Vor knapp einem Monat, am 27. Januar, fand der Internationale Tag des Gedenkens zu Ehren der Opfer des Holocaust statt. Es wäre das perfekte Datum für die heute startende Amazon-Serie "Hunters" gewesen, die in moderner Art darstellt, wie man an die Vergangenheit erinnern kann, ohne in der hundertsten Hitler-Doku die nicht weniger wichtig gewordenen Bilder der Schreckens zu zeigen, die bei den meisten nur noch als monotone Hintergrundbeschallung dienen. In "Hunters" befinden wir uns im Jahr 1977, Nazi-Deutschland wurde 1945 besiegt. Doch diejenigen, die Hitler selbst nach seinem Tod weiterhin folgen, konnten noch nicht allesamt gefunden und verurteilt werden.

In "Hunters" sind sie als amerikanische Familienväter und Antiquitätenhändler untergetaucht und arbeiten unter anderem in Washington stetig daran, ein "Viertes Reich" aufleben zu lassen. Im Visier außerdem weiterhin: Juden. Unter anderem Jonah Heidelbaums (Logan Lerman, "Vielleicht lieber morgen") Oma wird kaltblütig ermordet. Noch ohne zu wissen, wer der Mörder war und welche Absichten er hatte, verfolgt er ihn. Auf seinem Racheweg trifft er auf den Holocaust-Überlebenden Meyer Offerman (Al Pacino, "Scarface"), der ihm unverhofft zu Hilfe kommt und ihn zu einem exklusiven Kreis einlädt: Ein gemischter Trupp, der als "Hunters" dafür sorgen will, dass alle lebendigen und neu rekrutierten Nazis zur Rechenschaft gezogen werden.

Die von Jordan Peeles ("Get Out") Studio Monkeypaw Productions umgesetzte Mahnung daran, dass sich die Geschichte nicht wiederholen darf, wagt sich mit purer Entschlossenheit an dieses, vor allem hierzulande, stets präsente Thema. Diese Entschlossenheit drückt sich zum einen in der gesamten Breite des modernen Fernsehspiels aus, die hier demonstriert wird. Schöpfer David Weil und sein Regie-Team, das ganze sechs Filmschaffende wie beispielsweise Nelson McCormick ("Prison Break") umfasst, gehen durchweg kreative Risiken ein und beweisen Mut in jeder Zelluloid-Faser. Der nostalgische 70s-Look trifft auf bitterbösen, jüdischen Humor und Inszenierungen, die nicht selten verdammt weh tun.

So kommt aus der verriegelten Dusche einer alten Dame plötzlich kein heißes Wasser mehr raus, sondern giftiges Gas. In einem Flashback wird ungeschönt gezeigt, wie mit Auschwitz-Juden menschliches Schach gespielt wurde – und die herausgeworfenen "Figuren" ermordet im Graben hinter dem "Spielfeld" landeten. Als Spielleiter mussten ebenfalls Juden fungieren, die unter Tränen ihre Freunde in den Tod schickten. Kein makaberer Beweis dafür, was damals genau in dieser Form passiert ist, aber dafür, zu was Nazis tatsächlich in der Lage sind.

"Hunters" ist beklemmend und erfüllt damit einen Lehrauftrag, der in ungewöhnlicher Manier mit einem derartigen Unterhaltungsgrad aufwarten kann, dass man diesen Nazi-Terror und seine gerechte Strafe in Form von zehn Folgen tatsächlich durchbingen möchte. Außerdem: Dass tausende Nazis unerkannt in den USA untertauchten und dort sogar von der CIA protegiert wurden, entspricht der Wahrheit. Die Geheimdienste der USA haben nach dem Zweiten Weltkrieg mit der "Operation Paperclip" tatsächlich hunderte deutsche Wissenschaftler und Ingenieure, oft Nazifunktionäre, ins Land geholt, um die amerikanische Raumfahrtforschung voranzutreiben.

Hunters

Die Nazi-Jäger und ihre gelebte Diversität

In Zeiten von politischer Unruhe scheint an manchen Stellen dennoch eine gefährliche Aussage durch. In "Hunters" unternehmen die staatlichen Behörden kaum bis gar nichts, nachdem Offerman ihnen aufzeigen wollte, dass sich Nazis innerhalb ihren Landesgrenzen bewegen. Selbstjustiz ist verboten und diese Serie bringt hoffentlich niemanden auf falsche Gedanken. Sondern auf den richtigen: Klare Kante zu zeigen, damit menschliche Abgründe nie wieder in einem Holocaust enden. Ein in der Serie zu sehener, intelligenter US-Nazi (Jonno Davies, "Spotless") zeigt stets, warum das so wichtig ist. In immer wieder aufkommenden Monologen sinniert er über die natürliche Auslese und die Gefahr, die von Farbvermischung ausgeht. Es sind Texte, die in kaum abgeänderter Form heutzutage von gewissen Politikern des rechten Randes abgesondert werden.

Umso schöner ist, dass ein durch und durch diverser Cast auf die Beine gestellt wurde. David Weils Hauptbesetzung ist schwarz, asiatisch, homosexuell, alt, jung und natürlich jüdisch. Viele von genau jenen Minderheiten, auf die es Nazis abgesehen haben. Diese sind übrigens auch hier klassisch blond und blauäugig. Etwas mehr Diversität wäre an dieser Stelle tatsächlich angebracht, um nicht dem klassischen Schubladendenken eines Arier-Nazis zu verfallen.

"Lass es sie wissen: Nicht noch einmal. Nie wieder", brummt es an einer Stelle aus Al Pacino heraus. Damit fühlt sich "Hunters" nicht nur wie eine Hommage an Quentin Tarantinos "Inglorious Basterds" an, sondern vor allem an die Menschlichkeit. Doch ganz im Gegensatz zu Tarantinos Klassiker, der sich vor allem die Verhöhnung von Nazis auf die Fahnen geschrieben hat, geht Jordan Peeles "Hunters" eine Nummer ernster an die Sache. Dadurch gibt es für den Zuschauer deutlich weniger zu lachen, was bei diesem Thema aber fraglos auch nicht zwingend der Fall sein muss.

Die zehn Episoden der ersten Staffel von "Hunters" stehen ab sofort bei Amazon zur Verfügung.