Gerade angefangen und eigentlich schon wieder zu Ende: Schon nach wenigen Minuten im Spin-off "Nihat – Alles auf Anfang" war die namensgebende Figur wieder auf dem Weg zurück in den "GZSZ"-Kiez, dort wo sie seit Folge 6600, gezeigt im Jahr 2018, meistens für Spaß und gute Laune sorgt. Nur in den zurückliegenden Wochen und Monaten, da war Sunnyboy Nihat versehen mit einer Art Trübsal. Natürlich durch Zufall fand Nihat heraus, dass er eigentlich Cem hieß und Mama und Papa gar nicht seine leiblichen Eltern sind, sondern eine ihm unbekannte Azra. Sämtliche Kontaktversuche zu seiner echten Mutter oder deren Verwandten scheiterten. Sogar ein Besuch im Schweigekloster, den die Autoren deshalb ins Buch schreiben mussten, damit Schauspieler Timur Ülker gut eineinhalb Monate lang den Ableger drehen konnte, änderte nichts an der großen Sehnsucht nach seiner Herkunft.



Nur: Genau davon ist in "Nihat – Alles auf Anfang" kaum etwas zu sehen. Damit der Ableger so gut wie keine Geschichten erzählt, die später für die Hauptserie am RTL-Vorabend von Belang sind, griffen die Kreativen zu einem recht einfachen, dafür aber wenig plausiblen Kniff: Nihats Mutter Azra ist tot, immerhin ihr Grab in Hamburg kann er noch besuchen und kündigt danach seine Rückkehr nach Berlin an. Dazu soll es nicht kommen, denn das zehnteilige "Nihat" ist eine Aneinanderreihung von Zufällen, Problemen, vermeintlichen Lösungen und bösen Überraschungen. Alles also wie in einer richtigen Soap, nur dass alles noch schneller geht.

Nihat trifft auf seine Halbschwester (Sarah Mangione), die gerade ein Päckchen Koks geklaut hat – und genau dieses landet durch ein Missgeschick im Wasser. Der Erzähler aus dem Off, Nihat selbst, weiß: "Kokain, auch bekannt als Koks, Puder, Schnee oder weißes Gold. Teuer, illegal, euphorisierend – und was in diesem Fall entscheidend ist - wasserlöslich." Logisch führt das zu Stress, denn längst wissen die, denen das "weiße Gold" gehört, wer es ihnen schuldet. 

Dreh- und Angelpunkt der Serie ist die Kult-Kneipe "Cherry Palace", angesiedelt im Rotlichtmilieu, die der schillernden, aber schwerkranken Drag Queen Madita (Nico Birnbaum) gehört. Rauschende Feste, ausgelassene Stimmung aber auch große Sorgen und Nöte verbinden auch die dort beheimateten Charaktere. Über die insgesamt zehn Folgen, kontrastreich inszeniert von Christian Singh und produziert von "GZSZ"-Creative Producerin Dominique Moro entspinnt sich ein abenteuerlicher Kampf zwischen Gut und Böse, ein Duell mit einem mächtigen und skrupellosen Clan Hamburgs zwischen Wasser, Partymeile und Nobelviertel.

Wolfgang Bahro in Nihat © RTL / Sebastian Geyer Als Gaststar mit dabei: Jo Gerner (Wolfang Bahro) besucht kurz das Hamburger Partyviertel.

Die Idee, eine Figur aus "GZSZ" herauszulösen und in eine andere Welt zu schubsen, ist nicht neu. Vor "Nihat" wählten RTL und Produzent UFA Serial Drama diesen Weg schon bei "Sunny – Wer bist du wirklich?". Während über Abrufzahlen der damals in München verorteten Serie nichts bekannt ist, war die einmalige TV-Ausstrahlung kein echter Hit. Daraus scheint man gelernt zu haben, was nicht nur die Programmierung zeigt, die an zwei Abenden nun schon auf dem "GZSZ"-Slot beginnt. Die Kreativen hielten sich lange ein Ass im Ärmel bereit und damit ist nicht der kurze Gastauftritt vom inzwischen milde gewordenen "GZSZ"-Anwalt Jo Gerner gemeint, sondern die Rückkehr von Shirin (Gamze Senol). Diese war vor über einem Jahr aus der Mutterserie ausgestiegen, nachdem sie sich für den Tod der langjährigen Figur Alexander verantwortlich fühlte.

Was aus ihr wurde, war ein in der Tat niemals im Daily-Drama besprochenes Geheimnis, Nihat war es damals, der das Café "Vereinsheim" von Shirin kaufte und er ist es jetzt auch, der wieder Kontakt zu ihr sucht. Diesen zunächst abgeblockt, dann zugelassen wird Shirin eine wichtige Weggefährtin für Nihat. Nun müsste man denken, beide Figuren haben sich viel zu erzählen, doch in die innere Soap-Logik passt es nicht, alten Kram allzu tief aufzuwühlen, wenngleich Erinnerungen an den tragischen Tod von Alex die Figur nach wie vor beschäftigen.

Zwei Welten, ein Spagat

Sämtliche Bezugnahmen auf die Vergangenheit sind eher kurzer Natur, um einerseits neues Publikum anzusprechen, andererseits aber auch die Handlung in "GZSZ" eigenständig zu halten. Das könnte dazu führen, dass so mancher eingefleischte Fan des in der Daily zentralen Kolle-Kiezes sich vom "Cherry Palace" nicht wirklich angesprochen und abgeholt fühlt. Viele neue, ungewöhnliche und schrille Figuren fordern Zeit, um sich einzuleben. Und für die klassischen Serienfans, jene, die bisher keine Berührungspunkte zur Soap hatten, dürfte die erzählte Handlung zu gewollt, zu konstruiert wendungsreich, teils auch zu oberflächlich sein.

Nihat © RTL / Oliver Ziebe Was wurde eigentlich aus Shirin (Gamze Senol), seitdem sie Mitte 2020 "GZSZ" verließ? Der Serienableger klärt ein Stück weit auf.

Klar ist schon jetzt: RTL wird den Weg mit "GZSZ"-Spin-offs weitergehen, aktuell laufen die Dreharbeiten zu einer Serie, die Serienurgestein Leon in den Mittelpunkt stellt und die einstige Darstellerin Susan Sideropoulos zurückbringt. Das ist auch taktisch ein cleverer Schachzug, nicht zuletzt auch, um die Stars vor der Kamera mit abwechslungsreichen Angeboten bei Laune zu halten. Nicht zu überdrehen, ist aber das Gebot der Stunde. Denn die Hauptserie darf nicht Opfer eines zu deutlichen Aderlasses werden – und angesichts von längeren Abwesenheiten von Timur Ülker, Daniel Fehlow, Niklas Osterloh, Jörn Schlönvoigt und der vollkommen unklaren Serienzukunft des aktuell ebenfalls nicht drehenden Thaddäus Meilinger fehlten und fehlen der Vorabendserie schon echte Ankerfiguren.

"Nihat" wird nur denen gefallen, die eine Vorliebe für seriell produzierte (Daily)-Dramastoffe haben, natürlich werden vermutlich auch alle Fans von Timur Ülker jubeln, denn sein Nihat erlebt im Norden der Republik wirklich das Abenteuer seines Lebens. Trotz starker darstellerischer Leistungen von Sarah Mangione und Nico Birnbaum muss sich abseits der Fanbubble jedoch niemand grämen, dieses Abenteuer ausgelassen zu haben. Etwas Gutes dürfte die Ausstrahlung aber haben: Wenn Nihat ab kommender Woche im Berliner Kiez zurück ist, dürfte das Trübsal Geschichte sein und aus dem Frauenschwarm wieder ein Sunnyboy werden.

RTL zeigt "Nihat - Alles auf Anfang" mit je fünf Folgen am Stück am Mittwoch, 22. September und Donnerstag, 23. September ab 19:40 Uhr. Die komplette Serie steht bei TV Now bereits on demand zur Verfügung.