Dass Musik einen großen Einfluss auf Menschen hat, ist hinlänglich bekannt. 2020 war es, da stemmte das ZDF das Projekt, an Demenz erkrankten Menschen über das gemeinsame Musizieren in einen Chor wieder etwas mehr Lebensfreude und -qualität zu ermöglichen. Und in der Tat: Der Demenz-Chor hat sogar ein Abschlusskonzert gegeben, wenngleich dieses coronabedingt erst 2021 über die Bühne ging. In einem neuen ZDF-Factual-Format, für das Red Seven Entertainment verantwortlich zeichnet, wird nun der Frage nachgegangen, welchen Einfluss gemeinsames Musizieren auf Heranwachsende aus eher benachteiligten Gesellschaftsschichten hat.

 

Schauplatz von "Don't Stop The Music" ist daher eine Schule mitten in Berlin. Eine Schule, in der 80 Prozent der Lernenden nicht-deutscher Herkunft sind und ein großer Teil davon vom Staat unterstützt werden müssen, um sich überhaupt alles leisten zu können, was man nun mal eben für einen normalen Alltag als Schülerin oder Schüler braucht. Verständlich, dass in diesen Familien kein Geld da ist, um teure Instrumente anzuschaffen und den begleitenden Privat-Musikunterricht zu finanzieren. Genau da setzt "Don't Stop The Music" an – und das ist speziell für die teilnehmenden Kinder Gold wert – wie sich nicht allzu schwer an zahlreichen leuchtenden Kinderaugen erkennen lässt.

Dont stop the music © ZDF / Oliver Ziebe Verwaschene Fassaden, nur etwas gelb im grau: Die Gemeinschaftsschule "Campus Efeuweg" in Gropiusstadt im Berliner Bezirk Neukölln.


Gearbeitet wird mit Kindern, die vielleicht noch nie ein klassisches Konzert besucht oder einen professionell Musizierenden aus dem klassischen Bereich gesehen hätten, erklärt Bülent Ceylan. Ceylan, eigentlich eher als Comedian bekannt, hatte seine Vorliebe für Musik schon als "Engel" in "The Masked Singer" bei ProSieben wirklich eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Ceylan ist Moderator und "Pate" der neuen ZDF-Sendung, speziell für die Kids aber wohl eine der bestmöglichen Identifikationsfiguren - als Promi mit türkischen Wurzeln, aber auch, weil er einfühlsam und auf Augenhöhe mit den Heranwachsenden agiert.

Zusammen mit den Kindern begibt er sich quasi auf die Reise in eine für die angehenden Musikerinnen und Musiker sicherlich doch recht fremde Welt. Eine Welt, die aber allzu schnell gefällt, nicht nur denjenigen, die vor dem Fernseher zuschauen. "Mein Herz wurde von der Geige verwickelt", sagt etwa ein Mädchen in die Kamera, als Profis ihnen vorstellen, welche Instrumente es überhaupt gibt. Andere schließen die Augen, andere wippen und bewegen sich zu den (klassischen) Klängen. Es sind berührende Bilder, die die Kameras von RedSeven Entertainment an diesem sommerlichen Nachmittag auf dem Schulhof in Berlin eingefangen haben.

Um dem Bildungsauftrag des ZDF auch ganz sicher und deutlich erkennbar gerecht zu werden, ist in die 45 Minuten langen Episoden immer noch eine andere, wissenschaftliche Komponente verwoben. Gebraucht hätte es diese vielleicht gar nicht, weil sie die Emotionen hin und wieder bricht. Da sie aber eher sparsam eingesetzt wird, ist sie gutes Mittel zum Zweck. Zwei Experten nämlich begleiten das Projekt und dürfen dann, wie beispielsweise Neurologe Prof. Dr. Eckart Altenmüller, erklären, welche physikalischen Eigenschaften die Geige so attraktiv machen.

Geht ans Herz

Es sind ans Herz gehende Momente, wenn etwa die Kinder der Klasse 4D der Schule mitten im Sportunterricht überrascht werden mit der Entscheidung, welches Instrument nun für sie ausgewählt wurde. Es sei ein bisschen so gewesen als sei Gott aus dem Himmel gekommen und hätte ihr zugehört, erzählt dabei Viertklässlerin Tabea. Es sind Momente, in denen eine emotionale, spannende und unvorhersehbare Heldenreise startet. Nicht nur für die vor Ort Beteiligten, sondern auch für die Beobachtenden an den TV-Geräten, ist unklar, welches Kind sich durchbeißen und wachsen wird und wer gewaltige Hürden zu nehmen hat. Dass es Rückschläge auf der Reise gibt, war schon in winzigen Ausschnitten direkt zu Beginn der Premierenfolge zu sehen. Momente der Ungeduld, der Trauer über vermeintliche Rückschläge und damit einhergehende Enttäuschung, auch sie sind Teil dieser ehrlichen Dokumentation. Nein, die Trompete sei nicht ihr Wunsch gewesen, spricht ein Mädchen in die Kamera, nicht ohne gleich hinzuzufügen: "Das Gute ist: Dadurch, dass ich die Trompete bekommen habe, kann ich meinen Vater jetzt ganz schön nerven."



"Don't Stop The Music" schafft etwas, das die Sendung zur Blaupause für öffentlich-rechtliches Factual-Entertainment machen könnte, das neue und bildungsfernere Gruppen einerseits abbildet, andererseits aber zumindest teilweise an das gebührenfinanzierte Programm bindet. Das gelingt, weil die mühevoll orchestrierte Sendung etwas kann, das keinesfalls wie selbstverständlich gelingt: Die Musik, die Kinder, die Lehrenden und nicht zuletzt auch Bülent Ceylan schaffen es, das Herz der Zuschauenden so richtig zu verwickeln – um es mit den einzig an dieser Stelle passenden Worten zu sagen.

"Don't Stop The Music": Ab sofort in der Mediathek. Von Dienstag bis Donnerstag um 22:15 Uhr im ZDF. ZDFneo zeigt an Karfreitag um 19:30 Uhr das Abschlusskonzert. 

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