Nachdem die Klassenfahrt nach Cannes durch das Aus für die MIPTV in diesem Frühjahr ausgefallen war und stattdessen London auf dem Plan stand, trifft sich die TV- und Video-Branche in den nächsten Tagen nun wieder an der Côte d’Azur. Das Wetter ist bestens – und die Stimmung? Nun, kommt ganz drauf an, mit wem man sich unterhält. Da wären zum Einen die traditionellen Medienkonzerne und die auf sie ausgerichteten Produktionsfirmen, die sich im Wesentlichen vor der gleichen Situation befinden wie ein Jahr zuvor.

Die Hoffnung auf eine Erholung der TV-Werbemärkte hat sich ein weiteres Jahr lang nicht erfüllt – und weil auch die öffentlich-rechtlichen Systeme weltweit unter Druck stehen, gehen auch von dieser Seite nur wenig neue Impulse für den Produktionsmarkt aus. Stattdessen stehen auf Sender- und Plattformseite ebenso wie in der Produktionslandschaft die Zeichen auf Konsolidierung und Konzentration, egal in welchen Markt man blickt. In Deutschland will bekanntlich RTL Sky übernehmen, während ProSiebenSat.1 nun endgültig Teil von MFE ist, das wiederum mit Portugal schon das nächste Land ins Visier genommen hat.

Endgültig bizarr wird‘s beim Blick in die USA, wo Paramount noch vor der endgültigen Umsetzung der Skydance-Übernahme, die nach einem sehr holprigen Weg nur mit fragwürdigen Zugeständnissen und Zahlungen an die Trump-Administration über die Ziellinie gebracht werden konnte, schon Interesse an Warner Bros. Discovery nachgesagt wird. Also dem Konzern, der seinerseits wenige Jahre nach der Fusion von Warner und Discovery schon wieder vor der Aufspaltung in Warner und Discovery steht. All das zeigt vor allem, wie sehr die alten Player unter Druck stehen und wie kurz die Halbwertszeit ausgerufener Strategien inzwischen geworden ist.

Dabei sind die größten Konkurrenten selbst auf dem großen Bildschirm inzwischen nicht mal mehr Streamingdienste wie Netflix oder Prime Video, die mit der klassischen Beauftragung von Filmen, Serien, von Dokus und Live-Übertragungen, im Wesentlichen ein ähnliches Spiel spielen wie klassische Medien-Konzerne. In den USA entfällt Messungen von Nielsen zufolge inzwischen der größte Anteil der Bildschirmzeit stattdessen inzwischen auf YouTube, während auf mobilen Endgeräten TikTok und Co. immer mehr Zeit fressen. Hier funktioniert das Geschäft nach ganz anderen Regeln.

Und damit wären wir dort angelangt, wo die Stimmung trotz des schwierigen makroökonomischen Umfelds geradezu euphorisch ist. Die Creator Economy wächst und boomt, neue Produktionsfirmen entstehen in diesem Umfeld und wollen die Möglichkeiten nutzen, die YouTube und andere Tech-Plattformen als weltweite Plattform ohne Gatekeeper bieten. Hier herrscht noch Aufbruchstimmung, hier ist man noch in Investitionslaune - auch wenn in vielen Fällen der Beweis eines nachhaltigen Geschäftsmodells, das dauerhaft ohne Burnout für die Creator umsetzbar ist, noch erbracht werden muss.

Dass YouTube in diesem Jahr nun erstmals einen großen Aufschlag auf der Fernsehmesse MIPCOM hat, kommt jedenfalls nicht von ungefähr. Angesichts der immer größer werdenden Bildschirm-Zeit selbst am großen Screen, die auf YouTube entfällt, müssen auch klassische Sender und Streamer ebenso wie Distributoren und die großen Produktionsstudios ihr Verhältnis zu der Video-Plattform von Google-Mutter Alphabet aktuell mal wieder neu bestimmen und justieren. Sicher ist: Arrangieren müssen sich alle mit der neuen Situation - und sie im besten Fall auch als Chance begreifen. Vielleicht schwappt ein bisschen Aufbruchstimmung dann ja auch wieder auf die krisengeplagten Konzerne über.

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