Erst im vergangenen Jahr ist die sogenannte FabFiction-Initiative von der ARD, genauer gesagt von NDR, WDR und SWR, ins Leben gerufen worden. Ziel der Initiative ist es, Koproduktionen zu ermöglichen, die vor allem in der ARD-Mediathek ein junges Publikum erreichen. Gleichzeitig will man relevante und gut unterhaltende Produktionen schaffen. "Powerplay - Smart Girls Go For President" ist nun das erste Ergebnis der FabFiction-Initiative - und zeigt direkt sehr eindringlich, wieso das Geld hier richtig investiert war. 

In der Serie geht es um den Aufstieg der norwegischen Politikerin Gro Harlem Brundtland (Kathrine Thorborg Johansen). Sie war mehrmals Ministerpräsidentin, ist weltweit anerkannt und hat wegweisende Entscheidungen getroffen. Und doch hatte sie es zu Beginn ihrer Karriere schwer, denn: Sie war eine Frau. Und im Politikbetrieb der 60er und 70er Jahre ging es in der Politik meist um die Frage: Welcher Mann kann dieses oder jenes Amt bekleiden? Entsprechend steinig war Brundtlands Weg an die Spitze Norwegens. 

In "Powerplay" wird nun der Weg der Frau nachgezeichnet, die lange auch in ihrer eigenen Partei unterschätzt wurde und die neben Angela Merkel zu einer der bedeutendsten Staatslenkerinnen Europas zählt. Dabei geht es um Themen der damaligen Zeit, die auch heute noch erschreckend aktuell sind: Das Recht auf selbstbestimmte Abtreibung etwa. Oder Fragen zur NATO-Mitgliedschaft, Umweltschutz und Feminismus. Wenn man die Konflikte der damaligen Zeit sieht, beschleicht einen das Gefühl, auch im Jahr 2023 nicht wesentlich weitergekommen zu sein. Hinzu kommen damals bestimmende Themen der norwegischen Innenpolitik, die Explosion einer Ölbohrplattform etwa. 

Für die deutschen Zuschauerinnen und Zuschauer dieser Koproduktion von NDR in Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Sender Norwegens, NRK, könnte es vor allem zu Beginn sehr verwirrend sein. Denn die vielen norwegischen Namen sind beim ersten Mal ziemlich ungewöhnlich und auch schwer zu merken, wobei die Story schnell klar wird: Hier die männliche Parteielite, dort die junge Gro Harlem Brundtland, die mehr sein will als nur die Quoten-Frau der Regierung und die sich auch immer dann wehrt, wenn sie von den Männern im Politikbetrieb mal wieder vorerst ausgebremst wird. 

Anarcho-Umsetzung mit Meta-Ebene

Wer sich einmal auf "Powerplay" einlässt, wird aber belohnt durch eine breite Charakter-Palette, in der jeder irgendwie heraussticht. Sei es der zunehmend verwirrte Landesvater, der linke Idealist Reiulf Steen (Jan Gunnar Røis), der gerne viel mehr sein will als nur der Chef der Arbeiterpartei oder auch sein ewiger Kontrahent Odvar Nordli (Anders Baasmo), der eigentlich keine Lust auf das Amt des Ministerpräsidenten hat, es dann aber doch übernimmt, sich aber als zunehmend entscheidungsschwach präsentiert. Dazwischen gibt es diverse Parteisekretäre, die versuchen, die verschiedenen Befindlichkeiten mal mehr und mal weniger gut zu balancieren. Und natürlich Gro Harlem Brundtland, die mit ihrem Pragmatismus vielen Kollegen vor den Kopf stößt. 

"Powerplay" arbeitet aber auch viel auf einer Meta-Ebene. So wechselt die eigentlich fiktionale Serie zwischendurch immer wieder in eine Art Mockumentary-Style. Diese Szenen werden oft dominiert vom allgegenwärtigen Möbelhändler Arved Engen (Trond Espen Seim), der überall seine Finger im Spiel zu haben scheint, aber für die Zuschauerinnen und Zuschauer doch oft nicht greifbar ist. Er ist es aber, der oft bei der Einordnung bestimmter Handlungen hilft. Zwischendurch gibt es außerdem reale Ausschnitte aus der damaligen Zeit zu sehen und hin und wieder wird auch, innerhalb der fiktionalen Elemente, die vierte Wand durchbrochen. In einer sehr markanten Szene droht der Ministerpräsident den Verstand zu verlieren und man sieht plötzlich, wie sein Arbeitszimmer zum Filmset wird. Und es kann durchaus vorkommen, dass in einem Hinterzimmer besprochen wird, dass das mit den Hinterzimmer-Deals nun aber wirklich mal aufhören müsse.

Powerplay © NDR/Motlys/Novemberfilm/NRK Trond Espen Seim als Möbelhändler Arved Engen: Mal Fiction, mal Mockumentary

Darüber hinaus haben sich die Macherinnen und Macher dafür entschieden, die Handlung der damaligen Zeit in das heutige Norwegen zu legen. Das fällt allerdings kaum auf und ist deutlich besser umgesetzt als bei der ARD-Produktion "Eldorado KaDeWe", wo die heutige Optik überhaupt nicht zum Inhalt der 20er passte. Diesen Kunstgriff spricht der bereits besagte Möbelhändler auch in seinen Interview-Szenen an, was schon ein kleiner Mindfuck ist. Aber es bestätigt das Bild: "Powerplay" ist keine konventionelle fiktionale Serie, sondern spielt auch immer mit dem Anarchischen. Genau das wollte Headautor Johan Fasting erreichen, sagt er im Begleitmaterial zur Serie. 

Fortsetzung folgt...

Dass eine zweite Staffel mit sechs weiteren Folgen, die ebenfalls noch 2024 veröffentlicht werden sollen, bereits fixiert ist, ist eine gute Entscheidung. Die Serie endet nämlich ausgerechnet auf dem vermeintlichen Zwischen-Höhepunkt von Gro Harlem Brundtland, aber erst in der Zukunft erhält sie tatsächlich Macht, um Dinge zu verändern. Insofern wird es spannend, ob die Macherinnen und Macher dann auch mal Kritik an der Politikerin üben und sie auch Fehler machen lassen. In Staffel eins war Gro Harlem Brundtland nämlich stets die Unfehlbare, die immer den Durchblick hatte und die sich nach oben kämpfte. 

"Powerplay" ist geradezu ein Parade-Beispiel für eine öffentlich-rechtliche Serie. Sie vermittelt den Zuschauerinnen und Zuschauern ein Kapitel europäische Politik, von denen sie bislang vermutlich noch nicht oder nur unzureichend gehört haben. Das alles ist spannend und oft auch ungewöhnlich erzählt, insofern ist die Idee der FabFiction-Initiative hier voll aufgegangen. Angela Merkel spielt in der Serie selbstredend keine Rolle. Dass die Verantwortlichen des NDR aber immer wieder auf die Parallelen zwischen Merkel und Brundtland hinweisen, zeigt vor allem zwei Dinge: Das Standing von Brundtland in Norwegen. Und die Tatsache, dass man sich beim Sender wohl schon intensiv Gedanken darüber macht, wie man die Karriere der deutschen Bundeskanzlerin verfilmen kann. "Powerplay - Smart Girls Go For President" ist ein gutes Beispiel dafür, wie man es richtig macht. 

"Powerplay - Smart Girls Go For President" ist ab dem 2. Januar an drei aufeinanderfolgenden Tagen im NDR Fernsehen ab ca. 22:30 Uhr zu sehen. Alle sechs Folgen stehen bereits jetzt in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit.