In den USA vor wenigen Wochen eine Debatte darüber entbrannt, wer im kommenden Jahr die Moderation des "Glücksrads" übernehmen soll. 41 Staffeln von "Wheel of Fortune" wird Pat Sajak präsentiert haben, wenn er sich im kommenden Jahr von der Gameshow verabschieden wird. Über vier Dekaden hinweg prägte der inzwischen 76-Jährige das amerikanische Fernsehen - ein Rekord, den ihm auf absehbare Zeit im US-TV so schnell niemand wird streitig machen können.

Erst recht nicht in Deutschland, was schon alleine daran liegt, dass es hierzulande keinen im Ansatz vergleichbare Gameshow-Kultur gibt, was angesichts der eigentlichen Belanglosigkeit dieser Formate zwar verschmerzbar erscheint, aber trotzdem etwas schade ist. 

Leider verhalf auch der zwischenzeitliche Retro-Boom, den das deutsche Fernsehen vor rund eineinhalb Jahren ereilte, nicht dazu, einst vom Publikum geliebte Gameshow-Klassiker dauerhaft ins Programm zurückzuholen. Und das hat verschiedene Gründe, allen voran der offenkundig fehlende Glaube der Verantwortlichen daran, das Publikum mit simplen Show-Ideen aus den 70ern oder 80ern heute noch einmal nachhaltig begeistern zu können. 

Anstelle den erprobten Formaten also einen täglichen Sendeplatz zu geben, wurden "Geh aufs Ganze!", "Der Preis ist heiß" oder das "Glücksrad" zu XXL-Ausgaben in der Primetime ausgedehnt - und damit ein Stück weit entzaubert, weil deren Konzepte eben erwiesenermaßen am besten als Halb- oder Einstünder zum Nebenbeischauen in der Daytime taugen. Da verwundert es nicht, dass sich die Sender mit Bestellungen weiterer Folgen in Zurückhaltung üben - und Jörg Draeger die Lust auf weitere Zocker-Abende längst verloren hat, obwohl er auch mit 77 Jahren noch weiß, wie es geht. 

Altbacken und doch modernisiert

Vielleicht muss man inzwischen ernüchtert festhalten, dass es vielen TV-Machern in Deutschland schlicht am richtigen Gespür für diese Art von Fernsehen mangelt. Wenn Bob Barker einst bei "The Price is right" die Bühne betrat, dann war das ein über drei Jahrzehnte währendes Ritual, das sein Nachfolger Drew Carey längst mit eigenem Charme fortführt - auch, weil sich die Spielshow zwar auf den ersten Blick kaum verändert hat, heute aber eben doch ganz anders daherkommt als vor zehn oder 20 Jahren. Gleiches gilt für das "Glücksrad", das in den USA zwar ebenfalls antiquiert ist, aber längst nicht so verstaubt daherkommt wie die deutsche Version, an der sich RTLzwei jüngst versuchte. Undenkbar auch, dass in Amerika jemand auf die Idee käme, "Let‘s make a deal", die dortige Version von "Geh aufs Ganze", durch einen Co-Moderator künstlich zu verlangsamen oder "Jeopardy" um unlustige Kinder-Erklärfilmchen im "Dingsda"-Stil anzureichern. Das wäre Hochverrat und hätte eine Verurteilung durch Judge Judy zur Folge.

All diese Beispiele zeigen: Gameshows zu produzieren, ist zu allererst Handwerk. Und das braucht es auch, um TV-Klassiker ins Hier und Jetzt zu befördern. Sähe "Wheel of Fortune" heute noch so aus wie vor 40 Jahren, als Pat Sejek die Moderation übernahm - vermutlich wäre die Sendung längst kein Erfolg mehr. Und gewiss würde auch Sajaks Kollegin Vanna White heute nicht mehr an der Buchstabenwand stehen, liefe das "Glücksrad" nur sporadisch in der Primetime. Das bedeutet übrigens keinesfalls, dass sich das "Wheel" nicht auch zur besten Sendezeit drehen kann: Snoop Doggs ungelenke Lösungsversuche in der abendlichen Promi-Version besitzt längst Kult-Status (und beweist ganz nebenbei äußerst eindrucksvoll, welch erstaunlichen Vorteil eine digitale Ratewand für das Tempo der Show mit sich bringt). 

Inzwischen wurde mit Ryan Seacrest übrigens ein Nachfolger für Pat Sajak benannt. Sajaks Moderationsrekord einzustellen, dürfte dennoch eher schwierig werden. Aber vielleicht fühlt sich im deutschen Fernsehen irgendwann doch noch einmal jemand dazu berufen, Gameshow-Klassiker mit dem nötigen Herzblut, vor allem aber mit dem Verständnis für den Kern ihrer Formate umzusetzen. Einfach nur Retro-Wochen auszurufen, ist zu wenig und wird diesen wunderbaren Shows im Übrigen auch nicht gerecht.

Sat.1 zeigt zwei neue "Jeopardy!"-Folgen mit Ruth Moschner sowie eine Wiederholung ab sofort mittwochs um 20:15 Uhr