Die Geschichte ist schnell erzählt, und man hat dergleichen auch schon tausendfach gesehen. Ein wackerer Polizist lebt in einer Vorzeigefamilie, wird aber aus dem Idyll jäh herausgerissen, weil er zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ist. Dort wird eine Freundin der Familie erschossen, und der wackere Polizist hat gesehen, wer es war. Weil aber der wahre Mörder um jeden Preis geschützt werden muss, steht der Polizist plötzlich als Killer auf der Fahndungsliste und wird als Terrorist gejagt. Fette Verschwörungsstory aus dem Thriller-Grundseminar. Tatort München. Wie er sich da rauswindet und wie seine Familie den Glauben an ihn nicht verliert, davon handelt dieser Zweiteiler, der netto mehr als drei Stunden dauert.

Das beginnt alles ganz nett, wenn die Protagonisten eingeführt werden, als da wären, der wackere Polizist und seine Frau, die engagierte Journalistin. Beide leben in einem schnieken Bungalow mit einer Couchgarnitur im trockengelegten Swimming Pool. Das wirkt alles ein bisschen zu perfekt und mag nicht so recht zur Gehaltsklasse der beiden passen. Aber man weiß ja, dass erst einmal Fallhöhe geschaffen werden muss, das größtmögliche Idyll, auf das der Zuschauer beim folgenden Absturz der Hauptfiguren das Mitfiebern lerne.

Leider funktioniert das in diesem Fall nur mäßig. Das liegt vor allem daran, dass von allem ein bisschen zu viel serviert und ständig zu dick aufgetragen wird. Da schwirrt immer wieder eine tippitoppi gekleidete LKA-Frau durchs Bild, deren Outfit gleichfalls nicht zu ihrer Beamtensoldeinstufung passen mag. Auch eine vernünftige Mimik hat die Darstellerin offenbar daheim vergessen und deshalb eine aus Holz geschnitzte mitgenommen, die bei der Theater-AG der benachbarten Grundschule noch rumlag.

Natürlich braucht solch ein Jagt-den-Staatsfeind-Film dringend einen Bösewicht, der immer alles sieht, Zugang zu jeder Überwachungskamera hat und stets eine willfährige Meute mordwilliger Adlaten um sich herum schart, die in die polizeilichen Asservatenkammern einfach so reinmarschieren und Beweismittel austauschen kann. Manfred Zapatka spielt diesen Bösewicht mit der ihm zu oft eigenen Starre im Ausdruck, und er erledigt den Job meist, indem er so ernst schaut, dass einer seiner Blicke genügen würde, einen frischen Wurf Katzenbabys schockzufrosten.

Dagegen hat es Henning Baum als wackerer Polizist auf der Flucht leicht, wenigstens halbwegs glaubhaft zu wirken, obwohl seine demonstrativ zu Markte getragene Männlichkeit in Verbindung mit seiner familiären Sentimentalität auf die Dauer von der Stulle tropft wie zu dick aufgetragenes Streichfett. Aber so ist er nunmal, der Baum, ein knorriger Kerl zum Liebhaben, der letzte Bulle halt.

Leider funktionieren auch die belebteren Szenen mit ihm nur mäßig, was daran liegen mag, dass hier nicht das ganz große Actionrad gedreht wird, dass die Stunts eher nach Hausmacherart gefertigt werden. Hier rummst mal ein Auto gegen einen Betonklotz, dort muss Baum in die kalte Isar steigen, und natürlich bekommt er mehrfach ordentlich auf die Fresse. Im Münchner Olympiastadion muss er auf dem berühmten Dach rumklettern, während unten Metallica „Enter Sandman“ in die Fanmeute donnern. Leider sieht diese Spritztour in die Höhe wenig nach Wagnis aus, eher wie die Inspektionstour eines in die Jahre gekommenen Dachdeckers.

An die Wand gespielt wird er dabei ohnehin von Franziska Weisz, die ihrer Rolle als Polizistenfrau erstaunlicherweise eine wenigstens im Ansatz erkennbare Tiefe verleiht. Sie ist eindeutig die Entdeckung dieses Films, und immer wenn sie ins Bild kommt, wird der Zweiteiler ansehbar. Leider ist sie letztendlich viel zu selten im Bild, was vielleicht auch damit zu tun haben könnte, dass sie die Frau von Regisseur Felix Herzogenrath ist, der sich möglicherweise nicht dem Vorwurf aussetzen wollte, seine überaus talentierte Gattin zu bevorzugen.

Durchgehend spürt man in dieser Produktion, dass ganz Großes geschaffen werden sollte, aber auf die Dauer wirken die Bemühungen ähnlich wie die Versuche eines Bowlinganfängers, der mit jeder Menge Elan in den Anlauf geht, sich dann aber die Finger in der Kugel klemmt und hernach jammernd auf der Bahn verreckt. Da wechseln sich grauenhaft markige Standardsätze wie „Wenn wir jetzt nicht gehen, werden wir beide nicht weit kommen“ ab mit Krachern wie „Du musst mir Deckung geben, wenn was passiert.“ Fehlt nur noch, dass jemand zum Telefon greift und sagt: „Geben Sie mir den Präsidenten!“

Gänzlich unerträglich wird es stets, wenn die Handlung von fetten Bläsern und flirrenden Streichern ins nächste Drama begleitet wird. Das wirkt dann, als stehe jemand am Horizont, der reihenweise akustische Zaunpfähle ausreißt, um mit ihnen einer Gruppe Blinde-Kuh-Spieler zu winken. Oder anders gesagt: Mit dieser Art von Soundtrack könnte man für ein paar Minuten sogar die Ziehung der Lottozahlen für Nichtspieler spannend machen. Danach würde es dann aber ob des klanglichen Overkills rasch öde.

Es wäre also, wie schon eingangs gesagt, so schön, wenn im deutschen Fernsehen mal wieder ein richtig tolles Action-Event gelingen würde, ein Genrefilm, der alles hat, was es braucht, um den Zuschauer zu fesseln. Dieser Wunsch bleibt nach diesem Zweiteiler leider akut wie eh und je.

Sat.1 zeigt den Zweiteiler "Der Staatsfeind" an diesem und nächstem Dienstag um 20:15 Uhr.