Anders als in anderen Ländern dürfen Personen in Deutschland ihren Führerschein ein Leben lang behalten, wenn sie die Fahrprüfung bestanden haben, schwerwiegende Verstöße gegen die Verkehrsregeln mal ausgenommen. Das führt regelmäßig zu der Situation, dass betagte Autofahrer in Unfälle verwickelt sind und für kurze Zeit eine Diskussion darüber entbrennt, ob man ab einem gewissen Alter nicht doch noch einmal einen zusätzlichen Fahrtauglichkeitstest für Senioren einführen sollte. Und immer endet dies mit dem gleichen Ergebnis: Im Autoland Deutschland unmöglich. 

RTL nimmt sich des Themas nun in dem neuen Format "Alt & Abgefahren" an. Die Sendung, die auf dem Original "100 year old driving school" basiert, begleitet mehrere Rentner dabei, wie sie sich einem freiwilligen Führerscheintest unterziehen. Während die Seniorinnen und Senioren zuvor ein bisschen mit Angehörigen und Freunden im Straßenverkehr üben dürfen, sind bei den Testfahrten Prüfer von DEKRA oder TÜV dabei. Am Ende gibt’s ein Ergebnis und eine Empfehlung des Prüfers, die aber keine Konsequenzen nach sich zieht. 

"Ich möchte hier wieder lebend ankommen", sagt einer der Prüfer gleich zu Beginn der Sendung. Und was sich erst noch wie ein Spaß anhört, verursacht im Verlauf der ersten, rund 50-minütigen Folge ein seltsam flaues Gefühl im Magen. Als Zuschauer rutscht einem endgültig das Herz in die Hose, als der 96-jährige Heinz, der zuvor schon oft in der Mitte der Straße gefahren war, einem LKW die Vorfahrt nimmt und dadurch fast einen schweren Unfall verursacht. Auf der Rückbank sieht man während dieser Szene einen Kameramann, dem ein Ehrenabzeichen gebührt und der wohl auch drei Kreuze gemacht hat, als er an diesem Abend ins Bett gefallen ist. Als der LKW hupt, wuchtet er seine Kamera in Richtung der Situation, um sie einzufangen. So viel Mut hat sich hoffentlich in einer guten Bezahlung niedergeschlagen. 

Alt & Abgefahren © TVNow Hier kommt es fast zum Unfall. Der LKW links kann gerade noch abbremsen, als Heinz ihm die Vorfahrt nimmt.

Es ist zum Glück alles gut gegangen und lustig ist es schon, wie der Rentner danach seinen Sohn fragt, ob da gerade ein LKW war und feststellt: "Den habe ich nicht gesehen." Das Ganze war aber vor allem eins: brandgefährlich. Und zwar für alle an dieser Situation beteiligten Personen. Insofern muss man sich bei RTL und Banijay Productions Germany schon die Frage gefallen lassen, ob die Umsetzung in dieser Form überhaupt vertretbar ist. 

Denkbar wäre es ja auch gewesen, die rüstigen Rentner auf einem Testgelände ein paar Übungen machen zu lassen. Das wäre dann aber wahrscheinlich nicht so unterhaltsam geworden - aber eben auch weit weniger gefährlich. Und zur grundsätzlichen Unsicherheit der Seniorinnen und Senioren im Straßenverkehr kommt ja noch hinzu, dass ihre Autos für die Dreharbeiten mit Kameras ausgestattet wurden. Für sie gibt es also zusätzlichen Druck, möglichst keine Fehler zu machen - dadurch steigt unweigerlich auch die Gefahr. 

Ford Fiasko und eingespielte Bremsgeräusche

Wenn man diese Gefahren ausblendet, ist "Alt & Abgefahren" ein durchaus charmantes Format, was vor allem an den betagten AutofahrerInnen liegt. Die 82-jährige Regina etwa nennt ihr Auto liebevoll "Ford Fiasko", gibt beim Kuppeln immer etwas zu viel Gas und gibt unumwunden zu, dass sie in der Garage nicht so viel sieht. Und der 83-jährige Karl-Hermann ist sichtlich stolz, dass sein Punktekonto derzeit auf null ist. Auf der anderen Seite wirken die Kommentare der Angehörigen und Freunde, die als Beifahrer der Rentner fungieren, oftmals gestellt und eingespielte Bremsgeräusche machen das Format auch eher schlechter (=trashiger) als besser. 

Die wahren Probleme der Sendung liegen aber an anderer Stelle. Kommt es während den Dreharbeiten irgendwann tatsächlich zu einem schweren Unfall, wäre eine Fortsetzung in dieser Form alleine schon aus moralischen Gründen nicht mehr zu vertreten. Doch muss man wirklich so lange warten, bis es dazu kommt? Alte Menschen haben im Straßenverkehr ohnehin meist Probleme, das wird durch "Alt & Abgefahren" deutlich. Da muss man sie aber nicht noch durch eine an der Windschutzscheibe montierte Kamera oder einen auf dem Rücksitz hockenden Kameramann zusätzlich unter Druck setzen. 

Am Ende macht der 96-jährige Heinz übrigens den freiwilligen Führerscheintest - leider als einziger in der Auftaktfolge. Die anderen Rentner sind erst in der kommenden Woche dran. Und weil Heinz unter den Augen des Prüfers in der Mitte der Straße fährt und seine Fahrbahn damit verlässt, bei mehreren Stopp-Schildern nicht hält und an einer Schule (30er Zone!) zu schnell fährt, gibt’s am Ende auf dem Bewertungszettel in Ampelfarben ein rotes Ergebnis - aber immerhin mit Tendenz zu gelb. Heinz will sich die Urkunde jetzt in sein Büro hängen. Und sonst? "Warum sollte ich den Führerschein abgeben, wenn ich noch einigermaßen fahrtüchtig bin?", erklärte der Rentner im Vorfeld der Prüfung. 

RTL zeigt insgesamt vier Ausgaben von "Alt & Abgefahren" ab sofort immer sonntags ab 19:05 Uhr.