Machos gehören, dem Himmel sei Dank, wie Keuschheitsgürtel und Prügelstrafe der Vergangenheit an. So schien es wenigstens, seit übergriffige Gockel von Julian Reichelt bis Rainer Brüderle und nun gar Thomas Gottschalk die Bühne verlassen. Doch während woke Rampensäue von Jan Böhmermann über Joko & Klaas ihren Platz im Wildtiergehege einnehmen, erobert die toxische Männlichkeit abgedankter Platzhirsche schon wieder verlorenes Terrain zurück oder weigert sich, abzutreten.

Wachtmeister Klöpel zum Beispiel, buchstäblich beseelt von Ben Becker. Ein Macker aus dem Paläozoikum der Zivilisation, stiefelt „Boom Boom Bruno“, wie er sich im gleichnamigen Sechsteiler nennt, mit Cowboyhut, Lederweste, Zahnstocher im Mund durchs Berliner Randgebiet und lässt alle Welt wissen, was ihm darin so missfällt: „Weicheier, Schwuchteln, Tunten, faule Säcke, Dummschwätzer, Schmarotzer, Lesben“, wenngleich nur „mit Kurzhaarschnitt. Lesben im Porno sind okay.“

Seit Götz Georges Duisburger Polizeiproll der frühen Achtziger hat kein Serienmacho ein misogyneres, homophoberes, kurzum: menschenverachtenderes Trommelfeuer politischer Unkorrektheiten vom Bildschirm gepfeffert als Schimanskis Streifenkollege, dem dessen Darsteller eine Extraladung Sittenverrohung andichtet. Schließlich darf Bumm Bumm Becker als Boom Boom Bruno vieles, was dem Film- und Fernseh-Berserker mit der tabak- und schnapsvernagelten Stimme bislang verwehrt blieb.

Weil das allein für viereinhalbstunden Brachialtheater nicht ausreicht, hat Drehbuch-Autorin Kerstin Laudascher („Doktor Ballouz“) ihrem Emmy-prämierten Regisseur Maurice Hübner („Familie Braun“) zwar noch eine Story auf Brunos Bierbauch geschrieben. Aber die ist ebenso schnell erzählt wie irgendwie egal: An der Seite seines Deputy Mark (Vincent zur Linden), soll der selbsternannte Sheriff den Mord an einer Drag Queen aufklären.

Ausgerechnet jener Cop also, dessen Wortschatz zu je einem Drittel aus frauen-, trans- und schwulenfeindlicher Hetze besteht, soll in der genderfluiden Szene eines Travestie-Clubs ermitteln – was die Tatsache, dass Brunos schüchterner Peterwagen-Partner zuhause heimlich Glitzerfummel trägt und den lokalen Footballstar anhimmelt, zusätzlich verkompliziert. Es ist eine eher schlichte Story, obendrein schlicht verkörpert von einer Schar Laien mit Bühnennamen wie Candy Crash oder Shady Darling, die deutlich besser schillern als spielen.

Aber darum geht es Odeon Fiction auch nicht. Es geht um Ben Beckers Schlüsselrolle: einen Paria im Abnutzungskrieg gegen alle und jede(n), sich selbst inklusive. Schließlich hält sich der Schwerstalkoholiker für so unantastbar, dass er auch die Metastasen in seiner Prostata ignoriert. Echte Männer haut es halt nicht mal um, wenn sie im Western-Look, zu dem Philipp Eggert (Requisiten) und Marion Bergmann (Kostüme) die deutsche Provinz mit American Diners und Pickup-Trucks umdekoriert haben, Blut pissen.

Boom Boom Bruno © 2022Turner Broadcasting System Europe Limited - a Warner Bros. Discovery Company / Odeon Fiction GmbH / Frédéric Batier Bruno (Ben Becker) trifft auf aufgebrachte Drag Queens.

Da könnte man meinen, „Boom Boom Bruno“ sei eine krimibasierte Wildost-Parodie aufs Auslaufmodell Alpharüde alter Schule, als hätte Helge Schneider Claude Zizis Polizeigroteske „Die Bestechlichen“ in Tarantino-Kulissen germanisiert. Das darf man durchaus machen – soofern man es richtig macht. Laudascher und Hübner allerdings machen nahezu alles falsch. Angefangen damit, dass reaktionäre Giftspritzen à la Bruno nach kurzer Phase des liberalen Postheroismus Geländegewinne verzeichnen.

Während Konterrevolutionäre von Trump bis Höcke die Emanzipation aktuell im Testosteronsud ihrer heteronormativen Nostalgie zerkochen, ist es zumindest heikel, wenn ein Serienkomödiant dauernd unwidersprochen all jene verunglimpft, die alte und neue Nazis nach der Machtergreifung wohl internieren würden. Gar zynisch wird es, wenn Vincent zur Linden den schwulen Mark dazu als schwächliches Surrogat homophober Vorurteile der Paukerfilm-Ära zeichnet und Allesija Lauses ruppige Revierchefin namens, (k)ein Witz: Bo einem Typus freudloser Kampflesbe entspricht, wie er auch AfD-Stammtische zum Grunzen brächte.

Fast schon niederträchtig ist hingegen die Titelfigur selbst. Mit jeder Folge nämlich darf der (sehr viel) Fleisch gewordene Tabubruch mehr Sympathiepunkte beim Publikum sammeln. Der Krebs, die Einsamkeit, ein kruder Gerechtigkeitssinn gepaart mit seiner Bereitschaft, dahin zu gehen, wo es wehtut, was Mark gleich doppelt das Leben rettet: Beckers Kuschelkurs mit einem Gewalttäter in Uniform, dem das Drehbuch überdies völlig absurde Anziehungskraft auf die schwarze Stripperin Alice (Sabrina Ceesay) andichtet, erinnert verstörend an Bruno Ganz im Führerbunker.

Für ein narzisstisches Monstrum kam dessen zitternder Hitler ebenfalls allzu menschlich rüber. Nur dass „Der Untergang“ hochwertig inszeniertes Historytainment war. „Boom Boom Bruno“ dagegen wäre mit B-Movie noch schmeichelhaft beschrieben. Nun solle man keinem Low-Budget-Produkt die eigene Sparsamkeit vorwerfen; dilettantisch dekorierte Szenarien wie eine Rollschuhbahn, für die Maurice Hübner noch nicht mal alle Parkplatzmarkierungen überkleben ließ, aber schon.

Von Brunos Bourbon im Puff bis zu Marks liebestoller Mutter bleibt praktisch alles so substanzlose Behauptung, dass man sich fragt, warum Franz Hartwig („Der Pass“) mitspielt. Immerhin: sein Part gibt der Pseudosatire nach dem Geschmack archaischer Männlichkeitsbilder am Ende ein paar Augenblicke mit Tiefgang. Der Rest ist eine Nummernrevue sexistischer Klischees, die auch bei DMAX Fans finden dürfte. Männliche Fans, versteht sich. Keine Frau bei Verstand tut sich so etwas an.

"Boom Boom Bruno", donnerstags um 20:15 Uhr bei Warner TV Serie