Nach den absolvierten Achtelfinals gönnte die FIFA den Mannschaften und Fans zwei spielfreie Tage bei der Weltmeisterschaft, die seit mehr als zwei Wochen nicht gerade durch ein besonders großes Maß an Fußball-Fieber von sich reden macht. Zu den eher amüsanten Randnotizen dieser WM gehört es, dass die deutschen Fußball-Frauen beim EM-Finale im Sommer mehr Menschen vor den Fernseher lockten als die Gruppenspiele der deutschen Fußball-Männer, für die nach 2018 erneut nach der Vorrunde Schluss war.

"Die Nationalmannschaft scheidet aus und erspart den Deutschen eine WM, die sie offensichtlich nie gewollt haben", kommentierte Johannes B. Kerner am vergangenen Donnerstag bei MagentaTV das Turnier-Aus – und lieferte damit zugleich eine Erklärung dafür, weshalb die TV-Quoten bis zuletzt massiv unter den Werten früherer Welt- und Europameisterschaften lagen. Inwiefern auch die Telekom unter dem allgemeinen WM-Gleichmut leidet, ist unklar, weil der Konzern keine konkreten Nutzungszahlen nennt. Dabei lohnt es durchaus, neben ARD und ZDF auch dem MagentaTV-Angebot eine Chance zu geben.

Telekom-WM-Studio © Deutsche Telekom Das WM-Studio von Magenta TV

Mit der Routine vieler Turniere im Rücken sorgt Kerner dort freilich nicht für allzu große Überraschungen – doch mit Wolff Fuss hat die Telekom einen der besten Kommentatoren im Einsatz und Kerners unaufgeregtes Studio-Zusammenspiel mit dem Taktik-Mann Jan Henkel sowie den namhaften Experten Michael Ballack und Fredi Bobic, vor allem aber mit der ehemaligen Nationalspielerin Tabea Kemme funktioniert. Direkt zu Beginn der WM überzeugte Kemme mit klaren Worten, etwa hinsichtlich der Debatte um die von der FIFA verbotene "One Love"-Armbinde. "Als ich die Nachricht auf meinem Handy gesehen habe", sagte sie, "wusste ich nicht, ob ich heuten sollte oder ob ich heulen sollte."

Binden, Bierhoff, Bademäntel

Während Kemme klare Worte wählte, setzte ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann direkt im Stadion ein Zeichen, indem sie sich mit Regenbogen-Binde und -Shirt von ihrem Platz aus meldete. Der Reporterin kam auf diese Weise in den sozialen Medien ein wahrer Candystorm entgegen – eine willkommene Abwechslung, nachdem Neumann in der Vergangenheit häufig, meist zu unrecht, starke Kritik einstecken musste. Letztere musste sich stattdessen Sandro Wagner anhören, weil er die katarischen Gewänder als "Bademäntel" bezeichnete. Was mancher schon als Rassismus brandmarkte, war schlimmstenfalls ein etwas missglückter Spruch - aber sicher keine Aufregung wert, geschweige denn eine Entschuldigung, wie sie das ZDF eilig hinterherschob.

Auffällig: Nach mehr als zwei WM-Wochen rückte die Kritik am Gastgeberland Katar und der FIFA in der Berichterstattung zuletzt zunehmend in den Hintergrund, was jedoch angesichts der geballten Auseinandersetzung mit den Schattenseiten dieses Turniers in den Anfangstagen vollkommen in Ordnung ist. Dadurch blieb etwa bei der ZDF-Berichterstattung ausreichend Raum für herrliche Frotzeleien zwischen den beiden Experten Per Mertesacker und Christoph Kramer, die sich trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Unterschiedlichkeit ganz wunderbar ergänzen. Mitunter wirken beide wie eine moderne Version von Delling und Netzer – man kann also nur hoffen, dass das ZDF die beiden früheren Nationalspieler auch bei künftigen Welt- und Europameisterschaften zum Einsatz kommen lässt.

Jochen Breyer und Christoph Kramer © ZDF/Michael Braunschädel Jochen Breyer und Christoph Kramer

Während das ZDF dank Mertesacker und Kramer, insbesondere im Dialog mit Moderator Jochen Breyer, weiterhin das unterhaltsamste Rahmenprogramm liefert, hat die ARD im öffentlich-rechtlichen Duell, verglichen mit der EM des Vorjahres, kräftig aufgeholt. Auf Publikum und Studio-Band zu verzichten, war die wohl beste Entscheidung der Verantwortlichen – auch wenn es bedauerlich ist, dass Moderator Alexander Bommes krankheitsbedingt ausfiel und durch Jessy Wellmer ersetzt wurde. Die ausgeschlafene Expertise, besonders von Thomas Broich und der schon im vorigen Jahr wunderbaren Almuth Schult, lässt manch ungelenke Fragestellung der Moderatorin in den Hintergrund rücken.

Besonders bemerkenswert ist die Verwandlung von Bastian Schweinsteiger. Bildete er bei der EM 2021 mit Jessy Wellmer noch ein wenig harmonierendes Duo, so legt er nun an der Seite von Esther Sedlaczek viel mehr Meinungsfreude an den Tag. Besonders gut zu erkennen war das in der vorigen Woche, als beide den Bundestrainer kritisch befragten. Dazu kommt, dass Sedlaczek den Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff so lange grillte, bis er vor laufender Kamera Fehler im Umgang mit der "One Love"-Binde einräumte. Keine Frage, Sedlaczeks Verpflichtung war für die ARD-Sportberichterstattung vermutlich der größte Coup der letzten Jahre.

Mag sein, dass diese Weltmeisterschaft aus vielerlei Gründen ein Totalausfall ist - zumindest für die TV-Berichterstattung von ARD, ZDF und Deutscher Telekom gilt das glücklicherweise nicht.