Über die Jahre hinweg sind die Geschichten in den Nachmittagsformaten von RTL und Sat.1 immer extremer geworden. Familienmitglieder und Freunde schreien sich wegen mehr oder weniger gut inszenierten Problemen so laut an, das einige Storys inzwischen direkt aus der Sicht von Polizisten oder Ärzten erzählt werden. Bei RTL versucht man nun schon seit einiger Zeit entgegenzusteuern und testet Formate aus anderen Genres, nach dem Ende von "Hol dir die Kohle" hat man nun mit "Auf fremden Sofas" eine weitere frische Sendung auf die Bildschirme geschickt, die wohltuend anders daherkommt als "Verdachtsfälle" & Co.

Diese Andersartigkeit könnte dem Format allerdings schnell zum Verhängnis werden. Sind die Zuschauer am Nachmittag inzwischen sehr skurrile Geschichten gewöhnt, besinnt sich "Auf fremden Sofas" auf mehr oder weniger normale Alltagsgeschichten aus dem Leben deutscher Familien. Eine Woche lang wurden dafür die Wohnungen und Autos von drei Familien mit Kameras ausgestattet, so will man einen möglichst unverstellten Einblick in das Leben dieser Menschen ermöglichen. Zwischendurch wird das Geschehen immer wieder von den Familien kommentiert.

Das Format erinnert damit zunächst etwas an "Gogglebox". Diese Sendung stammt aus Großbritannien - Zuschauer sehen darin verschiedenen Protagonisten dabei zu, wie sie TV schauen. Sat.1 und RTL versuchten sich in der Vergangenheit an ähnlichen Formaten, entschieden sich aber gegen Fortsetzungen. In "Auf fremden Sofas" geht es zum Glück um mehr als nur um das TV-Programm. Da setzt sich die junge Mutter mit ihren Kindern beispielsweise an den Tisch und bespricht Hausaufgaben und Fehlverhalten in der Schule. In den anderen Familien geht es um tierischen Nachwuchs oder den Aufbau eines Schrankes. Das ist mal mehr und mal weniger spannend. 

Ganz wollten sich RTL und die Produktionsfirma Norddeich TV aber dann doch nicht auf völlig unbekannte Paare verlassen. Deshalb haben sie unter anderem mit den Fussbroichs eine Familie engagiert, die im Sommer schon beim "Sommerhaus der Stars" für viele Schlagzeilen gesorgt hat. Praktischerweise kann man dann auch gleich noch einmal die wichtigsten Szenen der Show zeigen und so ein paar Minuten Sendezeit füllen. Das Ehepaar Fussbroich diskutiert dann auch ziemlich lange über die Brustwarzen von Patricia Blanco - die war ja auch in der aktuellen "Sommerhaus"-Staffel mit dabei. Der Streit zwischen Blanco und den Fussbroichs trieb die Quoten der RTL-Show weit nach oben - da kann eine Läster-Attacke im neuen Nachmittags-Format nicht schaden, wird man sich gedacht haben.

Aber das Thema Blanco kommt natürlich nicht wie aus dem Nichts. Die Fussbroichs haben einen Beitrag über Blanco "zufällig" im Fernsehen gesehen - natürlich bei RTL. Überhaupt scheint es in "Auf fremden Sofas" nur einen Sender bei den Familien zu geben: RTL. Wenn im Hintergrund der Fernseher läuft, ist ausschließlich das Programm der Kölner zu sehen. Das kann ein Zufall oder eine bewusste Inszenierung sein. Ganz kurz jedenfalls kommt auch mal ein Format der Konkurrenz zur Sprache. Als ein homosexuelles Paar darüber diskutiert, woher man die Fussbroichs nun kennt, sagt der eine: "Big Brother Dingsbumshaus". Aber sein Partner klärt schnell auf und weiß natürlich auch, wer beim "Sommerhaus" gewonnen hat.

Die jeweiligen Kommentare der Familien über das gerade Gesehene sind zu großen Teilen überflüssig, weil längst nicht so lustig wie in anderen Sendungen. Nicht ganz klar wird außerdem, wieso sich die Familien teilweise selbst mit dem Smartphone filmen (schlechte Qualität), während sie dabei von den echten Kameras gefilmt werden. 1:1-Interviews gibt es jedenfalls keine. Dennoch ist "Auf fremden Sofas" wohltuend anders. Der Alltag der Familien läuft vielleicht nicht immer 1:1 so ab wie gesehen, das wäre vermutlich auch viel zu langweilig für eine TV-Sendung, dennoch hat man nie das Gefühl, dass hier Autoren am Werk waren. Jetzt müssen allerdings die Zuschauer entscheiden, ob ihnen das reicht. Oder ob sie doch wieder die Scripted Realitys wollen. In "Auf fremden Sofas" schreit sich nämlich niemand an.