Das Ende von "Viva la Diva" hätte man sich bei RTL gewiss anders vorgestellt. Ausgerechnet Faisal Kawusi war es, der nach zwei Stunden zur "Queen" der Premieren-Ausgabe gekürt wurde. Weil der Comedian vor wenigen Wochen, kurz nach der Aufzeichnung der neuen Show, mit einem blöden Spruch über K.O.-Tropfen in die Schlagzeilen geriet, sah sich der Sender noch am Montagabend dazu gezwungen, sich von den Aussagen ihres Sieger zu distanzieren. "Für Diskriminierung und Respektlosigkeit gibt es hier keinen Platz", ließ RTL unmittelbar nach der Ausstrahlung wissen.

Sollte die nun möglicherweise erneut drohende öffentliche Diskussion über Kawusi den Neustart überschatten, wäre das ziemlich schade, immerhin sorgte das von UFA Show & Factual produzierte Format, das seinen Ursprung in den Niederlanden hat, für mehr als nur einen Farbtupfer im oft so vorhersehbaren TV-Alltag. Das Konzept ist simpel: Sechs prominente Männer treten als Drag Queens auf, müssen plötzlich Brüste vor sich hertragen und sich Allüren zulegen, um ihren schrillen Figuren auf der Bühne möglichst viel Glamour zu verleihen – und freilich auch, um von ihrer wahren Identität abzulenken.

"Viva la Diva" wegen des Ratespiels direkt als Drag-Plagiat von "The Masked Singer" abzukanzeln, wird der Show jedoch keineswegs gerecht. Und das liegt keineswegs nur daran, dass das RTL-Format nach nur zwei Stunden beendet ist, während das Ratefieber bei dem ProSieben-Hit über Wochen hinweg aufrecht erhalten werden muss – mit teils skurrilen Hinweisen, die weder das Publikum noch das Rateteam im Studio weiterbringen.

"Die Brüste sind schon geil!"

Bei "Viva la Diva" ist alles ein wenig offensichtlicher: Da wird Mickie Krause zu Minnie de la Cruise und "Stern TV"-Moderator Steffen Hallaschka bekommt auf seine falschen Brüste schlicht zwei rote Sterne gepappt. "Die Brüste sind schon geil!", hört man Hallaschka wenig später, nach seiner Entlarvung, in einem Einspielfilm sagen, der ihn bei den Proben im Korsett zeigt. Kurz darauf räkelt sich der sonst so seriöse Journalist, sich sichtlich amüsierend, in seinem Kostüm auf dem Boden und haucht in bester Telefonsex-Manier ein paar Worte in die Kamera: "Alleinstehende Drag Queens warten jetzt auf Deinen Anruf!"

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Doch auch wenn "Viva la Diva" in manchen Momenten ins Skurrile abzudriften droht – peinlich wird es nie, weil alle Beteiligten ihre aufwendigen Verwandlungen erstaunlich ernst nehmen. Ganz gleich, ob es der ehemalige Fußball-Nationalspieler David Odonkor ist, der frühere "Volle Kanne"-Moderator Ingo Nommsen oder gar Schlager-Ikone Bernhard Brink: Wer hier als Drag Queen auf der Bühne steht, setzt sich für Toleranz ein und feiert die Vielfalt. Da hätte es den entsprechenden dauereingeblendeten Hinweis am Bildschirmrand ("Vielfalt verbindet") eigentlich gar nicht gebraucht.

Tatsächlich nehmen die Promis ihre Rollen durchaus ernst, allen voran in den Lip-Sync-Battles, die den Kern der Sendung bilden. Selbst TV-Koch Tim Mälzer, der erstaunlicherweise mit der Moderation beauftragt wurde, fügt sich gut in das Gesamtbild ein – und das ist längst nicht nur der Tatsache geschuldet, dass er sich pünktlich zur Aufzeichnung die Fingernägel lackieren ließ. Mit Olivia Jones und Jana Ina Zarrella sowie Jorge González und Tahnee haben auch die beiden Panel-Teams Freude am Rätseln. Und dank der aus fünf Drag Queens bestehenden Jury, die von Runde zu Runde über die Auftritte richtet, erhält "Viva la Diva" sogar noch einen professionellen Aspekt.

Längen hat das Format indes erstaunlicherweise kaum. Im Gegenteil: Mit vielen Schnitten wirkt "Viva la Diva" an manchen Stellen sogar etwas zu stark gehetzt. Weil noch dazu lange Filmchen und marcoschreyleske Entscheidungsminuten fehlen, wirkt die Show in ihren besten Momenten wie eine bunte Nummernrevue, in der man in jedem Moment eine neue Überraschung für möglich hält. Da will es sogar irgendwann nicht mehr verwundern, dass kurz vor Schluss ausgerechnet Mario Barth als Drag Queen den Pokal, die "Kronjuwelen", ins Studio trägt.

Dass RTL eine ebenso kurzweilige wie liebevolle, mitunter gar für RTL-Verhältnisse progressive Drag-Show in der Primetime auf die Beine stellt, gehört gewiss zu den Fernsehüberraschungen dieses Jahres – Kawusi hin oder her.