Spätestens heute Abend gegen 23.15 Uhr - oder früher, falls man sich die Auftaktepisode schon bei TVnow anschaut - wird Social Media heiß laufen: "Das Sommerhaus der Stars" ist zurück, diesmal Corona-bedingt im beschaulichen Münsterland gefilmt, und knüpft gleich zum Ende der ersten Folge mit grenzwertigen Szenen da an, wo die neue Sat.1-Konkurrenz "Promis unter Palmen" im Frühjahr aufgehört hat. Diesmal geht es nicht um Mobbing, aber um eine Eskalation unter Einfluss von Alkohol, bei der man das Vertrauen darin haben muss, dass die Produktionsfirma beim Dreh im schlimmsten Fall schnell eingeschritten wäre.

Vor dem Hintergrund der Empörung über "Promis unter Palmen" ist die Entscheidung, solche Szenen auch entsprechend dramatisch aufbereitet und ohne Einordnung zu zeigen, eine bewusste Entscheidung von Sender und Produktionsfirma. RTL und Seapoint Productions spielen mit dem Feuer, in der Hoffnung auf den großen Buzz, der entstehen wird. Ganz so, als wolle man sich vom Überraschungserfolg der neuen Sat.1-Reality nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Im vergangenen Jahr erst hatte sich die vierte Staffel vom  "Sommerhaus der Stars" schließlich mit einem Quotensprung zum Maß der Dinge im Reality-Genre gemacht.

Die Grundkonzeption der Sendung, auf Promi-Paaren zu setzen, die mal mehr und mal weniger glaubhaft in einer echten Beziehung sind, hob das Format vom Wettbewerb ab. Neben den Genre-üblichen Eskalationen unter den teilnehmenden Parteien bot der Konflikt innerhalb der Paare beim Zusammenleben auf engsten Raum und insbesondere bei den Spielen zusätzlichen Zündstoff. "Das Sommerhaus der Stars" generierte so unzählige Zitate, verbreitete Memes und reichlich Personal für kommende Realitystar-Recycling-Formate. Rau ging es dabei immer schon zu. Heftiger Streit und Beleidigungen gehörten auch dazu. Eine so bedrohliche Situation wie zum Ende der ersten Folge dieser Staffel aber gab es noch nicht.

Dieses Reality-TV am Limit hält den Fans des Genres im Grunde einmal mehr den Spiegel vor: Dem Genre wohnt die Lust an Konfrontation und Eskalation inne, wird von Fans auf Social Media mit Spott und Häme begleitet und bedient damit - wie so manches Hartz-IV-Format - das gute Gefühl der eigenen Erhebung: So schlimm wie die, bin ich nicht. Sich von solchen Guilty Pleasure-Formaten unterhalten zu lassen, löst in der Regel keine Scham mehr aus. Glücklicherweise sind es im Fall des "Sommerhaus der Stars" ja auch mehr bzw. eher weniger Prominente, die das Format kennen und spürbar mit Selbstinszenierung für sich nutzen wollen. Oder anders formuliert: "Die wissen ja, was sie tun."

Es gibt aber Momente, an denen die Stimmung kippt, obwohl nur das auf die Spitze getrieben wird, was die Fans des Genres mitunter anfeuern wie Zuschauer bei einem Boxkampf. Dort weiß man allerdings, dass alles nach klar definierten Regeln funktioniert. Beim "Sommerhaus der Stars" muss man hoffen, dass die Ringrichter in Reichweite gewesen wären. "Eine Hemmschwelle ist sicher die Kamera. Für alle Fälle gibt es aber auch ein Security-Team in unmittelbarer Nähe", versichert RTL auf Anfrage.

Beruhigend zu wissen ist diesbezüglich, dass ein Paar das Format nach drei Tagen verlassen hat, wie die Boulevardpresse schon vorab vermeldete. Ohnehin setzt der Sender auf den Cliffhanger und verspricht Klärung in der zweiten Episode. Selbst verschuldet ist aber, dass die finalen 15 Minuten all das, was zum Auftakt der neuen Staffel gewohnt pointiertes Reality-Entertainment ist, überdecken. Dabei sorgt die Location des diesjährigen "Sommerhaus der Stars", die noch einmal beengtere Behausung und so manches Kandidatenpaar schon in seinem Vorstellungs-Einspieler (insbesondere Hypnotiseur Martin Bolze mit seiner Begleitung Michaela Scherer) in der langen Auftaktfolge für höchst amüsante Momente.

Bleibt abzuwarten, ob sich das Format nach diesem PR-trächtigen aber schwierigen  Skandalauftakt wieder auf die weniger problematischen Stärken besinnt, die das turbulente und intrigante Zusammenleben von kamerageilen "Prominenten"-Paaren in der vergangenen Staffel zum sehenswertesten und einem der meistgesehenen Guilty Pleasure des Fernsehjahres 2019 gemacht haben, das aufgrund von Casting, Schnitt und Storytelling deswegen auch mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde.