Durch die Corona-Pandemie sind Pflegeberufe wieder in den Mittelpunkt einer gesellschaftlichen Debatte gekommen. Gesprochen wurde und wird über Arbeitsbedingungen, Bezahlung und Nachwuchssorgen. Im März wurde die ganze Debatte noch einmal angeschoben durch eine von ProSieben in der Primetime ausgestrahlte XXL-Pflegedoku. In der Reportage-Reihe "Die Herzblut-Aufgabe: Promis in der Pflege" soll das Thema nun vertieft werden. Oder wie es eine Pflegerin in der Auftaktfolge selbst sagt: Man will zeigen, dass die Menschen in den verschiedenen Berufen nicht davon leben können, dass für sie auf Balkonen geklatscht wird. 

Ähnlich wie bei den "Job-Touristen" von ProSieben (Hier geht’s zur TV-Kritik) geht’s auch bei der "Herzblut-Aufgabe" darum, dass Prominente in verschiedene Berufe reinschnuppern. Im Sat.1-Format sind das eben Pflegeberufe. Dabei treffen Patrick Lindner (in einer HNO-Abteilung), Jenny Elvers (Baby-Station), Faisal Kawusi (Geriatrie), Wayne Carpendale (Unfall-Chirurgie) und Jorge Gonzalez (Pädiatrie) auf echte Menschen, die im Krankenhaus liegen. Da geht es dann naturgemäß etwas ernster zu als bei Sandy Mölling und Riccardo Simonetti und ihrer Feuerwehrauto-Drehleiter-Challenge. 

In dem Format, bei dem es sich um eine Adaption des belgischen Formats "Een echte Job" handelt und das von Endemol Shine Germany in Zusammenarbeit mit Rainer Laux Productions umgesetzt wurde, absolvieren die Promis erst einmal einen zweitägigen Crashkurs, ehe sie auf die verschiedenen Stationen gehen, um dort für insgesamt vier Wochen zu arbeiten. Zu Beginn der ersten Folge legt das Format viel Tempo vor: Den Crashkurs handelt man in wenigen Minuten ab und verweist auf die eigene Webseite, wo es mehr aus der Vorbereitungszeit zu sehen gibt. Nach 15 Minuten schon gibt’s eine erste Prüfung - und schon geht es an die echte Arbeit. 

Und auf den Stationen wird es dann auch schnell ernst für die Promis. So müssen Vitalwerte gemessen werden, Faisal Kawusi hilft auch bei der Körperpflege und Wayne Carpendale entfernt schon ganz zu Beginn die Drainage bei einem Patienten. Das ist manchmal nichts für schwache Nerven, dennoch scheint alles mit den Menschen vor Ort abgesprochen zu sein. "Die Herzblut-Aufgabe" gleitet niemals ab ins schmierig-voyeuristische. Dass darauf viel Wert gelegt wurde, sieht man auch ziemlich schnell. In der Postproduktion ist nämlich noch ziemlich viel verpixelt worden. Vor allem die im Hintergrund stehenden Personen, oft Patienten, wurde unkenntlich gemacht. 

Selbstinszenierung hält sich in Grenzen

Man wolle für das Leben lernen und anders aus dem Projekt gehen, als man hereingekommen sei, sagen fast alle Promis zu Beginn pflichtbewusst. Dankenswerterweise verzichten sie zu großen Teilen auf eine allzu üppige Selbstinszenierung, wobei das von Promi zu Promi unterschiedlich ist. Jenny Elvers ist in Folge eins sicherlich am ehesten in eigener Sache unterwegs, wobei sie selbst auf der nach oben offenen "Kader ‘Kreislaufzusammenbruch’ Loth"-Selbstinszenierungsskala noch am unteren Ende bleibt. Apropos Promis: An dem Projekt teilgenommen hat übrigens auch Lilly Becker, die stößt aber erst zu einem späteren Zeitpunkt zu den Promi-Pflegern hinzu, was angesichts der Tatsache, dass alle während des gleichen Zeitraums im Krankenhaus arbeiten (und sich dabei auch manchmal zufällig über den Weg laufen), etwas seltsam erscheint. 

Als Sat.1 das Format ankündigte, befürchteten nicht wenige, dass sich Promis hier ein aktuelles Thema zunutze machen und vor allem eine Ego-Welle reiten, die der Sache nicht dienlich ist. Diese Befürchtung bewahrheitet sich nicht. Natürlich erzählen die Promis auch ein bisschen aus ihrer Vergangenheit, es geht aber vor allem um den Alltag der Pflegerinnen und Pfleger, die zum Teil auch näher vorgestellt werden. 

Promis stellen Öffentlichkeit her

Eine Pflegekraft bringt es dann im Laufe der ersten Folge auf den Punkt und erklärt, wieso ein solches Format helfen könnte. "Wenn man nur Schwester XY im Fernsehen zeigt, wird es meist nicht so angenommen wie wenn ein Promi, der mehr Reichweite hat, in den Job reinguckt." Heißt: Es geht nach wie vor darum, Öffentlichkeit herzustellen und ein möglichst authentisches Bild von den verschiedenen Pflegeberufen zu zeichnen. Das gelingt ausgesprochen gut, vor allem wenn gezeigt wird, wie schwierig Arbeit und Privatleben manchmal zu vereinen sind. Die Feststellung von Jenny Elvers, dass ihre Arbeit am Set von Arztserien so gar nichts mit der Realität zu tun hat, braucht es da gar nicht. 

Die Tatsache, dass die Promis ganze vier Wochen in den Pflegeberufen arbeiten, zeigt außerdem, dass es hier um mehr geht als um einen Kurzbesuch für ein paar schöne Schlagzeilen. "Die Herzblut-Aufgabe" zeigt, wie Menschen in der Pflege arbeiten und nutzt dafür Prominente. Das kann man kritisieren, ist in diesem Fall aber völlig legitim. Und wenn man sieht, wie aufgeregt Kawusi, Carpendale & Co. an ihrem ersten Arbeitstag sind, kann man wirklich das Gefühl bekommen, hier einem Praktikanten über die Schulter zu schauen. Und in vier Wochen wird sich Jorge Gonzalez sicherlich auch nicht mehr an der soeben aus der Verpackung geholten Nadel verletzen.

Sat.1 zeigt "Die Herzblut-Aufgabe: Promis in der Pflege" ab sofort immer montags um 20:15 Uhr.