In Amerika feierte mit "Hard Knocks" die Mutter aller Dokus rund um Profi-Sportteams im zurückliegenden Jahr den 20. Geburtstag. In "Hard Knocks" lassen sich unterschiedliche Football-Teams (den Anfang machte Baltimore, 2021 war es Dallas) von Filmteams begleiten. Dokus, die die Fans hinter die Kulissen des Profisports mitnehmen, gab es zuletzt auch in Deutschland einige. Sie alle wandeln ein bisschen auf den Spuren des damals großartigen Kinofilms von Sönke Wortmann, der während der Heim-WM 2006 die deutsche Nationalmannschaft unter Trainer Jürgen "Klinsi" Klinsmann begleitete. Die meisten von ihnen haben diese Emotionalität nicht erreicht, manche waren gar nur ein besseres PR-Werk, weil manche auch direkt von PR-Abteilungen von Klubs bestellt und umgesetzt wurden.

Mit echtem Journalismus also können nur wenige dienen – auch "Born for this", ein aufwändiges Hochglanz-Doku-Projekt rund um die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft, das Warner Bros. International über ein Jahr lang produziert hat, ist in erster und letzter Linie eine fast vier Stunden lange Werbung für den DFB und den Frauensport an sich. Das ist an manchen Stellen schade, schafft es mitunter aber doch zu überzeugen. Nämlich immer dann, wenn die Dokureihe sehr frauensport-spezifische Themen aufgreift. Etwa direkt zu Beginn, als es darum geht, wie schwer es für Keeperin Almuth Schult ist, sich nach der Schwangerschaft wieder an das Leistungsniveau heranzukämpfen, ihren alten Stammplatz zurückzuerobern und welche Rolle Hormone eben bei Leistungssportlerinnen spielen. Im weiteren Verlauf der Doku werden auch Themen wie Sexismus oder Gleichberechtigung angeschnitten; der sportliche Leiter Oliver Bierhoff etwa darf in der dritten Folge bei einer Besprechung salbungsvoll den Stellenwert und Zukunftsperspektiven der Frauennationalmannschaft betonen.

Bei den Verhandlungen, welche Prämien im Erfolgsfall für die Spielerinnen bei der EM herausspringen können, sind die Kameras nicht dabei. Das ist schade, insbesondere weil es wie selbstverständlich gar nicht thematisiert wird, dass solche Bilder nicht Einzug halten in "Born for this", aus DFB-Sicht aber natürlich mehr als verständlich. Und so wandelt die Doku, deren Opener Ästehtik, Athletik, Kampfgeist, Power und Wille in den Fokus stellt und an manchen Stellen ein bisschen an den der ebenfalls von Warner Bros. kommenden "Bachelorette" erinnern mag, stellenweise auf allzu bekannten Pfaden. Auch in "Born for this" können Zuschauerinnen und Zuschauer wieder Mannschaftsbesprechungen lauschen. Hören, wie diesmal Spielerinnen gelobt – oder (strittig ob zurecht oder nicht) auch mal wegen Leidenschaftslosigkeit zur Sau gemacht werden.

Born for this © NDR/Warner Bros IPTV Germany Der "Born for this"-Opener vereint Athletik, Ästhetik und Power - und mag an Sequenzen der "Bachelorette" erinnern.

Was gut gelingt, ist das grundsätzliche Storytelling rund um eine Nationalmannschaft Deutschlands, deren Akteurinnen bei Weitem nicht die Bekanntheit eines Manuel Neuer, Hansi Flick oder Joshua Kimmich haben. Wer alle drei Folgen gesehen hat, kann sich ein besseres Bild von Hochleistungssportlerinnen wie Merle Frohms, der Torhüterin, Verteidigerin Sara Doorsoun, Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, Assistenztrainer Patrik Grolimund oder anderen Beteiligten machen.

Mit (kritischem) Sportjournalismus hat das dennoch arbeitsintensive "Born for this" freilich kaum etwas zu tun, darin unterscheidet man sich allerdings auch nicht von großen und mitunter internationalen Vorbildern. Warner Bros. unterstreicht – nach der Eintracht-Doku "Countdown für Europa" für Nitro - auch bei "Born for this" die Fähigkeit zu gutem Storytelling bei Behind-the-Scenes-Sportdokus. Den Vergleich mit anderen und jüngst auf den Markt geworfenen Dokus – sei es mit Beteiligung von Rekordmeister FC Bayern, Köln, Dortmund oder kleineren Dokus von Sky (etwa rund um Handball-Teams) - muss "Born for this" keinesfalls scheuen. Für kritischen Sportjournalismus bieten allein in der ARD schließlich auch andere Formate Platz.

"Born for this", am 12. Juli ab 23:15 Uhr im Ersten. Alle Folgen stehen in der ARD Mediathek bereit, zudem bei Magenta TV und Sky Q.