Frau Mouseler, fangen wir mit einer naheliegenden Frage an: GIbt es einen neuen Trend im globalen Formatgeschäft?

Der neue Trend ist Altbekanntes - was neu aufgelegt wird. Die Verwertung von gut bekannten und langlaufenden TV-Formaten hält an und wird immer größer. Deutschland war in diesem Bereich ja besonders aktiv und hat so viele Kultshows neu aufgelegt. 

Spiegelt sich das auch international in den meist adaptierten Formaten in den vergangenen Monaten wider?

Die international aktivsten TV-Formate in den vergangenen sechs Monaten, inklusive neuer Adaptionen, waren Klassiker: „Dancing with the Stars“, „Masterchef“, „Iron Chef“ und „The Masked Singer“. 

Ein zuletzt sehr gefragtes Genre war Reality-TV…

Reality-TV läuft weiter super, das ist die einzige starke Alternative zu Serien auf Streaming-Plattformen. Es liefert Storytelling für jüngere Zielgruppen, aber in „echt“, was es günstiger macht. 

Die Streamingdienste entdecken damit auch das Formatgeschäft für sich…

Ja, wie gesagt, sie investierten zuerst in Dating für die Soap/Storytelling-Dimension, die auch weniger riskant ist als Reality-Competitions, wo das Aufrechterhalten von Spannung elementar ist. Aber jetzt hat Netflix kürzlich die neue Adaption des zwanzig Jahre alten Reality-Formats „The Mole“ in vielen Ländern gelauncht. Aber wird es auch von einer neuen Generation geschaut? Man kann also über die Strategie der Strammer im Reality-Genre nur rätseln: Kommen da auch neue Gamechanger oder bedient man sich hier nur bei Neuauflagen linearer TV-Ideen?

Gibt es denn in diesem Jahr kleinere Trends oder Trendthemen zu beobachten, die sich über mehrere Formate hinweg beobachten lassen?

Ich würde sagen, Dating in Gruppen! Im Freundeskreis, mit der Familie oder Ex-Freundinnen und -Freunden. Das bringt nochmal mehr Spaß ins Genre Reality. Ein anderer Reality-Trend neben Dating wären strategische Formate, in denen es um das Eliminieren statt Daten geht. Wenn es um Verräter, Maulwürfe etc. geht.

Die Studio-Show tut sich seit einigen Jahren international schwerer. Gibt es da neue Impulse?

Nein nicht wirklich. Gefragte Ideen müssen gerade vorrangig simpel und besonders visuell sein. Daher basieren neue Konzepte oft auf dem Studioset. Eine Wand, ein Rad, ein LED-Boden. Die Innovationen stecken gerade mehr im Visuellen als im Inhalt.

Spielen Castingshows noch eine Rolle?

Sie haben Recht, es gibt keine neuen Formate in diesem Genre, aber „The Voice“ und andere sind immer noch große Shows mit starken Einschaltquoten in vielen Märkten. Das ist unverändert gute Famlienunterhaltung. Es geht aber inzwischen natürlich mehr darum, den Wettbewerb zu erzählen als tatsächlich den nächsten Star zu finden. 

Wie steht es ums Factual Entertainment?

Das dominierende Thema ist die Veränderung von Lebensumständen. Aus dem Hamsterrad ausbrechen und seine Träume leben, noch einmal neu starten, z.B. auf dem Land. Erzählt in Form von sozialen Experimenten, die Menschen das Leben unter anderen Umständen und Bedingungen ausprobieren lassen.

Daytime-Fernsehen ist unter Druck, seit das Publikum zu jeder Tageszeit im Streaming Primetime-Produktionen abrufen kann. Welche Perspektive hat Daytime-TV?

In der Tat wird gerade weniger in die Daytime investiert, aber das Tagesprogramm bleibt großartig um die Hauptzielgruppe des linearen Fernsehens zu erreichen: ältere Menschen. Da spielt die Konkurrenz durch Plattformen auch eine kleinere Rolle. Werbekunden erzielen hier gute Wirkung. In der Primetime hingegen muss das lineare Fernsehen viel stärker und teurer darum kämpfen, junge Zielgruppen zu erreichen. Daher ist die Daytime kein schlechtes Geschäft für klassische Broadcaster: Hier gibt es mit weniger Programminvestition und weniger Wettbewerb stabile Reichweite und gute Umsätze.

Frau Mouseler, herzlichen Dank.

Am Montag um 13.15 Uhr präsentiert Virginia Mouseler im Grand Auditorium des Palais des Festivals "Fresh TV Formats" und am Mittwoch um 13.00 Uhr an gleicher Stelle "Fresh TV Fiction".