In Österreich ticken die Uhren in vielerlei Hinsicht oft noch anders, das trifft ganz offensichtlich auch auf den Privatsender ATV zu, der zur ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe gehört. Während die deutsche TV-Branche Formate wie "Schwiegertochter gesucht" und "Schwer verliebt", in denen es vorrangig darum ging, die Protagonistinnen und Protagonisten lächerlich zu machen, mittlerweile hinter sich gelassen hat, ist bei ATV ein solches Format gerade erst neu gestartet. Es heißt "Drunk Dates" und trägt den niedlichen Untertitel "Ein Rausch für 2". 

Niedlich ist an dieser Sendung aber gar nichts. Auch die Beschreibung des Senders, beim Format würde es sich um ein "innovatives Dating-Format" handeln, ist ein einziger Euphemismus. ATV und die Produktionsfirma Mediavilm tun so, als würden sie Menschen verkuppeln wollen, haben sich dabei aber einen vermeintlich cleveren Kniff überlegt. Treffen dürfen sich die Singles nämlich erst, wenn sie mindestens 1 Promille Alkohol im Blut haben. Und so müssen sie erst einmal kräftig bechern, um diese Marke zu erreichen. Und weil das alleine etwas langweilig sein könnte, hat die Redaktion Trinkspiele besorgt. Außerdem lässt man die Singles Zungenbrecher vorlesen. 

Kurz bevor die Singles dann aufeinandertreffen, werden sie von einer Alibi-Sanitäterin durchgecheckt und man muss sich unweigerlich die Frage stellen: Welche ausgebildete Sanitäterin lässt sich auf so einen Humbug ein? Bei "Drunk Dates" wird vor übermäßigem Alkoholkonsum nie wirklich gewarnt - und wenn, dann immer mit einem Augenzwinkern, so wie bei einer Hinweistafel zu Beginn der Folge. "Alkohol gefährdet Ihre Gesundheit und Ihr Date!" steht da geschrieben. Aber eigentlich geht es darum, möglichst schnell betrunken zu werden, um endlich zum Date zu können - und auch dort ist Alkohol bzw. der Zustand des Gegenüber natürlich Thema. Wenn die Protagonisten die Schwelle von 1 Promille Alkohol im Blut erreichen, ertönt eine Siegesfanfare, als hätte man nun irgendwas gewonnen. 

Sie haben keine TV-Erfahrung und werden lächerlich gemacht

Der etwas zu lockere Umgang mit dem Thema Alkohol ist aber längst nicht das einzige Problem von "Drunk Dates". Das Format wandelt nämlich auf den Spuren von "Schwiegertochter gesucht" und "Schwer verliebt" - und das im schlechtesten Sinne. Es geht natürlich nicht wirklich darum, jemanden zu verkuppeln. Es geht auch nicht darum, lockere Unterhaltung für die Zuschauerinnen und Zuschauer zu produzieren oder gar vor übermäßigem Alkoholkonsum zu warnen. Es geht darum, die Teilnehmenden möglichst schlecht aussehen zu lassen und lächerlich zu machen, damit sich das Publikum auf dem Sofa daran ergötzen kann. 

Es ist eine Diskussion, die in Deutschland schon vor Jahren geführt wurde. Was darf man mit TV-unerfahrenen Menschen in einem Fernsehformat alles machen? Wo ist die Grenze? Und wann muss man die Personen vor sich selbst (und in diesem Fall: vor dem Alkohol) schützen? ATV und Mediavilm haben diese Fragen mal schnell beiseite gewischt und sich dazu entschieden, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Lächerlichkeit preiszugeben. Ein junger Mann fängt plötzlich an, über seine Sex-Fantasien zu sprechen - und der Redakteur hinter der Kamera erkennt seine Chance und fragt munter weiter, sodass der Mann immer weiter redet und irgendwann sagt, es sei doch am besten, wenn die Frau gefesselt sei. "Da kann sie sich nicht bewegen." Auch später wird der Mann im Gespräch mit der jungen Single-Frau immer wieder das Thema ansprechen ("Sex. Was gefällt dir daran, wenn es ein Mann ausübt an dir?").

Dixi-Klo als Interview-Kulisse

Wie wenig Respekt die Macherinnen und Macher vor den Menschen haben, die sie im Fernsehen zeigen, zeigt sich auch an den Bauchbinden. Da machen sie sich mit Wortwitzen lustig über eine aus Polen stammende Frau, die gebrochenes Deutsch spricht. Dass es auch anders geht, beweisen RTLzwei und Banijay bei "Kampf der Realitystars" seit Jahren. Auch hier macht man viele Witze, oft auch auf Kosten der Kandidaten - aber hält dabei stets die Balance und kippt nicht in Richtung Beleidigung. Und das mal ganz abgesehen davon, dass bei RTLzwei in der Regel Profis vor der Kamera stehen. Dieses feine Gespür lässt man bei ATV und Mediavilm leider völlig vermissen. 

Und auch sonst macht "Drunk Dates" nicht den Eindruck, als hätten viele Menschen viel Hirnschmalz verwendet, um diese Eigenproduktion auf Schiene zu bringen. Das Format ist selbst für ATV-Verhältnisse derart billig produziert, dass man sich die Augen reibt. Wenn sich die Singles vorstellen und interviewt werden, sieht man im Hintergrund den riesigen Schriftzug eines Ladengeschäfts - "24/7 Automatenshop" steht da in großen Lettern. Und als sich zwei Singles am nächsten Tag noch einmal wiedersehen, tun sie das vor einem Baucontainer und einem Dixi-Klo. Hier wurde wirklich an allen Ecken und Enden gespart. 

Bei ATV sieht man keine Probleme

Und was sagt ATV zu dieser Sendung? Erfüllt "Drunk Dates" tatsächlich den Anspruch, den man an eine Unterhaltungssendung hat? Es scheint so. Der Sender betont gegenüber DWDL.de, dass die Teilnehmenden volljährig seien und freiwillig an dem Format teilnehmen würden. Außerdem seien sie "ausführlich" über das Sendungskonzept informiert worden. "Alle Teilnehmer:innen werden in der Sendung von einer Sanitäterin über die Risiken von übermäßigem Alkoholkonsum aufgeklärt und auch mehrmals einem Gesundheitscheck unterzogen. Zudem gibt es klar erkennbare Warnhinweise, die auf das Risiko von erhöhtem Alkoholkonsum aufmerksam machen. Alkoholkonsum wird dabei keinesfalls verherrlicht, sondern es werden die Gefahren und Auswirkungen, die der Konsum von Alkohol mit sich bringen kann, auf unterhaltsame Weise – mit Zustimmung der Protagonist:innen– thematisiert."

Auch der Vorwurf, man würde die Singles absichtlich der Lächerlichkeit preisgeben, will man beim Sender nicht gelten lassen. Ein Sendersprecher zu DWDL.de: "Die Sendung zeigt in einem überwachten, sicheren Setting, was in nicht überwachten, unsicheren Settings tagtäglich in Österreich stattfindet und gibt den Zuseher:innen so eine Möglichkeit, die Auswirkungen einer derartigen Situation mitzuerleben ohne deren Risiken tragen zu müssen. Da die Kandidat:innen ja auch vor den Dates und beim Folgedate nüchtern gezeigt werden, werden nicht die Personen, sondern die Auswirkungen des Alkoholkonsums der Lächerlichkeit preisgegeben - was ja auch der intendierten Aussage der Sendung entspricht." Der "augenzwinkernde Erzählstil" sei zudem kein Spezifikum der Sendung, sondern ziehe sich durch alle ATV-Unterhaltungsformate. "Er ist ein zentrales Alleinstellungsmerkmal und für den Publikumserfolg von ATV verantwortlich."

Also nur um das nochmal festzuhalten: Bei ATV findet man, dass man nicht die Personen lächerlich mache, sondern die Auswirkungen des Alkoholkonsums. "Drunk Dates" ist ein Format, von dem man geglaubt hatte, dass es im Jahr 2023 nicht mehr produziert würde - weder in Deutschland, noch in Österreich. Es geht darum, die Teilnehmenden nach Strich und Faden vorzuführen - und das auch noch, während sie betrunken sind. Und das bei einer Sendergruppe, die immer wieder betont, wie wichtig ihr Public-Value-Inhalte sind. Im Verhaltenskodex von ProSiebenSat.1 steht geschrieben, dass man "Verunglimpfungen" unterlasse. Das Papier hat es anscheinend noch nicht bis nach Wien geschafft. Oder um es in den Worten von Klaas Heufer-Umlauf zu sagen, der zuletzt bei "Baywatch Berlin" auch über das Format gesprochen hatte: "ATV. Da wird das Privatfernsehen noch von der Pike auf betrieben."