Realityshows treiben mitunter seltsame Blüten. Inzwischen ist das Genre im deutschen Fernsehen derart weit verbreitet, dass es Menschen gibt, die ernsthaft von sich behaupten, von Beruf Realitystar zu sein. Glücklicherweise ist es für die Teilnehmenden längst kein Ausschlusskriterium, wenn sie schon in anderen Shows mitgemacht haben. Im Gegenteil: Mancherorts, wie im erfolgreichen "Kampf der Realitystars", sind frühere Teilnahmen an anderen Format geradezu erwünscht.

So verhält es sich nun auch beim jüngsten Reality-Format, das ursprünglich für Sat.1 vorgesehen war, nun aber doch nach einiger Lagerzeit bei ProSieben untergekommen ist. "Das große Promi-Büßen", so der Titel, wäre undenkbar, hätten sich die Promis hinterer Güteklasse nicht schon einmal woanders zum Affen gemacht. Und so überrascht es dann auch nicht, dass sich einige Wege in dem kargen Camp am Rande eines Steinbruchs erneut kreuzen.

"Was machst du hier? Verfolgst du mich oder was?", sagt Helena Fürst, als sie auf ihren Ex-Freund, den durch eine Penisverlängerung bekannt gewordenen Ennesto Monte, trifft. Auch Matthias Mangiapane ist für die einstige RTL-"Anwältin der Armen" kein Unbekannter, verbrachten sie doch vor rund fünf Jahren einige gemeinsame Tage im "Sommerhaus der Stars", wo wiederum auch schon Elena Miras untergebracht war. Dass sie alle Dschungel-erprobt sind, versteht sich freilich von selbst.

Insgesamt elf solcher Realitystars, zu denen auch mehr oder weniger klangvolle Namen wie Daniele Negroni, Gisele Oppermann oder Carina Spack gehören, hat ProSieben zusammengetrommelt und sie – standesgemäß – zunächst vom Hubschrauber ins kalte Nass springen lassen. "Stars im freien Fall", tönt der süffisante Off-Sprecher und ergänzt: "Wir hoffen, diese subtile Metaphorik ist bei Ihnen inzwischen auch angekommen."

"Ich bin dein buntes, schlechtes Gewissen"

Nach überstandenen Sprüngen kann der ganz normale TV-Wahnsinn schließlich seinen Lauf nehmen. Diskussionen über die wenig glamouröse Toilette und den Gruppen-Schlafsaal, in dem in der ersten Nacht niemand außer der schnarchenden Fürstin schlafen kann, sind selbstverständlich inklusive. Müßig zu erwähnen, dass es nicht lange dauert, bis die ersten Camper aneinandergeraten. Bei einem schlammigen Zweikampf liefern sich Fürst und Miras ein für diese Art von Fernsehen typisches Wortgefecht. "Hey Aggro-Braut, halt deinen Mund", schreit die eine. "Ekelhafte alte Frau", die andere.

Das Spiel, so erklärt es besagter Sprecher, zeige, "warum die kollektive Zündschnurverlängerung bei unseren Promis überfällig ist". Tatsächlich hat der – ebenso wie der "Kampf der Realitystars – von Banijay produzierte ProSieben-Neustart dem Genre anfangs nichts Nennenswertes hinzuzufügen. Es braucht eine Zeit, bis sich eine weitere Ebene, das titelgebende Büßen, auftut. In der ersten Folge ist es Matthias Mangiapane, der sich unter den strengen und bisweilen angewiderten Blicken von Olivia Jones ("Ich bin dein buntes, schlechtes Gewissen") noch einmal seine bisherigen Realityshow-Verfehlungen ansehen muss.

Das große Promi-Büßen © ProSieben / Nikola Milatovic Olivia Jones konfrontiert die Promis mit ihren Verfehlungen.
"Non, je ne regrette rien", trällert Edith Piaf vor der sogenannten "Runde der Schande", ehe eine Rückblende an jenen Moment erinnert, als Mangiapane seine damalige Mistreiterin Claudia Obert bei "Promis unter Palmen" als Brunnenvergifterin und vieles mehr bezeichnet. "Eine schlechte Tat wiegt tausend gute auf", mahnt Jones, die ihre Sache ausgesprochen gut macht, ehe ihr Gegenüber zur Strafe zum Latrinendienst verdonnert wird. An dieser Konfrontation, die in ihren besseren Momenten als kleine TV-Therapiestunde durchgehen könnte, werden zumindest waschechte Reality-Fans ihre Freude haben. Es ist schlicht die logische Konsequenz nach all den Jahren, in denen diverse Sender das Publikum mit Shows dieser Art berieselten.

Und doch stellt sich über weite Strecken des "Promi-Büßens" hinweg die Frage, ob es diese Show nun wirklich auch noch gebraucht hätte. Sicher, Banijay hat ein gut produziertes Format auf die Beine gestellt und es wirklich geschafft, dem Genre noch einmal eine neuen Impuls beizusteuern. Abseits davon wirkt jedoch vieles so, als habe man es schon oft genug gesehen – was schlicht daran liegt, dass die Reality-Profis im Camp nach all ihren Einsätzen ziemlich genau wissen, was von ihnen erwartet wird, weil die Mechanismen sich seit Jahren von Format zu Format allenfalls in Nuancen unterscheiden.

So ist es eben auch beim "Promi-Büßen" kurz vor dem Ende, als nach der zu erwartenden Nominierungszeremonie, dem "Tribunal der Loser", Helena Fürst und Tessa Hövel, eine Influencerin - die auch deshalb einigen Ruhm erlangte, weil Oliver Pocher ihr einst öffentlichkeitswirksam Verstöße gegen Corona-Regeln vorwarf - verbal über sich herfallen. "Du bist einfach diskussionssüchtig", schimpft Hövel in Richtung der Fürstin. Woraufhin diese einigermaßen gelassen reagiert: "Das ist mein Wesen und ihr dürft nicht mein Wesen beschneiden."

Spätestens nach diesem Satz steht kaum zu befürchten, dass Helena Fürst nach dem "Promi-Büßen" ernsthaft geläutert heimkehren wird. Das kann allerdings ohnehin kaum das Ziel der Verantwortlichen sein, immerhin gibt es noch einige Realityshows, in denen sie und ihre Mitstreitenden noch nicht teilgenommen haben.

"Das große Promi-Büßen", donnerstags um 20:15 Uhr, ProSieben

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