Wo Schatten ist, da muss auch Licht sein: nach diesem physikalisch unstrittigen Prinzip wird nicht nur die wahre Welt wechselnd illuminiert; es hilft auch dabei Horrorfilme schauriger zu machen. Hitchcocks "Suspense" zum Beispiel spielte schon im schwarzweißen Zeitalter abgründig hell mit der Finsternis. Längst farbig, wusste John Carpenter, dass der Tag umso böser endet, je höher die Sonne zuvor am Himmel stand. Und Stanley Kubrick machte "Shining" gar ganz ohne Nacht bei Nebel furchteinflößend. Ach, hätte Thomas Stuber doch nur einige Gruselgroßmeister studiert, bevor er die erste deutsche Horrorserie beleuchten ließ, besser: verdunkeln.

In "Hausen" nämlich taucht der Regisseur sein eigenes Drehbuch permanent in diffuse Dunkelheit. Bisweilen wirft der Tag zwar gleißende Strahlen durch blickdichte Fenster eines verwahrlosten Plattenbaus, in dem Stubers Achtteiler spielt – was aber schon deshalb seltsam ist, weil die Wolkendecke darüber nicht eine der gut 26.000 Seriensekunden aufreißt, niemals. In vier Doppelfolgen zeigt Sky demnach mit qualvoller Deutlichkeit, warum sich das deutsche Fernsehen vom planmäßigen Furchteinflößen fernhält; die Todfeindin fiktional erzeugter Gefühle ist schließlich eine TV-Spezialität made in germany: Effekthascherei. Dabei hätte sie in diesem Fall sogar fast funktioniert.

Als der wortkarge Jaschek (Charly Hübner) und sein pubertierender Sohn Juri (Tristan Göbel) am Monument misslungener Stadtplanung ankommen, zeigt sich das Exil des verwitweten Hausmeisters nämlich als imposanter Ort des Grauens. Gedreht in einer alten DDR-Klinik am Rande Berlins, sind die Bewohner der digital bearbeiteten Filmkulisse bestenfalls gescheiterte Existenzen, schlimmstenfalls auch noch Nazis. Parterre strahlt ein Penner zur Begrüßung gleich mal die Lebenslust eingekesselter Wehrmachtsoldaten aus, während das Gebäude darüber eher an Bürgerkriegswinter in Sarajevo als die ostdeutsche Provinz erinnert.

Mit Werkzeug und wachsender Neugier bewaffnet, dringen Jaschek und Juri Schicht für Schicht tiefer ins Innere einer Immobilie vor, die schwarzen Schleim ausschwitzt, den drei Jugendliche zur einer Art Haus-Meth verkochen. In "Hausen" sind also nicht nur die Mauern krank, sondern auch die Menschen dahinter. Und mit dem TV-Äquivalent zu Aldous Huxleys schöner neuer Welt-Droge "Soma" verweist die Serie beinahe literarisch auf den Horror einer Klassengesellschaft, in der das schreiende Unrecht nur noch betäubt zu ertragen ist.

Dummerweise jedoch interessiert sich der Writers Room um Till Kleinert und Anna Stoeva allenfalls nebenbei für philosophische Fragen, von einer echten Metaebene ganz zu schweigen. "Hausen" soll schockieren. Punkt. Und dafür wird weder Zeit noch Licht vergeudet. Die Ästhetik, mit der Sky sein Tiefglanzprodukt auf gruselig bürstet, ist dabei zwar auch nicht aufdringlicher als der Genre-Kodex, stets durch die Helligkeit ins Dunkel hinabzusteigen. Aber was Produzent Quirin Schmidt als "visuelle und erzählerische Kraft" bezeichnet, die "Horrorelemente, Mystery, Drama und dunkles Märchen zu einem geheimnisvollen emotionalen Kammerspiel" vereinigt, ist mit Effekthascherei eigentlich noch nett umschrieben.

Vom ersten Moment an taucht der dräuende Bombast-Sound die Story in Bedeutsamkeit, damit kein Zuschauer vergisst, wir schrecklich alles ist. Das Beleuchtungskonzept wurde schon angedeutet, macht es aber auch nicht logischer, wenn verängstigte Protagonisten selbst im Keller nie Licht machen und falls doch, dann kaputte Neonröhren. Die Langsamkeit, in der "bekannte Ängste zeitzerdehnt inszeniert" werden, wie Hauptdarsteller Hübner erklärt, wirkt nach kurzer Zeit selbstreferenziell. Den diabolischen Dealer (Alexander Scheer) fortwährend irre kichern zu lassen, ist Gruseln aus der Gebrüder-Grimm-Ära. Und kaum, dass Lilith Stangenberg und Daniel Sträßer den Junkies, deren Baby vom Haus verschlungen wird, grandiose Verzweiflung verleihen, reißt die Regie ihre Wucht mit der Dampframme ein und missbraucht sie als billiges Aufputschmittel einer Dramaturgie, die bei aller Spannung von vorgestern ist.

Statt die Entwicklungen von Vincenzo Natalis "Cube" über James Wans "Saw" oder Takashi Shimizus "Grudge" bis hin zu den Netflix-Epen um "Spuk in Hill House" und "Bly Manor" aufzugreifen, die das frühere Bahnhofskino-Genre seit langem auf feuilletonistisches Niveau heben, bleibt Sky also lieber im boulevardesken Erdgeschoss. Dort unten aber dockt "Hausen" nicht nur am billigen Grusel deutscher Schauermärchen wie der ProSieben-Farce "Gonger" an, er bedient sich auch noch schamlos im Ideenpool von "Stranger Things" bis "Dark".

Trotz allen Thrills, der sein Publikum dennoch in den achtteiligen Bann ziehen dürfte, trotz vieler Stars und solider Ausstattung, bleibt die Serie demnach fest im Zeitfenster der eigenen Handlungsachse stecken. Auf dem Röhrenfernseher eines der ausnahmslos merkwürdigen Charaktere, moderiert Harry Wijnvoord irgendwann "Der Preis ist heiß". Man schrieb damals die Neunziger, das Maß aller Horrordinge waren Slasherfilme wie "Scream". Viel weiter ist "Hausen" bis heute nicht.

Sky Atlantic zeigt von Donnerstag bis Sonntag an jedem Abend zwei Folgen um 20:15 Uhr. Alle Folgen stehen auch zum Abruf bei Sky Q und Sky Ticket bereit.