Ich habe mich bereit gefühlt für ein ganz neues Erlebnis. Aber die erste Überraschung kam schließlich schon, bevor alles anfing. Mit vielem hatte ich gerechnet, doch das war wirklich nicht zu erwarten.

Na? Neugierig? So soll das auch sein. Direkt am Anfang richtig reinhauen und dann in der weiteren Zeit versuchen, den Erwartungen gerecht zu werden. Kann das überhaupt gut gehen? Probieren wir's mal.  Die neue Produktion des UFA Serial Drama Labels "Afterglow – Alles nur Show?!" wirft den Blick hinter die Kulissen einer fiktiven Datingshow – und eröffnet damit eine ganze Reihe an immer neuen Dramen. In zehn Teilen, die über fünf Wochen hinweg veröffentlicht werden, erleben Zuschauerinnen und Zuschauer Höhen und Tiefen – und das planbar fast im Minutentakt.



Genau das strapaziert, ist aber kein ganz neues Phänomen. Sollte man etwa die Werke der jungen Autorin Anna Todd, die passenderweise ebenfalls ein "After" in ihrem Namen haben, als Literatur bezeichnen dürfen, dann wären sie wohl einer der Vorreiter dieser Erzählstruktur. Die Bücher entstanden nämlich ebenfalls einst als eine Art Fortsetzungsroman im Internet – und um die Leser bei den nacheinander erscheinenden nächsten Kapiteln immer wieder zum Weiterlesen zu animieren, musste es Cliffhanger und Game Changer setzen ohne Ende. Was einer durchschnittlichen Figur in einer deutschen Soap in fünf Jahren widerfährt, passiert hier in ein paar Kapiteln. Zumindest die Buchreihe war ein durchschlagender Erfolg, der inzwischen sogar ins Kino gekommen ist. 

Diesem Erzählprinzip muss sich ein Stück weit auch "Afterglow" bedienen, das im Kern die Geschichte von Juna und Armando erzählt. Das Couple hat eine fiktive Dating-Show gewinnen. Er ist voll in love mit ihr (obwohl er daheim in Deutschland eigentlich eine Freundin namens Luana hat, die natürlich nichts von der Dating-Show weiß). Juna derweil ist weniger in love mit ihm, weil sie alles eher als TV-Show sieht. Und da ist da auch noch Nick, der Juna vor einiger Zeit das Herz gebrochen hat und jetzt seine wahren Gefühle für sie entdeckt hat. Nicht fehlen darf auch der grundsätzliche Antagonist, den die Erfinderinnen und Erfinder der Serie im recht rücksichtslosen Produzenten der Kuppelshow gefunden haben. Das ist mehr Liebes-Chaos, als ein durchschnittlicher Groschen-Roman zu bieten hat und daher per se schon mal nur für das Publikum geeignet, das sich grundsätzlich für diese Art der Geschichte interessiert.

Auch wenn Liebesdrei- oder Vierecke in den zurückliegenden Jahren in etlichen Formaten eigentlich ausreichend erzählt wurden, ist das Setting einer fiktiven TV-Show noch nicht ganz abgenutzt und auch die Darstellenden keine alltäglichen Gesichter. Besetzt ist das Format fast ausschließlich mit Newcomern und Influencern, die schauspielerisch auf einem Level mit durchschnittlichen "BTN"-Darstellenden agieren. Anders als die RTLzwei-Vorabend-Soap setzt "Afterglow" jedoch nicht auf einen dokumentarischen Stil, sondern sogar auf eine Vielzahl von Schnitten, die dem ohnehin schon hohen Erzähltempo noch mehr Energie verleiht. Hinzu kommen immer wieder Einblendungen, von eilig und gehetzt verschickten SMS und Messenger-Nachrichten. Irgendwie ist irgendwo immer Aufregung.

Das ist geplant und gewollt, mitunter aber auch unangenehm. Langeweile könnte schließlich ein Ausschaltimpuls sein und genau diese zu eliminieren ist die Aufgabe der Verantwortlichen von HashtagDaily. So entpuppt sich das Format als sehr durchgeplant und kopfgesteuert, weil es keinen Freiraum für Künstlerisches lässt und dafür vermutlich auch keine Zeit gehabt hätte. Interessant ist, dass bei all der Planung ein Punkt nicht bedacht wurde. Hauptrolle Juna wurde mit der vemeintlich bekanntesten Darstellerin besetzt – es ist HashtagDaily-Gründerin Anna Juliana Jaenner, die kürzlich in "Adam sucht Eva" als echte Kandidatin zu sehen war und vor Jahren einige Monate lang in "GZSZ" mitspielte, damals angesichts der Struktur ihrer Figur vermutlich wenige Liebesbriefe bekam.

Und genau das überträgt sich jetzt auch auf Juna. Die Titelheldin wirkt unnahbar, kühl und berechnend. Das sorgt ein Stück weit für Ablehnung. Ihrem hauptsächlichen Spielpartner Daniel Völz fehlt es derweil an schauspielerischem Können. Diesen Umstand kann er ein Stück weit wettmachen, weil er im "real life" früher selbst einmal als "Bachelor" in einer Kuppelshow zu sehen war. Und dennoch sind in den "Afterglow"-Folgen immer wieder Sätze zu hören, deren Unglaubwürdigkeit nicht nur dem nächsten zu schlagenden Haken in der Story geschuldet ist, sondern auch der Darstellung des Schauspielenden.



So bleiben bei "Afterglow" viele gute Ansätze eines Formats, das konsequent auf eine Zielgruppe ausgerichtet ist, die eher zu den Internet-Heavy-Usern gehört, deshalb kaum Zeit hat und für die mehr als zehnminütige Folgen nicht zumutbar sind. Ein bisschen mehr Zeit (in jeglicher Hinsicht) – und damit verbunden mehr Liebe für's Detail zu haben, wäre nun der nächste Entwicklungsschritt mobil nutzbarer Young-Adult-Dramen. Denn ohne Potential für bestimmte Zuschauerkreise ist das alles nicht. So platt manche Story auch sein mag, so funktionabel erweisen sich manche Erzählkniffs. Einer gewissen Neugier welche (vermutlich hanebüchene Geschichte) als nächstes um die Ecke kommt, kann man sich nicht entziehen.

An einen Punkt muss aber dringend noch gearbeitet werden: Der Verfügbarkeit. Denn man darf als (werdender) Fan eines Formats bekanntlich mit vielem rechnen. Muss aber davon ausgehen können, dass das getroffene Kernversprechen der Verfügbarkeit eingehalten wird. Das war bei "Afterglow" nicht der Fall. Anders als kommuniziert ließ sich die erste Episode des Formats am zurückliegenden Dienstag nicht zur Primetime beim größten Plattformpartner Prime Video finden – erst Donnerstagabend und somit zum angekündigten Termin der zweiten Folge ging es dort los. Welchen Traffic dieses Format zudem bei den hierzulande noch stark im Wachstum befindlichen Pay-Plattformen OnlyFans und Patreon verursacht, ist eine weitere Frage. Allein schon deshalb ist es ein Stotterstart der neuen Soap.

Zehn Folgen von "Afterglow – Alles nur Show?!" sollen bei Prime Video, OnlyFans und Patreon veröffentlicht werden.