"Big Brother" sollte für Sat.1 der große Befreiungsschlag am Vorabend werden. Gekommen ist es ganz anders: Insgesamt hat der Große Bruder dem Sender sogar Zuschauer gekostet und in der werberelevanten Zielgruppe nähert sich das Format bereits mit großen Schritten dem Niveau an, das "Genial daneben - Das Quiz" zuvor auch erreichte. Kurzum: "Big Brother" ist bislang eine einzige Enttäuschung für Sat.1. Entsprechend groß ist die Unzufriedenheit in Unterföhring, weshalb man sich nun zu einem Neustart entschieden hat. 

Anders als 2008/09 unter RTLzwei macht Sat.1 das etwas subtiler und hat das Blockhaus am Montag in der Liveshow geschlossen, alle Bewohner wohnen fortan im Glashaus. Außerdem erhalten sie dort weniger Essen als bislang üblich in diesem Bereich. Der Sender verkauft das als "Phase zwei" des Experiments "Big Brother". Das ist natürlich völliger Quatsch. Sender und Produktionsfirma hätten sich den Hirnschmalz, den man in den vergangenen Tagen in den Neustart gesteckt hat, gerne erspart. Der Neustart ist Ausdruck der extrem schwachen Quoten. Dass man es den Zuschauern anders verkauft - geschenkt. 

Im Ergebnis bleibt ein über den Haufen geworfenes Konzept. Es gibt bis auf Weiteres nur noch einen Bereich und alle Bewohner kommen ab sofort in den Genuss der Zuschauer-Bewertungen. Der Neustart ist eine wichtige Weichenstellung - und er ist die einzige richtige Entscheidung, die die Verantwortlichen treffen konnten. Das Konzept hat in der Realität nicht das geliefert, was es auf dem Papier versprochen hatte. 

Marktanteils-Trend: Big Brother
Big Brother

Die ersten Fans beschwerten sich bereits im Vorfeld der Liveshow am Montag, dass durch die Schließung des Blockhauses nun der letzte Charme der Sendung verloren gehen würde. Sie liegen falsch. "Big Brother" war, wenn überhaupt, bislang nicht unterhaltsam durch das Blockhaus, sondern durch die Bewohner die dort wohnten. Die sind aber auch weiterhin dabei. Dass Sat.1 mit der Änderung nun auch die letzten verbliebenen Zuschauer vergraulen würde, ist eine Kritik, die völlig ins Leere läuft: Schließlich schauen schon jetzt so wenige Menschen zu, dass Sat.1 zum Handeln gezwungen wurde. "Big Brother" hat in seiner bisherigen Form schlicht nicht genügend Zuschauer vor den TV-Geräten versammelt. 

Durch den Neuanfang kann "Big Brother" endlich eine seiner größten Stärken ausspielen: die Bewertungen der Zuschauer. Die sorgten in den ersten beiden Wochen schon für einigen Zündstoff unter den Bewohnern. Dass die Hälfte der Bewohner gar nicht damit konfrontiert wurde, war von Beginn an extrem unglücklich. Diesen Geburtsfehler hat man nun behoben. Und eigentlich sollte das auch bereits am Montagabend in der Liveshow gezeigt werden. 

Verpfuschte Busen-OPs wichtiger als "Big Brother"

Dass es dazu letztendlich doch nicht gekommen ist, lässt einen als interessierter Beobachter einigermaßen sprachlos zurück. Nach einer kurzen Live-Schalte ins Haus, an dem die Bewohner das Ranking sehen sollten, meldete sich Jochen Schropp aus dem Studio und entschuldigte sich: Man habe jetzt doch leider keine Zeit mehr, das zu zeigen. Stattdessen gab es einen kurzen Teaser auf "Akte" - kurz danach begann das Sat.1-Magazin. Thema dort: verpfuschte Busen-Operationen. Sowas hat es natürlich noch nie gegeben im deutschen Fernsehen und es ist nur allzu verständlich, dass Sat.1 "Big Brother" da nicht noch ein paar Minuten länger senden konnte. Busen-OPs! 

Ärgerlich ist das abrupte Ende der Liveshow am Montag auch deshalb, weil die Sendung da gerade etwas an Fahrt aufgenommen hatte. Zuvor gab es einen zweiten Auszug, von dem die Bewohner vorher nichts wussten. Auch das war Teil des Neustarts. In den zwei Stunden davor zog sich die Liveshow mal wieder sehr - zu sehen gab es vor allem viele Einspieler vom Sonntag. Altware sozusagen. Und am Ende hatte man nicht mehr genügend Zeit für das Neue. 

Und trotz des verkorksten Endes hat Sat.1 am Montag in der "Big Brother"-Liveshow einiges richtig gemacht. Ohnehin kennen sich die Bewohner untereinander nun alle schon recht gut, weshalb es inzwischen immer öfters Streit oder Reibereien gibt. "Big Brother" 2020 nimmt mittlerweile also auch inhaltlich etwas an Fahrt auf. Man kann für die Macher nur hoffen, dass es nicht bereits zu spät ist. Die vermeintliche Strahlkraft von "Big Brother" hat man zu Beginn der Staffel offenkundig unterschätzt. Nun setzt man alles daran, dem Format doch noch zum Erfolg zu verhelfen. Das wäre auch wichtig für EndemolShine Germany: Geht Sat.1 damit baden, wird es das auf absehbare Zeit gewesen sein mit einer Normalo-Staffel. "Big Brother Reloaded" kann funktionieren - das hat RTLzwei 2008/09 vorgemacht.