Zehn Jahre lang blieben die Südtiroler Berge von prominenten Eindringlingen mit übergroßem Sendungsbewusstsein verschont, doch nun sind Influencer, Casting-Sternchen und sonstige Bekanntheiten zurück auf der ProSieben-"Alm". Und obwohl die Realityshow zu den ersten ihrer Art zählte – die Premieren-Staffel war immerhin schon im Jahr 2004 zu sehen und ging nur wenige Monate nach dem allerersten Dschungelcamp auf Sendung –, fühlt es sich jetzt ein wenig so an, als sei ProSieben etwas zu spät zur Party gekommen.

Tatsächlich hat sich in der zurückliegenden Dekade so einiges getan auf dem Markt jener Shows, deren Konzept es ist, Promis und solche, die sich dafür halten, in mehr oder weniger extremen Situationen zwischen Bali und Bocholt zu filmen. Nach 14 Dschungel-Staffeln, zahlreichen "Promi Big Brother"-Aufgüssen und immer peinlicheren Eskalationen in Formaten wie dem "Sommerhaus der Stars" und "Promis unter Palmen" erweckt die wiederbelebte "Die Alm" den Eindruck, als wolle ProSieben unbedingt den letzten Saft aus der schon arg matschigen Reality-Zitrone pressen.

Immerhin sind ProSieben und die Produktionsfirma Redseven Entertainment durchaus gewillt, dem Format noch einmal neuen Schwung zu verpassen. Anders als früher setzen sie auf eine wöchentliche Dosis, die es im besten Falle ermöglicht, verdichteter zu erzählen als das in der Vergangenheit bei den täglichen Live-Ausgaben der Fall war. Und mit Schauspielerin Mirja du Mont, der Olympionikin Magdalena Brzseka und dem Sternekoch Christian Lohse wurde Alm-Personal verpflichtet, das man in Formaten dieser Art bislang nicht unbedingt erwartet hätte.

Die Alm © ProSieben Schauspielerin Mirja du Mont zeigt den Alm-Insassen ihre Tattoo-Sammlung.

Man hätte diesen Umstand als Chance begreifen können, anders, vielleicht persönlicher zu erzählen und dem Format dadurch mehr Tiefgang zu verleihen als das bei vergleichbaren Shows der Fall ist. Vielleicht hätte das Konzept sogar stärker in Richtung "Schwarzhaldhaus 1902" entwickeln können; jener Sendung, mit der die ARD vor nunmehr fast 20 Jahren auf erstaunlich ernsthafte Weise das Leben vor 100 Jahren zu simulieren versuchte. Doch am Ende sieht man bei ProSieben eben doch wieder nur zehn Personen, die sich im Stile der "Reise nach Jerusalem" in neun Wannen stürzen, die mit Gülle, vergorene Milch, Pferdeäpfel oder abgestandenem Bier befüllt sind.

Dadurch fühlt sich die Auftakt-Folge der nunmehr dritten Staffel über weite Strecken hinweg an wie eine Wiederholung des in den vergangenen Jahren bereits zuhauf Gesehenen. Dass der schon in der ersten Staffel in Erscheinung getretene Almöhi mittlerweile 75 Lenzen auf dem Buckel hat und noch immer genauso unverständliches Zeug in seinen mit den Jahren noch länger gewachsenen Bart murmelt, während er die strengen Hofregeln (Plumpsklo reinigen, Hausschuhe tragen etc.) erklärt, passt nur allzu gut ins Bild. Alles neu und doch irgendwie vertraut.

Die Alm © ProSieben Der Almöhi ist inzwischen 75 Jahre alt.

Das Schema ist bekannt – im Gegensatz zu den meisten Protagonisten, die sich offenkundig erst mal selbst gegenseitig vergewissern müssen, dass sie prominent sind. "Und, was machst du?" ist daher folgerichtig die am häufigsten gestellte Frage in der ersten halben Stunde. "Ich kenn dich auch. Ich kann dich nicht zuordnen", fragt einer, der mal um die Rose der "Bachelorette" buhlte, seine Mitspielerin. "Temptation Island?" - Nee. - "Couple Challenge?" - Stimmt, das war's. Puh. Da kann man schon mal durcheinanderkommen.

Wie eine Wiederholung

Positiv anzurechnen ist ProSieben, dass der Sender die Eskalationsstufe des zuletzt zunehmend in Verruf geratenen Genres - zumindest nach allem, was man in der ersten Folge sehen konnte - nicht noch weiter drehte. Ohne allzu krawallige Krawallschachteln wirkt "Die Alm" letztlich allerdings wie die etwas biedere Schwester des in Verruf geratenen und mittlerweile eingestellten Sat.1-Formats "Promis unter Palmen". Zumal auch die Moderationen von Christian Düren und Collien Ulmen-Fernandes ebenso wie die Texte aus dem Off ziemlich lau ("ein Leben wie in Mittelerde, mit Betten wie bei den Hobbits") daherkommen. Dabei ist es doch allseits bekannt, dass es sich bei einem Ausflug in die Berge nicht empfiehlt, mit angezogener Handbremse zu fahren.

Ein Glück für ProSieben, dass es zum Ende hin doch noch ein wenig knallt – wegen eines etwas hanebüchenen Raucher-Streits zwischen einer Top-20-"DSDS"-Kandidatin und besagtem "Bachelorette"-Flirter, der, so steht es im ProSieben-Lebenslauf vermerkt, Gründer eines "Premium-E-Zigaretten-Stores" ist. "Ich mag den nicht", jammert die junge Frau, schimpft über den angeblichen "Scheiß-Charakter" ihres Widersachers und droht schließlich damit, die Alm vorzeitig zu verlassen - was dem Premium-Qualmer allenfalls ein müdes Lächeln abringt.

Aaron Hundhausen, ein Sex-Tagebuch führender Schönling-Influencer, kommentiert den Vorfall zwischendrin mit einer bemerkenswerten Gelassenheit, die man vermutlich dann erlangt, wenn man die Streitigkeiten ganz anderen Kalibers vergleichbarer Formate kennt: "Zwei verschiedene Menschen, falsch verstanden. Eine mimimi, einer höhöhö." In diesem Moment fehlt eigentlich nur noch der Zusatz: "Schnarch, schnarch, ratzepüh." Wenn schon das eigene Reality-Personal gelangweilt ist, dann ist es definitiv höchste Zeit für neue Ideen. Zeit, den Almöhi endgültig in den Ruhestand zu schicken.

"Die Alm", donnerstags um 20:15 Uhr, ProSieben