In der Küche ist keine Zeit für Zimperlichkeiten. Wo Wiener Schnitzel, Grillteller und Sonntagsbraten passgenau rausgehen müssen, sind klare Ansagen und derbe Worte mitunter an der Tagesordnung. Ein exakt solcher Sprachgebrauch ist mittlerweile auch eines der Kennzeichen der TV-Köche Tim Mälzer und Steffen Henssler geworden. Mälzer, Hauptakteur des populären "Kitchen Impossible" und Henssler, eben solcher bei "Grill den Henssler", standen bis dato im Fernsehen eher selten im direkten Wettstreit. Wenn aber, dann waren das große Feste für die Fangemeinde, wie etwa fast 14 Prozent Marktanteil einer "Mälzer vs. Henssler"-Folge von "Kitchen Impossible" im März 2020 zeigten. Es sei ein bisschen wie Real Madrid gegen FC Barcelona, quasi ein El Clasico der deutschen Fernsehgastronomen.



"Jetzt ist Kampf", heißt es ziemlich direkt zu Beginn der neuen Vox-Sonntagabendshow "Mälzer und Henssler liefern ab!", die – wie auch "Kitchen Impossible" – von Endemol Shine Germany umgesetzt wird. Vor allem dürfen markige Worte und (merklich nie wirklich verletzend gemeinte) Beleidigungen in der primetimefüllenden Sendung nicht fehlen. Aushalten müssen die Ohren des Publikums aber schon einiges – mitunter auch zu viel. "Halt die Fresse", "Du bist einfach ein Depp", "Was ist das für eine Fick-Ansage?", "Dreckige Kack-Wurst", "Hör' mal zu, du Arschgeige" oder "Du Pimmelgesicht, ey" sind nur eine Auswahl an Nettigkeiten, die in der gemeinsamen Küche ausgetauscht werden.

"Mälzer und Henssler liefern ab!" verbindet übrigens nicht nur die beiden Protagonisten der populärsten Vox-Kochformate, sondern rührt – wie ein gewiefter Koch – auch bekannte Zutaten zu einer neuen Kreation zusammen. Grundsätzlich geht es darum, für Unbekannte ein leckeres Gericht zuzubereiten. Wer bekocht und letztlich beliefert wird, wissen weder Mälzer noch Henssler. Sie bekommen aber einen groben Eindruck – zunächst über (gerne mal irreführende) Bilder, Sprachnachrichten und in die Küche flatternde Bons.

Die Zuschauerinnen und Zuschauer haben einen Wissensvorsprung und dürfen sich (mehr oder weniger) amüsieren, wenn in der Küche an einem Curry gearbeitet wird, der letztliche Konsument aber betont, dass ein Curry jetzt so gar nicht zum heißen Wetter passen würde. 90 Minuten haben die beiden Köche Zeit, ihre Gerichte fertig zu stellen, dann werden diese von ihnen persönlich ausgeliefert. Das Problem: Liegt etwa bei "Kitchen Impossible" der Reiz darin, dass gänzlich unbekannte Gerichte nachgekocht werden müssen, sind hier nur die Empfänger unbekannt – und es ist anzunehmen, dass Profi-Köche für jedermann ein halbwegs genießbares Mahl zubereiten können. Pro Sendung arbeitet also jeder Koch vier Lieferungen ab, für die er dann zwischen einem und fünf Punkten erhält. So errechnet sich nach fast dreieinhalb Stunden Ausstrahlungslänge ein Sieger.

Es fehlen die imposanten Bilder

"Mälzer und Henssler liefern ab!" wird vor allem von der Popularität der Protagonisten und ihrer Rivalität getragen. "Gegen jeden anderen hätte ich keinen Ehrgeiz", sagt Mälzer irgendwann in dieser Premierenfolge – und unabhängig davon, wie wahr das nun ist, lebt die Sendung von exakt diesem Duell. Das reine Konzept, das die Welten "Kitchen Impossible" und "Grill den Henssler" verbindet, hat den ein oder anderen inhaltlichen Mängel. Es fehlt das, was die beiden Originale besonders macht. "Kitchen Impossible" lebt nicht zuletzt erheblich von den imposanten Bildern, war immer auch eine Reise in fremde und ferne Regionen. Eindrucksvoll, wie auf den Faröer Inseln Steckrüben mit Algensoße zubereitet wurden, Fischblase in China oder Erdnusssuppe in Afrika. "Grill den Henssler" ist der große Unterhaltungsspaß, lebt vom Tempo, der Hektik und prominenten Nicht-Gastronomen, die mit Henssler in den Wettstreit treten. Oder wie es Tim Mälzer sagt: "Kitchen Impossible" sei Kulinarik, "Grill den Henssler" Pommes.

Der Vox-Neustart muss vor allem mit Bildern aus einer Hamburger Küche auskommen, garniert mit Eindrücken aus den Häusern und Wohnungen derer, die bestellen. Eine Großfamilie mit afrikanischen Wurzeln war dies im Auftakt genau wie befreundete Nachbarn mit Vorliebe für's Maritime, die ihren eigenen Auftritt im Fernsehen nebensächlicherweise vermutlich nicht selbst schauen können, da sie sich immer sonntags zum gemeinsamen "Tatort"-gucken treffen.

Mälzer und Henssler liefern ab © RTL / Hendrik Lüders Zu Besuch: Judith Rakers schaut bei Mälzer und Henssler vorbei. Wie das der Sendung helfen soll, bleibt unklar.


Überflüssig ist, dass pro Folge dann auch noch Prominente ins Restaurant und an die Küche kommen können und zusätzliche Mahlzeiten bei den Köchen bestellen. Was laut Konzept dazu dienen soll, Mälzer und/oder Henssler zusätzlich unter Stress zu setzen, erweist in keinerlei Hinsicht aus Mehrwert für die Zuschauenden. All diese Auftritte sind in einer der kommenden "Grill den Henssler"-Staffel sicher besser aufgehoben, wenngleich Judith Rakers nach den Dreharbeiten möglicherweise wirklich das ein oder andere Schimpfwort mehr drauf hat.



"Mälzer und Henssler liefern ab!" ist zudem mit rund 160 Minuten ohne Werbepausen zu lang, weil es optisch und mit Blick auf die Aufgabenstellungen nicht wirklich Abwechslung bietet. Es lädt eher dazu ein, Versatzstücke davon einzuschalten und irgendwann weiterzuziehen. Kurzum: Als Special ist der Neustart vor allem wegen der Protagonisten eine nette Ergänzung, doch die mangelnde Vielfalt lässt daran zweifeln, dass dieses Vox-Sonntagabend-Format einen ähnlichen Siegeszug antreten wird wie "Grill den Henssler" oder "Kitchen Impossible".

Eine weitere Folge von "Mälzer und Henssler liefern ab!" zeigt Vox am Sonntag, 3. Oktober 2021 um 20:15 Uhr.