Die Aufregung merkt man Isabel Varell und Tim Schreder an. "Ich hätte nie gedacht, dass wir mal nach der 'Tagesschau' übernehmen", sagt Varell und für einen kurzen Moment könnte man vor dem Fernseher den Eindruck gewinnen, sie moderiere gemeinsam mit ihrem fast 30 Jahre jüngeren Kollegen gerade eine große Primetime-Sendung. Tatsächlich ist die "Tagesschau" nach dem "Morgenmagazin" gemeint und "Live nach Neun" so etwas wie dessen verlängerter Arm. Etwas bunter soll es zugehen und vor allem nah dran sein an den Menschen, wie das so schön heißt.

Konkret sieht das dann so aus: Eine angehende Lehrerin darf in einem selbst gedrehten Handyfilmchen erklären, wie sehr sie sich auf ihre ersten Schüler freut, und eine Reporterin wird zu den Bundesjugendspielen an eine Grundschule in Rheine geschickt, um den Zuschauern zu erzählen, dass hier "wirklich alle bester Laune" sind. Dann geht’s noch um einen autistischen Jungen, Wasserbüffel auf der Autobahn, ein Treffen von Mops-Fans in Rheinland-Pfalz und – natürlich – das Wetter.

Fürs Wetter hat der WDR, der wie schon das "Morgenmagazin" auch "Live nach Neun" verantwortet, sogar eigens eine Meteorologin ins Studio eingeladen, von deren Seriosität sich Isabel Varell sicherheitshalber noch einmal überzeugen lässt. "Du hast das richtig studiert?", fragt sie ungläubig, was die Frau schließlich glücklicherweise bejaht. Danach gibt Varell dann noch zu Protokoll, den Sommer am besten zu finden, um dann schnell nachzuschieben, eigentlich jede Jahreszeit zu mögen. "Ich liebe den Winter, den Frühling, den Herbst."

Ähnlich beliebig wie Varells Jahreszeiten-Favoriten wirkten letztlich auch weite Teile der Sendung, die kurioserweise erst mal mit einer Entschuldigung beginnt, weil die ARD-Zuschauer fortan auf die Wiederholung von "Rote Rosen" verzichten müssen – eine Sendung, die der junge Co-Moderator, der sich bislang vorwiegend durch die Kindernachrichten "logo" einen Namen gemacht hat, ohnehin nie gesehen hat, wie er einräumt. Generell scheint Tim Schreder vieles von dem, worum es bei "Live nach Neun" geht, nicht so recht zu mögen. Die Bundesjugendspiele hält er für "Horror", die Umstellung der HSV-Uhr für einen Skandal und der ESC ist auch nicht seins.

Selbst den Muttertag findet Schreder nicht uneingeschränkt klasse, weil man doch viel lieber das ganze Jahr über an Mama denken soll. Ja, sogar Isabel Varrel bekommt von ihm gleich mal einen mit: Sie sei ja doch "ein bisschen angestaubt", sagt der aufstrebende Moderator über die erfahrene Fernsehfrau an seiner Seite. "Aber macht ja nix." Eines muss man dem WDR lassen: Die unterschiedlichen Ansichten verschiedener Generationen hat man in der Premiere von "Live nach Neun" dann doch gut herausgearbeitet, auch wenn die Gespräche zwischen Varell und Schreder nach dem Motto "Erzähl doch mal, wie das bei dir so ist..." bisweilen arg angestrengt wirken.

Forciert werden soll das Generationen-Thema übrigens durch zwei weitere Moderatoren-Paare mit ähnlichen Altersunterschieden. Irgendetwas muss man ja machen, um sich vom ZDF abzusetzen und ihm möglichst ein paar "Volle Kanne"-Zuschauer abspenstig zu machen. Weshalb es "Live nach Neun" angesichts des erfolgreichen ZDF-Magazins im Gegenprogramm wirklich braucht, ist zumindest nach der ersten Ausgabe ebenso wenig klar wie eine Antwort auf die Frage, warum man den Moderatoren eigentlich eine goldene Badewanne und ein Fahrrad ins Studio gestellt hat.

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