrich Liechtenstein zu stellen.

Just Push Abuba© ZDF/Florian Mag

Solche Cameo-Auftritte sorgen erkennbar nicht für dramaturgischen, umso mehr aber digitalen Content, vulgo: Clicks. Visits. Links. Also alles PR, aber Null Substanz? So einfach ist es auch nicht. Obwohl das Format zweifelsohne vor allem die Aufmerksamkeitsreserven Heranwachsender anzapft, wäre es unfair, das Format nur als Click-Generator abzukanzeln. Die echten Schauspieler Elli Tringou und Anton Weil schaffen es als Lucia und Toni nämlich durchaus, den Kurzgeschichten Substanz zu verleihen. Wie sie beim Berghain-DJ Nobyl (Sohel Altan Gol) oder der Silicon-Valley-Größe Holly (Megan Gay) um positive Bewertungen ringen, kommentiert den pausenlosen Kampf der Internet-Eingeborenen um digitale Anerkennung eindrücklicher als manch kritischer Beitrag wohlmeinender Pädagogen. Und wenn Toni um die weibliche Seite des Transgender-Models Esther/Eric (Salome Kießling) buhlt, verheddert er sich sehr glaubhaft in Geschlechterstereotypen.

Gewiss, manchmal bleibt das an der Oberfläche kleben. Wenn der gestrenge Vermieter auftaucht, plöddert dieselbe Musik wie beim ARD-Schmunzelkrimi aus dem Bildschirm. Und fachlich dilettantische Nebendarsteller wie Freshtorge oder Joon sind mit vollständigen Drehbuchsätzen fremder Autoren spürbar überfordert. Trotzdem zeigt Just Push Abuba (was übrigens für den zu drückenden Namen am Klingelknopf steht) ebenso wie die preisgekrönte Nazi-Dramedy Familie Braun oder zuletzt das Hauptstadtprekariatsporträt Nix Festes, wie sich die Öffentlich-Rechtlichen um junges Publikum bemühen. Synchronisiertes Fernsehen jedenfalls ist in dieser Alterskohorte zusehends passé. Oder um es mit Toni zu sagen: „It’s all about Entertainment with etwas Hintersinn.“

"Just Push Abuba" ist ab Freitag um 10:00 Uhr in der ZDF-Mediathek und auf YouTube verfügbar. Am Montag gibt es die sechs Folgen ab 0:15 Uhr im ZDF zu sehen.