Man stelle sich vor, ein Fernsehsender plant gerade, ein in die Jahre gekommenes Magazin zum journalistischen Aushängeschild umzubauen – und beschäftigt sich darin nur eine Woche vor dem entscheidenden Neustart ausschließlich mit Nichtigkeiten. So geschehen am späten Montagabend in Sat.1 mit der "Akte", einer längst dem Tode geweihten Sendung, deren einzige in Erinnerung gebliebene Leistung der Kokain-Fund auf dem Bundestags-Klo gewesen ist. Dummerweise ist das schon fast 20 Jahre her.

Der langjährige Moderator Ulrich Meyer hat sich längst von der "Akte" verabschiedet und auch die Hoffnung, dem Magazin mit der Hilfe von Ex-"BamS"-Chef Claus Strunz neue Zuschauer zuzuführen, erfüllte sich nicht. Doch jetzt will es Sat.1 noch einmal wirklich wissen. "Wir wollen die 'Akte' zur Dachmarke für Informationsprogramme unter eigener Flagge ausbauen", kündigte Geschäftsführer Kaspar Pflüger noch vor wenigen Tagen im Gespräch mit DWDL.de an und sagte, sie soll auch zur Marke für Sondersendungen werden, "quasi unser 'Brennpunkt'".

Was man in Sat.1 unter einem "Brennpunkt" versteht, ließ sich sehr gut an diesem Montag erkennen, als sich ein "Akte"-Special mit einem echten Brandherd beschäftigte – und zwar mit dem eigenen eigenen Programm. Eine Stunde lang arbeitete jene Sendung, die den Zuschauern fortan "gehaltvollen Magazin-Journalismus mit Relevanz" (O-Ton Pflüger) bieten möchte, die Geschehnisse von "Promi Big Brother" auf. Es scheint, als habe man den Relevanz-Begriff in Unterföhring gänzlich neu interpretiert. 

Da war dann etwa der ehemalige Bewohner Zlatko Trpkovski zu sehen, wie er nach seinem Rauswurf fast unbekleidet über den tristen Parkplatz des Ossendorfer Studiogeländes schlurfte, ehe ihn "Akte" für ein nichtssagendes Interview in ein noch tristeres Räumchen setzte, das offensichtlich so klein war, dass Trpkovskis Gesicht beinahe die ganze Zeit über auf eine nur wenige Zentimeter entfernte Wand blicken musste. Was dann folgte, kam einer Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten gleich, die so weit von Relevanz entfernt war wie Luke Mockridge von einer innigen Freundschaft mit Andrea Kiewel.

Zlatko bei Akte

Hört man sich im Sender um, dann dürfte es das, was am Montagabend nach "Promi Big Brother" zu sehen gab, eigentlich gar nicht geben, zumindest nicht unter dem Namen "Akte". Deren Anspruch soll es nämlich keineswegs sein, einfach nur das Vorprogramm aufzubereiten – also ganz anders als "Extra", das bei RTL das Weiterspinnen hauseigener Themen vom "Jenke-Experiment" bis hin zu "Bauer sucht Frau" seit Jahren perfektioniert hat. Stattdessen ist von journalistischem Profil die Rede und davon, dass die "Akte" keine Heimat für in Watte gepackte Schicksalsgeschichten sein soll.

Offenkundig scheint der hehre "Akte"-Anspruch aber erst ab der kommenden Woche gelten, wenn die neue Redaktion, die seit Monaten am Standort Unterföhring aufgebaut wird, das Zepter übernimmt. Es wäre ja auch zu schade gewesen, hätte man sich die guten Quoten einer "Promi Big Brother"-Nachlese entgehen lassen. Zu gerne hätte man am Montagabend allerdings Mäuschen gespielt bei jenen Menschen, die schon in wenigen Tagen das umsetzen sollen, was die Sat.1-Führung derzeit mit wohligen Worte ankündigt. Schwer vorstellbar, dass sie begeistert davon waren, was da unter dem "Akte"-Deckmantel über den Sender ging.

Mit der Entscheidung, die "Akte" so kurz vor der Neupositionierung für einen lächerlichen "Promi Big Brother"-Nachdreh, produziert von den "PBB"-Machern, zu missbrauchen, leistet Sat.1 seinem Magazin jedenfalls einen üblen Bärendienst – sofern man es denn mit all den Ankündigungen überhaupt ernst meint. Da passt es gut ins Bild, dass man am Tag danach auch noch die erwartet starke Quote feierte. Im Gegenzug dürfte es jedoch schwerfallen, die "Akte" ab nächster Woche als Aushängeschild wahrzunehmen, wenn unter dieser Marke kurz zuvor noch der Streit zwischen Zlatko und Joey Heindle zum Thema gemacht wird.

Man kann eine solche Sendung freilich zeigen. Die Frage ist vielmehr, ob man es ausgerechnet als "Akte" tun muss, wenn die Sendung doch eigentlich ganz neu positioniert werden soll. Vermutlich wäre Sat.1 gut beraten gewesen, dem Magazin nach der letzten Strunz-Ausgabe die dringend benötigte Verschnaufpause zu verordnen. Jetzt hilft der "Akte" wahrscheinlich nicht mal mehr ein Koks-Fund im Kanzleramt.

Mehr zum Thema