Eines steht fest: 2020 wird als besonderes Jahr in die Geschichte eingehen, als ein Jahr, in der ein Virus unser Leben bestimmte. Dabei war das ursprünglich ganz anders gedacht. Eigentlich hätte 2020 ein Beethoven-Jahr sein sollen – 250 Jahre nach der Geburt des weltberühmten Komponisten sollte es zahlreiche Großveranstaltungen geben. Doch an die Stelle einer Ode an die Freude rückte die Pandemie, die sämtliche Pläne durchkreuzte. Umso schöner, dass jetzt, kurz vor dem Jahreswechsel, Ludwig van Beethoven doch noch einmal in den Mittelpunkt gerückt wird. Wenn auch nur für einen Abend.

Ein zweistündiger Fernsehfilm von ARD und ORF, produziert von Eikon Media, lässt das Publikum eintauchen in eine Welt, in der die Popstars der Zeit mehlige Perücken trugen. Mitten in diese Welt hinein wird besagter Beethoven geboren, der in seinen frühen Jahren meist Louis gerufen wird. Schnell zeigt sich, dass Louis ein echtes Wunderkind ist. Ständig von seinem ehrgeizigen Vater (Ronald Kukulies) zu Höchstleistungen getrieben, beherrscht er das Klavierspiel wie kaum ein Zweiter seines Alters. Eindrucksvoll mimt Colin Pütz den jungen Beethoven, was nicht zuletzt daran liegt, dass er selbst virtuos in die Tasten haut und die beiden anderen Hauptdarsteller dadurch in den Schatten stellt.

Tatsächlich beleuchtet Niki Stein, der nicht nur das Drehbuch schrieb, sondern auch Regie führte, keineswegs nur die Kindheit Beethovens. Im Zentrum stehen besonders die Jugendjahre, geprägt durch den frühen Tod der Mutter (Tatiana Nekrasov) und Schwester und die starke Alkoholsucht des verschuldeten Vaters, durch die Beethoven früh lernen muss, Verantwortung zu übernehmen, weil er der älteste von drei Brüdern ist. Zu diesem Zeitpunkt haben längst andere sein Talent erkannt, allen voran der Bonner Hoforganist Neefe, den Ulrich Noethen mit viel Feinsinn verkörpert. Durch die adlige Helene von Breuning (Silke Bodenbender) findet der Musikus eine weitere Förderin.

Louis van Beethoven © ARD Degeto/WDR/ORF/EIKON Media/Dusan Martincek Das musikalische Talent des achtjährigen Louis van Beethoven (Colin Pütz) sorgt für Aufsehen.

Anselm Bresgott spielt den erwachsen werdenden, rebellischen Beethoven, auf der Suche nach sich selbst – irgendwo zwischen jungem Liebhaber und aufstrebendem Talent, der mit Zustimmung des Kurfürsten im Alter von nur 17 Jahren vom rheinischen Bonn in das angesehene Wien reisen darf, wo er schließlich auf den hoch angesehen, aber dennoch unglücklichen Mozart trifft. Ob es wirklich zur Begegnung beider Genies kam, ist nicht überliefert – dem Film tut dies jedoch keinerlei Abbruch. Das Verschwimmen von Realität und Fiktion erinnert ein Stück weit an "The Crown". Das ist nicht weiter schlimm, sondern befreit "Louis van Beethoven" vielmehr von der Gefahr einer trockenen Geschichtsstunde.

Vielschichtig zwischen drei Lebensabschnitten

Gleichwohl lässt sich viel über das Innenleben Beethovens erfahren, von seiner Freigeistigkeit am Vorabend der Französischen Revolution, aber auch von seiner Verzweiflung während der letzten Lebensphase, in der Tobias Moretti die Rolle des nunmehr vereinsamten Komponisten übernimmt. Von seiner Taubheit gezeichnet, gerät Beethoven zunehmend zum aufbrausenden, ja frustrierten Musiker, der all seine Wut an seinem Ziehsohn Karl (Peter Lewys Preston) auslässt, und nicht nachvollziehen kann, dass seine Musik als "unspielbar" gebrandmarkt wird. Die Taubheit sichtbar zu machen, ist eine der großen Stärken des Films. Mal ist es ein kleines Notizbuch, mit dem der Meister kommuniziert, mal werden seine Gedanken zu Musik.

Zwischen diesen drei Lebensabschnitten springt Niki Stein munter hin und her – das macht den Spielfilm vielschichtig, birgt aber das Risiko, dass es an manchen Stellen etwas zu sehr durcheinandergeht. Gleichzeitig helfen die Verknüpfungen zu verstehen, dass es um weit mehr geht als um die Geschichte des unerkannten Genies, das von der Provinz in die große, weite Welt aufbricht. Als große Klammer zwischen dem Drama, das von familiären Problemen ebenso erzählt wie von den Fesseln der Zeit, dient die Musik, und zwar längst nicht nur die von Beethoven. Für zusätzliche Authentizität sorgt der Einsatz historischer Instrumente, die dem Film zu einem ganz eigenen Klang verhelfen. 

Dazu bieten prachtvolle Kulissen und schmucke Kleider jene Opulenz, die ein solches Biopic verdient. Es ist der würdige Abschluss eines Beethoven-Jahres, das gewiss als besonderes in Erinnerung bleiben wird.

"Louis van Beethoven", 25. Dezember um 20:15 Uhr im Ersten, schon jetzt in der ARD-Mediathek