"Keine Politik an meinen Hochzeitstag", mahnt Paul, als das Gespräch auf Donald Trump und die bevorstehende Präsidentschaftswahl kommt. "Ausnahmsweise für heute nur Harmonie", sagt der Sprecher - und wird plötzlich persönlich. "Ansonsten", lässt er das Publikum wissen, "verläuft die ganze Zerrissenheit Amerikans mitten durch meine Familie." Die Stimme ist die von "Tagesthemen"-Moderator Ingo Zamperoni und der Mann, der gerade geheiratet hat, sein Schwiegervater – "ein überzeugter Trump-Wähler", wie Zamperoni sagt.

Schon als Student hat Ingo Zamperoni in den USA gelebt, verbrachte später mehrere Jahre lang als Korrespondent in Washington und ist noch dazu mit einer Amerikanerin verheiratet, die anders als ihr Vater, eine glühende Demokratin ist. Wenn der Journalist einen Einblick in die Gedankenwelt der Amerikaner gewährt, dann kann er dies intensiver machen als manche seiner Kollegen. ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen etwa reiste gerade für eine Reportage mehrere Wochen lang durch die USA, kratzte dabei jedoch allenfalls an der Oberfläche.

Ingo Zamperoni muss dagegen bei seinen Gesprächspartnern nicht bei Null anfangen, weil er sie schon seit Jahren kennt. Persönlich, aber nicht weichgespült versucht er beim Familienbesuch in North Carolina zu erfragen, was dazu führte, dass in vielen amerikanischen Familien inzwischen nicht einmal mehr miteinander gesprochen wird, weil die politischen Gräben unüberwindbar groß geworden sind. Bei seiner Frau und ihrem Vater – weiß, wohlhabend, konservativ – ist das, noch, anders. Da reicht es schon, wenn Zamperoni bei der Salatzubereitung danebensteht und die beiden über Trump und dessen Herausforderer erzählen lässt.

"Die Republikaner sind nicht mehr das, wofür sie einmal standen", versucht Ehefrau Jiffer auf Paul einzuwirken. Der wiederum verweist auf die gesunkene Arbeitslosigkeit und sorgt sich, dass das Land nie mehr dasselbe sein wird, sollten die Demokraten die Wahl gewinnen. Dabei findet er für den Präsidenten keineswegs nur lobende Worte. Er möge seinen Charakter nicht, aber sehr wohl was er tut, sagt er. Und überhaupt könne es Trump doch niemandem recht machen. "Wenn er auf die Toilette geht, kritisiert man ihn, dass er das falsche Toilettenpapier benutzt", meint Paul.

Ingo Zamperoni und seine Frau Jiff © NDR/Birgit Wärnke Ingo Zamperoni und seine Frau Jiffer Bourguignon

Seine Tochter dagegen findet, dass ihr Vater in der letzten Zeit "ein bisschen brainwashed geworden" sei. Manchmal, wenn beide telefonieren, sprechen sie nur noch fünf Minuten miteinander, – zum "Selbstschutz", wie sie sagt. Auch in Wisconsin, wo Jiffs Mutter Lynn lebt, ist die Spaltung der Gesellschaft sichtbar. Beim regelmäßigen Kayakfahren mit ihren Freundinnen ist Politik kein Thema, weil die Differenzen unüberwindbar sind. Das ist auch der Grund, warum ihr zweiter Ehemann schon längst nicht mehr mit seinem Nachbarn spricht.

Bei einem Glas Wein am See ist Lynn den Tränen nahe. Jedes Mal, wenn sie ein Trump-Schild an der Straße sehe, ärgere sie sich, erzählt sie ihrem Schwiegersohn und schluchzt: "Trump ist so eine schreckliche Person. Warum versteht das dieses Land nicht?" Auch in Kenosha, einem Ort im südlichen Wisconsin, der es vor wenigen Wochen mit tödlichen Schüssen, gewaltsamen Protesten und Plünderungen weltweit in die Schlagzeilen brachte, trifft Ingo Zamperoni auf Fassungslosigkeit. Dort ist es eine Highschool-Freundin seiner Frau, die sich in einem Kriegfilm wähnte, als die Stadt brannte.

Dass es besser wird, wenn die Wahl gelaufen ist, glaubt fast keiner der Gesprächspartner. Angst vor einer Art Bürgerkrieg habe sie, erzählt eine andere Freundin, die gar mit Anarchie rechnet – egal, wer gewinnt. Selbst Zamperonis Schwiegervater Paul weiß, dass Donald Trump das Land kaum vereinen wird. Eine Alternative sieht er dennoch nicht. "Ich halte mir die Nase zu und wähle ihn", sagt er und der "Tagesthemen"-Moderator bringt das eigentliche Dilemma der USA schließlich auf den Punkt. Trump, fasst Zamperoni zusammen, habe die Spaltung der USA vertieft, aber er sei auch Symptom. Eines, das auch seine eigene Familie zu spüren bekommt.

"Trump, meine amerikanische Familie und ich" läuft am Montag um 20:45 Uhr im Ersten und steht schon jetzt in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit.

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