Eigentlich hofft Kriminalhauptkommissar Sörensen auf einen Neuanfang im friesischen Katenbül. Hier, auf dem Land, will er die Ruhe finden, nach der er in der Großstadt Hamburg lange suchte. Ein ruhiges, beschauliches Arbeitsleben ist sein Ziel. Der kleine Ort, das wird schnell klar, ist eine Art Flucht vor der Angststörung, die Sörensens Leben bestimmt. Das Problem: In Katenbül kann man es wirklich mit der Angst zu tun bekommen. Keine fünf Minuten dauert es, bis der Bürgermeister des Dörfchens im Pferdestall tot aufgefunden wird. Nein, von Ruhe ist wenig zu spüren. Stattdessen werden alte Wunden sichtbar, die Sörensen aufreißt, je tiefer er in dem Mordfall ermittelt. 

Seine Ängste, so viel sei verraten, wird der Polizist in diesem Umfeld nicht los, was aus Sicht des Publikums jedoch keineswegs bedauerlich ist, schließlich weckt das die Hoffnung auf weitere Fälle. "Sörensen hat Angst" jedenfalls macht Lust auf mehr, was nicht zuletzt Bjarne Mädels Verdienst ist, der die zerbrechliche Hauptfigur glaubwürdig verkörpert. Zugleich ist der Krimi Mädels Regie-Debüt. "Zu 93 Prozent" sei der Film so geworden wie er es sich vorgestellt hat, sagt er stolz – und das sieht man auch. Auf Drohnenflüge, wie sie mittlerweile üblich sind, verzichtet Mädel und lässt den Kameramann Kristian Leschner stattdessen oft beklemmend nah ran an Sörensen, dessen Vorname jedoch bis zum Schluss ein Geheimnis bleibt.

Leschner und Szenenbildnerin Vicky von Minckwitz, aber auch ein Großteil der Schauspielerinnen und Schauspieler, haben bereits in "Der Tatortreiniger" mitgewirkt, in der Bjarne Mädel über mehrere Staffeln hinweg glänzte. Diese Vertrautheit merkt man dem Spielfilm an. Erst recht, weil Sven Stricker Mädel die Hauptrolle auf den Leib schrieb und beide schon lange mit dem Projekt und seinen Figuren verbunden sind. Ursprünglich als Hörspiel inszeniert, hat Stricker den Stoff zwischenzeitlich zum Roman ausgebaut, ehe jetzt also der Spielfilm folgt, dessen Fäden Bjarne Mädel gestalterisch geschickt zu einem ebenso spannenden wie dramatischen Erlebnis miteinander verwoben hat.

Sörensen hat Angst © NDR/Michael Ihle Sörensen (Bjarne Mädel) befragt den ehemaligen Kurdirektor Frieder Marek (Matthias Brandt)

Dass er Regie führt, war dabei eher Zufall. "Sven und ich hatten Angst, dass der Film anders werden könnte, als wir ihn in unseren Köpfen oder zumindest in den Bäuchen hatten", erzählt Mädel. All die ihm vertrauten Menschen "bildeten quasi meine Anker beim Drehen, ich konnte gar nicht groß wegtreiben." Und das spürt man, erst recht wenn dann auch noch Peter Kurth und Matthias Brandt mitwirken, die ihre dubiosen Figuren schlicht fantastisch verkörpern. Gleiches gilt für Katrin Wichmann und Leo Meier, die Sörensens Polizei-Kollegen spielen, oder auch für Anne Ratte-Polle, Markus John und Marion Breckwoldt.

Und natürlich gilt das auch für Bjarne Mädel selbst, der es fabelhaft versteht, das Innere des Ermittlers nach außen zu drehen. Die Kunst besteht etwa darin, Sörensens Ängste über 90 Minuten präsent zu halten, sie aber in den Hintergrund zu rücken, je größer der Druck auf den Polizisten wird. Dazu besticht der Film durch einen feinen lakonischen Humor, der ihm ein Stück weit die Schwere nimmt. "Es ist der sprichwörtliche Ritt auf der Rasierklinge gewesen", sagt Mädel über die Balance zwischen Humor, Angststörung, der Dunkelheit des Ortes und der Härte des Verbrechens, von der die Geschichte erzählt. 

"Bei missglückter Regie hätte der Film leicht entweder in ein schweres Drama oder in Richtung Schmunzelkrimi abrutschen können", betont er – und hat recht. Glücklicherweise überzeugt "Sörensen hat Angst" durch eine ganz eigene Tonalität, von der man nur hoffen kann, dass sie kein Einzelfall bleiben wird. Die gute Nachricht: Ein zweites Buch ist bereits vorhanden und Sven Stricker schreibt sogar schon an einem dritten. Sörensen darf es daher gerne erneut mit der Angst zu tun bekommen.

"Sörensen hat Angst", Mittwoch um 20:45 Uhr im Ersten