Wenn jemand in Deutschland weiß, wie gute Anwaltsserien auszusehen haben, dann ist es Marc Terjung. Mit "Edel & Starck" und "Danni Lowinski" gelang es ihm in der Vergangenheit schon zwei Mal, Serien in diesem durchaus anspruchsvollen Genre zu entwickeln, die bei Publikum und Kritikern gleichermaßen einen bleibenden Eindruck hinterließen. Gut möglich, dass nun die dritte folgt.

"Mandat für Mai", so der Titel seines neuesten Projekts, das er gemeinsam mit Hille Norden schrieb, ist gewiss ein heißer Kandidat für einen weiteren Erfolg in Terjungs Hitliste. Ähnlich wie die beiden Sat.1-Serien setzt auch der ZDF-Neustart auf ungewöhnliche Figurenkonstellationen und kombiniert diese mit klug erdachten Fällen. Dass man sich anfangs in einem kitschigen "Herzkino"-Film wähnt, weil das Setting provinziell und die Anmutung freundlich ist, erweist sich glücklicherweise als falsche Fährte, denn schnell wird klar, dass "Mandat für Mai" nichts gemein hat mit einer triefenden Schmonzette.

Im Zentrum der Serie steht die Anwältin Maria Gardner (Julia Hartmann), die von allen nur Mai genannt wird. Für ein Mandat verschlägt es sie von Berlin ins sächsische Vogtland, wo sie nicht lange braucht, um auf gleichermaßen eigenwillige wie herzliche Menschen zu treffen. Dass hier kaum jemand auf die Großstädterin gewartet hat, muss sie zwar schnell erfahren – und bleibt dennoch zur allgemeinen Überraschung im Vogtland, weil ihr Privatleben, vorsichtig formulier, ziemlich kompliziert ist. Kurze Rückblenden lassen erahnen, dass der Umzug in die Provinz in erster Linie eine Flucht vor ihrem gewalttätigen Lebensgefährten Bo (Kai Schumann) ist. Dass Mais Sohn Khaleb (Jashan Gupta) gleichwohl unter der Trennung leidet, macht den Neustart keineswegs leichter.

Mandat für Mai © ZDF/Anke Neugebauer Kaleb (Jashan Gupta) ist überhaupt nicht mit Mais (Julia Hartmann) Idee einverstanden, dass sie nun beide im Vogtland leben sollen.

Julia Hartmann erweist sich als Idealbesetzung, weil sie ihrer titelgebenden Figur nicht nur Tiefgang verleiht, sondern man ihr im Verlauf der kurzen Staffel auch ansehen kann, wie sie in der neuen, ungewohnten Umgebung zunehmend auftaut. Dabei kommt es der Handlung zugute, dass "Mandat für Mai" in einem weitgehend in sich geschlossenen Serienkosmos spielt, in dem die Einwohner des kleinen Vogtland-Dorfs keineswegs bloß zu Statisten verkommen. Vielmehr haben Marc Terjung und Hille Norden all die Figuren, auf die Mai Gardner hier trifft, vom Bürgermeister bis hin zum Dorfpfarrer, sorgsam ausgearbeitet und mit feinen charakterlichen Details versehen. Diese kommen ganz besonders dann zum Tragen, wenn die großen und kleinen Streitereien in schöner Regelmäßigkeit im "Dorfkrug" ausdiskutiert werden.

Tatsächlich sind es oft gar nicht die klassischen Anwaltsfälle, mit denen es Mai zu tun bekommt, sondern Auseinandersetzungen, für deren Schlichtung es vor allem Herz und Empathie bedarf. Auf diese Weise ist es dann auch möglich, dass das ZDF eine Anwaltsserie zeigt, die sich frei macht von den erwartbaren Auseinandersetzungen vor Gericht. Ohnehin lebt "Mandat für Mai" von vielen überraschenden Wendungen, die die Fälle nehmen – und schafft es gleichzeitig, trotz des humorvollen Zugangs, eine bemerkenswerte Vielschichtigkeit zu entwickeln. Auf dem schmalen Grat zwischen Lachen und Weinen trifft die Serie meist den richtigen Ton.

Zehn Jahre nach "Danni Lowinski" ist Marc Terjung also wieder ein echter Glücksgriff gelungen, der das Legal-Drama-Genre um eine sehenswerte Facette bereichert. Man kann nur hoffen, dass es nicht bei den sechs Folgen bleiben wird.

"Mandat für Mai" läuft donnerstags um 20:15 Uhr in Doppelfolgen im ZDF. In der ZDF-Mediathek steht bereits die gesamte erste Staffel zum Abruf bereit.