Es ist nicht so, als wäre die Welt um Microsofts Mega-Franchise "Halo", die sogar für die Namenstaufe des Windows-Sprachassistenten "Cortana" verantwortlich ist, zuvor noch nie im Heimkino zu sehen gewesen. Doch keine der bisherigen Homevideo- oder Webserien hatte bisher so große Erwartungen vorab wie die Amblin Television-Produktion. Ob das an der ewig währenden Produktionshistorie (ursprünglich sollte "Halo" schon 2015 bei Showtime erscheinen), an den großen Namen hinter der Kamera (Steven Spielberg dient als Executive Producer) oder einfach an dem mit 10 Millionen Dollar pro Folge bemerkenswerten Produktionsbudget liegt, sei mal dahingestellt. Klar ist aber, dass nach nun fast einem Jahrzehnt eine Blockbuster-Serie auf dem Streaming-Tisch von Paramount+, und hierzulande bei Sky, liegt, die sowohl Sci-Fi-Spektakel wie auch gelungene Videospiel-Adaption sein möchte.

Supermenschen gegen religiöse Aliens

Wem gesichtslose Helden in grüner Rüstung, Horden bewaffneter Aliens und Kämpfe mit Sturmgewehren und Alien-Speerkanonen zu nerdig sind, der dürfte auch bei der Prämisse der Serienadaption zurecht skeptisch sein. Wobei Adaption eigentlich das falsche Wort ist, denn die Handlung von "Halo" setzt lange Zeit vor den Spielen an. In der weiten Zukunft herrscht ein tödlicher Krieg zwischen der Menschheit, angeführt von der Organisation UNSC, und einem Gottesstaat zahlreicher hochentwickelter Alienvölker. Die in diesem ungleichen Krieg vermeintlich einzige Chance für die UNSC sind die sogenannten Spartans, kybernetisch erweiterte Supersoldaten, deren einziger Zweck das Verfolgen der militärischen Ziele ihrer Vorgesetzten ist. Anführer der Spartans ist widerrum unsere Hauptfigur (Pablo Schreiber), die sowohl auf den Namen John-117 als auch schlicht auf das Wort "Master Chief" hört.

Halo © Paramount+

Wie blutig der intergalaktische Krieg ist, wird in der Serie in grausamen Bildern zu Tage getragen. Seinen Beginn findet "Halo" auf dem von Rebellen gegen die Menschen-Allianz beherrschten Planeten Madrigal. Die dortige Kolonie wird ohne Vorwarnung von einem Trupp Aliens angegriffen, was in einem Massaker endet – dessen drastische Explizitheit überrascht. Zu sehen sind zerfetzte Unterkörper, die erbarmungslose Exekution unschuldiger Kinder und zermatschte Alienköpfe. Für Zartbesaitete ist der "Halo"-Prolog also sicherlich nichts. Hartgesottene dürften sich dagegen eher über die im Anbetracht des massigen Produktionsbudgets sehr artifiziell wirkenden Effekte beschweren. Das betrifft nicht nur die "Splatter"-Momente, sondern auch die Alienfiguren als solche, die bisweilen mehr an die Darstellungen in der jüngsten Videospielausgabe "Halo Infinite" erinnern als an eine Live-Action-Serie.

Ein Opener für eingefleischte Fans

Dass der Opener vor allem an die Fans der Shooter-Reihe gerichtet ist, dürfte spätestens mit dem Einstieg der Spartans in den Kampf klar sein. Zu viert mähen sie unter Führung des Master Chief die zuvor übermächtig erscheinenden Alienkämpfer nieder. Immer wieder wechselt Regisseur Otto Bathurst dabei in die Ego-Perspektive des Master Chief, in der das Head-Up-Display seines Helmes exakt dem der Videospiele gleicht. Der Chief selbst bekommt direkt die Chance, zu zeigen, dass "Halo"-Fans angekommen sind: Er kämpft in einem ständigen Wechsel an kurzen Schusssalven, Ausweichmanövern und gepanzerten Fausthieben. Selbst das befriedigende "Wuuusch", wenn sich das vor Schüssen schützende Schild des Supersoldaten auflädt, schafft es in eine Szene. Doch auch aus rein filmischer Sicht ist der spektakuläre Einstieg in die Science-Fiction-Serie gelungen. Schafft er es doch auf einen Streich, ohne viele Worte nicht nur die Kriegsparteien, sondern auch Schlüsselfiguren und -konflikte einzuführen.

Halo © Paramount+

Begleitet wird John-117 fortan von Quan (Yerin Ha), der einzig Überlebenden des Massakers. Quan stellt als Tochter eines Rebellen und als aus den Spielen unbekannte Figur die wichtige Brücke zwischen Videospiel und TV-Serie dar. Sie bildet den emotionalen Kern der Geschichte, der in einer von gefühl- und meist gesichtslosen Soldaten, fremder Alienrassen und kalten Militärräten bestimmten Welt unabdingbar ist. Wenn sie um ihre ermordete Familie schreiend weint, wenn sie mit verzweifeltem, aber entschlossenen Blick den Vertretern der UNSC ihre von Traumata bestimmten Ideale ins Gesicht brüllt, zeigt Yerin Ha nicht nur ihr Talent. Es funktioniert auch inszenatorisch weitaus besser, als dem Zuschauer nur Blicke auf die goldene Gesichtsmaske der Spartans zu gewähren. Die Macher gehen sogar einen Schritt weiter: Denn mit einem "The Mandalorian"-esquen Offenbarungs-Moment hauchen sie auch dem eigentlich eiskalten John neues Leben ein.

Aus Videospiel wird Serie

Das steht auch im Sinne des Versuchs, "Halo" mehr Grautöne zu verleihen. Statt nur auf den Hau-Drauf-Konflikt der Spielreihe zu setzen – also gute Menschen gegen böse Aliens – werden weitere Konfliktebenen in die Handlung gestrickt. In einem der größten Handlungsstränge steht der Zwist zwischen rücksichtslosem, faschistoiden Kriegsdienen und empathischer Menschlichkeit im Mittelpunkt. Das äußert sich vor allem dann, wenn Quans Mitrebellen über die Spartans als erbarmungslose mythische Figuren sprechen, wenn UNSC-Kommandantin Miranda Keys (Olive Gray) versucht, die traumatisierte Quan für die Propaganda der menschlichen Kriegsmaschinerie zu gewinnen oder wenn Spartan-Ingenieurin Dr. Halsey (Natascha McElhone) die Hörigkeit eines "bockigen" Spartans zurückgewinnen möchte, indem sie ihm kurzerhand die Sauerstoffzufuhr abdreht. Selbst der Master Chief hat in diesem Konflikt mit seiner eigenen Identität zu kämpfen. Einen Innovationspreis gewinnt das kaum, im Kontext einer Videospieladaption ist es aber durchaus bemerkenswert. Denn während Action-Spiele primär von unterhaltsamen Gameplay profitieren, hat eine TV-Serie diesen Vorteil nicht. Ein Mangel von dramatischen Aufhängern und Konfliktpunkten in der Handlung fällt dort weitaus mehr ins Gewicht.

Schade ist es dann, dass sich ausgerechnet dieser Handlungsstrang, der von einer lebendigen und dynamischen Welt zeugt, vor allem in weiß-grauen Gängen, Konferenzräumen und vor generischen blauen Hologramm-Displays abspielt. Dazu spielen Natascha McElhone und Olive Gray als UNSC-Ingenieurin beziehungsweise -Kommandantin irritierend steif und emotionsarm. Mehr inszenatorische Mühe wird dagegen vor allem in den Hauptteil der Handlung gesteckt. Aliens gegen Menschen. Hier ist es widerum genau umgekehrt: Während die Augen der Zuschauer mit eindrucksvollen Raumschiff-Kulissen und mysteriösen Höhlen-Erkundungen verwöhnt werden, ist die Geschichte selbst eine generische Science-Fiction-Abhandlung. Im Mittelpunkt ein mystisches Artefakt, das das Ziel des Alien-Überfalls auf Madrigal ist, dann aber in die Hände des Master Chief fällt.

Während Videospiel-Fans bei "Halo" also über lahme Kriegskonferenzen und starre Beamten-Figuren klagen dürften, werden Serien-Enthusiasten in dem filmisch ansprechenderen Teil eine wirklich fesselnde Erzählung vermissen. Es gelingt "Halo" also noch nicht, beiden Zielgruppen gerecht zu werden – zumindest nach einer Episode. Nach einem gelungenen (aber nicht perfekten) Start häufen sich nämlich schwächere Szenen, die an starren Darstellern, leblosen Sets oder uninteressanten Handlungselementen kränkeln. Was bleibt, ist aber die große Ambition, aus einer einfachen schwarzweiß-gezeichneten Welt ein Universum zu erschaffen, das über seine Vorlage hinauswachsen möchte. Der Blick auf die bereits bestätigte zweite Staffel verrät, dass diesen Ambitionen auf Seiten des Streamers Vertrauen geschenkt wird – ganz egal, wie die Resonanz auf die Eröffnungsstaffel auffällt. Ein vielversprechendes Signal.

Ab dem 24.3. ist "Halo" über Sky Q zum Streamen verfügbar. Ab dem Folgetag erfolgt die lineare Ausstrahlung immer freitags um 22:15 Uhr auf Sky Atlantic.