Nachdem in Deutschland schon Bauern ihre große Liebe suchten und Schwiegertöchter zusammengebracht werden sollten, werden nun in der neuen Vox-Reihe "Besonders verliebt" Menschen mit Behinderung verkuppelt. Die Adaption des britischen Vorbildes "The Undateables" möchte vier Menschen mit Behinderung helfen, Partnerinnen und Partner fürs Leben zu finden. In der Suche nach Gemeinsamkeiten von Protagonist*innen und ihren Dates liegt die angebliche "Besonderheit". Die Behinderung der Teilnehmenden steht im Fokus und so ist ein exkludierendes Format entstanden.

Gewiss ist der deutsche Titel "Besonders verliebt" nicht so despektierlich wie das britische Original "The Undateables", jedoch wird so schon von der ersten Minute an der Eindruck erweckt, Menschen mit Behinderung seien etwas "Besonderes", oder ihre Liebe etwas Außergewöhnliches. Etwas, was sich nicht-behinderte Menschen nicht vorstellen können und wobei Betroffene Hilfe benötigen.

In der ersten Folge geht es um Samira (22), Igor (27), Miriam (34) und Tobias (24), die alle entweder noch nie, oder zumindest ein sehr lange zurückliegendes Date hatten und sich eine Beziehung wünschen. In den wechselnden Porträts wird deutlich, dass die Behinderung der vier Protagonistinnen und Protagonisten elementarer Bestandteil der Sendung ist, bzw. sein soll. Neben der genauen Diagnose wird praktisch keine Situation ausgelassen, einen Bezug zur Behinderung zu ziehen. Die Mutter von Samira bezeichnet ihre Tochter rückblickend als "Sorgenkind" der Familie, während die Eigenständigkeit von Tobias hervorgehoben wird, was ein positiver Effekt beim Dating mit Behinderung sein könne. Auffällig ist auch, dass durch die Off-Sprecherin, aber auch insbesondere durch die Familie und Freunde, mehr über die betroffenen Personen gesprochen wird, statt dass sie selbst zu Wort kommen.

Es ist eine bekannte Erzählweise von Datingshows im Fernsehen, dass durch Sprecherinnen und Sprecher eine Ebene "von oben herab" geschaffen wird. Das wirkt aber - gerade weil der Anspruch der Sendung ja eigentlich sein könnte, Menschen mit Behinderung zu empowern - fehl am Platz. Besonders skurril werden dann Situationen, in denen die Eltern in Anwesenheit ihres erwachsenen Kindes über die Behinderung, die Beeinträchtigungen im Alltag oder gar das Flirt-Verhalten ihrer Sprösslinge sprechen. Es wird von Grund auf und durch das familiäre Umfeld der Eindruck erweckt, dass die vier erwachsenen Menschen mit Behinderung hilfsbedürftig, unselbständig und in ihrer Art etwas besonders seien. Unterstrichen wird dies durch die Tatsache, dass drei der vier noch zu Hause wohnen und zwei von ihnen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung - also nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - arbeiten.

Menschen mit Behinderung nicht in Sonderwelten abschieben

Doch niemand fragt, warum Menschen mit Behinderung in diese "Sonderrolle" geraten sind. Die Tatsache, dass dies durch die Gesellschaft, durch Barrieren und Diskriminierung geschieht, scheint keine Rolle zu spielen. Stattdessen bekommen die vier Teilnehmenden tatkräftige Unterstützung von einem Team aus Expertinnen und Experten. Eine Sexualpädagogin betont zum Beispiel, dass der "Pool an Auswahl für Menschen mit Beeinträchtigung deutlich kleiner" sei, während André von der Plattform "Handicap-Love" für Menschen mit Behinderung die "Chancen erhöhen möchte, gesehen zu werden".

Hier wird der große Denkfehler der Kuppelshow deutlich. Während die vier Menschen mit Behinderung auf der einen Seite klischeehaft porträtiert werden und ihre Behinderung sowie ihre angebliche Unfähigkeit, andere Menschen kennen zu lernen, im Fokus stehen, werden weitere Sonderräume und exklusive Plattformen benutzt, um potentielle Partnerinnen und Partner kennen zu lernen. Auch dadurch wirkt die Sendung in Teilen wie eine billige Werbesendung für die Plattform "Handicap-Love". Dabei ist es nicht nur der Begriff "handicap", der mit seiner Defizit-orientierten Bedeutung ein falsches Bild von Behinderung abgibt, sondern vielmehr der - vielleicht gut gemeinte - Safe-Space, in dem sich Menschen mit Behinderung "unter ihresgleichen" bewegen können.

In Zeiten von Inklusion und Disability Mainstreaming sollte es allerhöchste Priorität haben, Menschen mit Behinderung eben nicht in Sonderwelten - und dazu zählt eben auch so eine exklusive Dating-Plattform - unterzubringen, sondern sie als gleichberechtigten Teil unserer Gesellschaft zu erleben.

Warum es "First Dates" besser macht

Dies funktioniert aber nur durch Sichtbarkeit. Sichtbarkeit, die nicht durch "Sonderformate" wie "Besonders verliebt" geschaffen wird, wo es ausschließlich um Behinderung geht, sondern in allen anderen Formaten. Warum nicht auch Menschen mit Behinderung in anderen Dating-Shows teilnehmen lassen? Warum als Online-Portal nicht Parship und Co. benutzen? Als positives Beispiel kann man hier mit "First Dates" eine andere Vox-Sendung nennen. Dort nehmen Menschen mit Behinderung selbstverständlich und ohne Ankündigung teil.

Ein Date haben übrigens alle vier in der ersten "Besonders verliebt"-Folge bekommen - nicht alle hatten dabei eine (sichtbare) Behinderung. Das Date wurde ihnen jedoch eher vermittelt, anstatt dass sie selbst etwas Aktives dazu beigetragen haben. Nach der Eingabe ihrer Daten auf der Dating-Plattform und dem Formulieren eines ansprechenden Textes, bekommen sie lediglich das passende "Match" vorgelegt, ohne sich vor dem ersten Treffen austauschen zu können. Ein Blind-Date. Das ist auch bei nicht-behinderten Menschen nicht immer erfolgversprechend.

Exklusion statt inklusivem Miteinander

Das von filmpool entertainment produzierte "Besonders verliebt" hält, was es verspricht. Ein klischeehaftes Bild über Menschen mit Behinderung, die auf Hilfe angewiesen sind und deren Gefühle, deren Liebe anders - etwas ganz besonderes - ist. Es ist ein Bild, das den Voyeurismus fördert und mehr zu Exklusion statt einem gleichberechtigten, inklusiven Miteinander führt. "Besonders verliebt" ist Dating, bei dem es mehr um das erste Aufeinandertreffen und um die peinliche Stille geht, wenn die Kamera dabei ist, anstatt dazu beizutragen, dass Berührungsängste abgebaut werden.

Vox zeigt "Besonders verliebt" dienstags um 20:15 Uhr.