Sich bei der Vielzahl von neuen Serienprojekten, die inzwischen über ZDFneo als Neoriginal den Weg vorrangig in die ZDF-Mediathek finden, für das Schreiben einer Kritik zu melden, ist ein Glücksspiel. Geboten wurde zuletzt viel Durchschnitt - so viel, dass manche Serie bei ZDFneo schlicht und einfach untergegangen ist, auch weil sie linear gerne zu unmöglichen Zeiten versendet wurde. In das Einerlei mischt sich immer mal wieder die Gefahr von großem Entsetzen ("The Drag and us") einerseits und der seltenen Chance auf totale Begeisterung ("Deadlines") andererseits. 

Jetzt also "Ich dich auch", eine Beziehungssitcom der besonderen Art, wie sich nach einem Abend mit der von Tower Productions produzierten Serie sagen lässt - und das in erster Linie aufgrund der überraschenden Tatsache, dass sie echt lustig ist. Ich weiß, kaum zu glauben - aber wahr! Erzählt wird über acht Folgen hinweg ausschließlich aus der 40qm-Wohnung von Yannik (Rojan Juan Barani), der sich dort gerne mit seiner neuen Freundin Caro (Meriel Hinsching) vergnügen würde. Doch die Wohnung hat mehr Verkehr als das frisch verliebte Pärchen: Mal ist es die Schwester von Caro, mal eine Freundin, mal der von Daniel Zillmann fantastisch schräg gespielte Nachbar oder gleich die Eltern, die entweder ungefragt vor der Tür stehen, sich selbst einlassen oder gleich in der Küche sitzen. 

Ein Zimmer, Küche, Diele, Bad - mehr Raum für die Geschichten gibt es nicht und doch gelingt es Creative Producer Jochen Wigand, der zusammen mit Svenja Ingwersen und Thomas Brückner auch die Bücher geschrieben hat, immer wieder binnen Minuten ein Chaos zu entfesseln. Bei diesem Kammerspiel in einer Mietwohnung ist das Unheil meist nur eine sehr dünne Wand, offene Tür oder kurzes Klingeln entfernt und man braucht nicht lange, um zu erahnen, welche Konsequenzen es hat, wenn Jannik sich mal kurz aus Spaß mit Handschellen aus der Online-Bestellung seines Nachbarn an der Duschstange anketten will. 

Ich dich auch © Tower Productions Das Set des Kammerspiels: Comedy auf kleinstem Raum

Natürlich besteht der Witz auch darin, dass man manches Unheil kommen sieht, oft begleitet von einem auffälligen Textil-Mangel des Hauptdarstellers. Jede der leider nur acht Folgen entfaltet nach harmlosem Einstieg binnen 25 Minuten ein neues Chaos auf nur 40qm und ein nicht unerheblicher Anteil der Freude liegt in der Erwartbarkeit gewisser Peinlichkeiten, die die Sitcom fast schon zur Screwball-Komödie mit selten weniger als einer halben Fußball-Mannschaft auf engstem Raum machen. Was "Ich dich auch" auszeichnet, ist die Dichte der Erzählung, weil die nächste Wendung ins Absurde nicht nur sprichwörtlich schon vor der Tür steht.

Eine Beziehungssitcom als Echtzeit-Kammerspiel - die Idee dazu stammt von der britischen Serie "Him & Her", die Tower Productions hier mit Lizenz adaptiert hat. Das Original hat schon einige Jahre auf dem Buckel, lief von 2010 bis 2013 bei BBC Three und gewann einige Preise. Ausdrücklich bemerkenswert ist es, dass "Ich dich auch" sich jetzt gekonnt emanzipiert von der Vorlage, nicht nur weil wir heute 14 Jahre weiter sind. Wer das neue Neoriginal, wie ZDFneo seine Eigenproduktionen nennt, mit dem britischen "Him & her" vergleicht, der wird zwar auf Anhieb das gleiche Setup erkennen: Die Mietswohnungen gleichen sich, aber die Storylines nicht. 

Ich dich auch © ZDF / Florian Trettenbach Ein seltener Moment der Ruhe für Yannik und Caro

Natürlich kommen hier wie dort irgendwann erstmals die Eltern vorbei, um das junge Glück zu besuchen. Wundervoll das Wiedersehen mit Manon Straché als Mutter von Caro. Manche naheliegenden Ereignisse im Leben junger Paare geschehen eben - allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Staffel. Die Prämisse ist unverkennbar, doch in dem was dann daraus gemacht wird, gilt der Respekt für die gekonnte Adaption mit eigener Handschrift dem schreibenden Trio. Smartphones und Social Media gab es auch schon vor 14 Jahren, aber finden über Videocalls und Dickpics einen ganz anderen Weg in die Geschichte von "Ich dich auch", eine deutsche Sitcom-Perle nach Jahren der Flaute. 

Nach "Deadlines" im vergangenen Jahr gelingt ZDFneo hier erneut eine junge Serie, die ein selten gewordenes Handwerk beherrscht: Geschichten durch Charaktere zu erzählen statt Charaktere durch Geschichte. Ich habe für diese Kritik nicht deshalb an einem Abend die gesamte Staffel geschaut, weil die Handlung Cliffhanger bietet - sondern die Figuren Anknüpfungspunkte bieten. Selbstredend bleiben wir im Genre der Sitcom, wo alles etwas larger-than-life und zugespitzt sein darf. Trocken serviert werden Sätze wie: “Sie hat mit ihrem Onkel gebumst, auf dem Geburtstag ihrer Oma. Es gab Kaffee und Kuchen und dann kam eins zum anderen - wie das immer so ist.”

Und doch sind die Figuren nachvollziehbar genug, um etwa Nachbar Tüffi (Daniel Zillmann) ins Herz zu schließen, dessen Rolle sich trotz der Aufdringlichkeit mit der er permanent in Yanniks Wohnung einfällt, positiv liebevoll abhebt vom eher etwas suspekt-unheimlichen Nachbarn im britischen Original. Dem huldigt man im Laufe der Staffel übrigens auf eine sehr sympathische Art und Weise, die Nerds erfreuen wird und sonst niemanden kümmern muss. Stefan Golaszewski, der Erfinder von "Him & Her", wird sich wiederfinden können in dieser gelungenen Interpretation seiner Grundidee, der man - wie schon "Deadlines" - unbedingt eine zweite Staffel wünschen möchte. "Ich dich auch", ein toller Serien-Snack zwischen all den schweren Stoffen.

Die acht Folgen der ersten Staffel von "Ich dich auch" sind derzeit in der ZDF-Mediathek abrufbar und werden dienstags in Doppelfolgen um 21.45 Uhr bei ZDFneo ausgestrahlt.