Herr Coridaß, wird derjenige, der bei der MIPTV in Cannes nach dem Messe-Highlight sucht, bei ZDF Enterprises fündig?

Er wird sogar mehrere Highlights finden bei uns. Wir bringen ein Angebot mit nach Cannes, auf das ich sehr stolz bin. Wir haben in der Fiktion "Blochin", das bei der Berlinale Premiere gefeiert hat und dort schon eine große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Dann haben wir "The Team", das im ZDF - wie auch in allen anderen europäischen Ländern, wo es bisher schon zu sehen war - super gelaufen ist und "Blue Eyes", eine schwedische Produktion, die auch im Serien-Special der Berlinale zu sehen war. Und natürlich haben wir neue Folgen von bewährten fiktionalen Serien im Gepäck. Drama ist das wichtigste Segment für uns, aber wir haben auch Programme aus den Bereichen Entertainment, Factual und Junior im Gepäck.

Also bleibt die Drama-Serie auch bei der MIPTV 2015 das Genre der Stunde?

Genau, wobei ich das Thema jetzt aus dem Blickwinkel des Distributoren betrachte. Sender und Produzenten dürften da andere Ansichten haben, wobei ich aber mal allen unterstelle, dass sie grundsätzlich Interesse an hochwertigem Content haben. Eine Serie ist das, was man als Distributor gerne verkauft. Natürlich sind Einzelstücke gerade aus Deutschland besonders hochwertig und wir vernachlässigen das auch in keinster Weise. Gerade erst haben wir ein größeres Fernsehfilmpaket nach Spanien verkauft. Aber das Volumen eines Verkaufs ist bei einer Serie natürlich ungleich höher.

Passt sich da der deutsche bzw. europäische Markt ein Stück weit der internationalen Nachfrage an?

Widerspruch Euer Ehren. In aller Bescheidenheit: unter den Europäern waren es die deutschen Produktionen, die sich seit Jahrzehnten international verkaufen und mancher Klassiker verkauft sich heute noch gut. Damit meine ich nicht nur legendäre Serien des ZDF, sondern auch Serien der Konkurrenz wie "Kommissar Rex" oder "Alarm für Cobra 11". Serien-Hits made in Germany gab es immer schon. Ich weiß aber genau, worauf Sie mit Ihrer Frage hinaus wollen - was auch völlig legitim ist. Ja, eine gewisse Art von Serien gab es in Deutschland bislang nur sehr eingeschränkt, um es vorsichtig zu formulieren. Also Serien von der Qualität des Scandinavian Noir - ein Genre, dass wir als ZDF bzw. ZDF Enterprises übrigens sowohl national als auch international erst groß gemacht haben. Jetzt wollen wir das mit neuen deutschen Serien wiederholen.

Warum eigentlich neue deutsche Serien?

Guter Punkt. Wenn wir von Vorabend-Serien oder mancher Primetime-Serie reden, dann gibt es um diese Produktionen zwar keinen Hype und nur selten journalistischen Abhandlungen von Ihnen oder anderen Journalisten, aber wir reden hier von Serien mit einem großen Millionen-Publikum, die sich seit vielen Jahren auch international verkaufen. Das sind nur nicht die Produktionen, die "talk of the town" werden. Und an einem deutschen Beitrag in diesem Segment wollen wir arbeiten. Wie andere deutsche Produzenten und Distributoren ja auch, wenn ich an "Weinberg", "Babylon Berlin" oder "Deutschland 83" denke.

Würden Sie sagen, dass sich deutsches Fernsehen hin und wieder unter Wert verkauft?

Ein solides, konventionelles Mainstream-TV-Produkt wird von Ihrer Zunft und damit in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit oft missachtet. Es ist aber unbestreitbar das Ergebnis von guter Kunst und gutem Handwerk, wenn eine sehr ordentliche Serie am Vorabend ein großes Millionenpublikum erreicht. Das ist TV-Qualität, die sich international sehen lassen kann. Den Respekt vermisse ich manchmal. Ich rede hier nicht vom Geschmack. Darüber lässt sich bekanntlich immer streiten.

Aber die Qualität deutscher Serien beklagen auch Autoren und andere Fernsehschaffende. Haben wir ja beide bei einer Panel-Diskussion während der Berlinale erlebt. Das ist kein Phänomen der mangelnden Berichterstattung.

Da haben Sie Recht - und ich wundere mich auch jedes Mal, wenn Fernsehschaffende bei uns in Deutschland so abfällig über die Arbeit ihrer eigenen Kollegen reden, die damit Woche für Woche ein Millionenpublikum erreichen. Auch wenn ich mich wiederhole: Da fehlt mir der Respekt. Den kann man haben - und trotzdem gleichzeitig fordern, dass wir auch neue, andere Serien brauchen. Wir müssen akzeptieren, dass es im Seriensegment mehrere Disziplinen gibt.

In einer Disziplin sind wir stark, in der anderen gilt es noch zu trainieren.

So könnte man es sagen. Wir wollen aus Lust am Erzählen und auch aus Prestige-Gründen mehr wagen. Es gab immer schon mal tolle Projekte, wenn Sie an "KDD" im ZDF denken oder "Im Angesicht des Verbrechens" in der ARD. Aber da wollen wir mehr und haben mit "Blochin" oder "The Team" schon spannende Serien im Portfolio. Auch "Schuld", wenn auch nicht bei uns im Vertrieb, war großartig. Und am Vorabend? "Dr. Klein" oder "Bettys Diagnose" - auch schon nicht die gewöhnliche Vorabendkost. Hoffen wir nur, dass das eingeforderte Wagnis den Mutigen, die es eingehen, nicht gleich um die Ohren gehauen wird, wenn das nicht auf Anhieb klappen sollte.