Neben der fiktionalen Unterhaltung wollen Sie künftig auch den Markt der non-fiktionalen Unterhaltung bedienen und haben gerade eine neue Beteiligung gegründet: Die Seapoint Productions…

Stefan Oelze möchte das tun, und ich halte sehr viel von ihm. Deswegen hat es mich interessiert, ihn dabei zu begleiten, als er mir die Idee vorstellte. Aufbauen muss er das selber. Es ist meine feste Überzeugung: Wenn man im Handel tätig ist, was wir mit der Programmdistribution sind, gibt es tausend gute Gründe, möglichst nah an der Produktion dran zu sein oder sie auch gleich selbst zu übernehmen. Aber ich beanspruche nicht zu wissen, wie eine Produktionsfirma mit ihren kreativen Prozessen zu funktionieren hat. Das überlasse ich in diesem Fall Stefan Oelze. Wir bringen da nur Ideen und Gedanken ein und wollen die Möglichkeiten bieten, die dort entstehenden TV-Ideen zu vertreiben. Und wir sind damit näher dran an einem Markt, der sich viel schneller dreht als der fiktionale, weil die Produktionszeiten kürzer sind.

Für die Distribution scheinen sie derzeit spanische Produktionen für sich zu entdecken. Nach „Grand Hotel“ zeigen Sie auf der diesjährigen MIPTV als Highlight die Serie „Velvet“. Wurde der spanische Markt so lange übersehen oder hat sich die Qualität der spanischen Produktionen so gesteigert?

Es gibt auch noch eine weitere, hochspannende Serie aus Spanien: „Red Band Society“ bzw. „Polseres Vermelles“, so der spanische Titel. Es handelt über eine Krebsstation in einem Kinderkrankenhaus und ist eine spannende, unterhaltsame Serie, die einen dabei jedoch nicht runterzieht. Steven Spielberg hat sich die Rechte für ein US-Remake gesichert.

Aber woran liegt denn das plötzliche Interesse am spanischen Markt?

Das kommt nicht so plötzlich. Der internationale Appetit auf Serienware aus nicht-englischsprachigen Ländern war nur noch nie so groß wie heute. In Spanien erleben wir gerade, was Skandinavien vor ein paar Jahren erlebt hat: Produzenten, die sich danach sehnen, auch international mitzuspielen. Die Wirtschaftskrise hat das indirekt befeuert, weil man Besonderes demonstrieren will, um wieder wer zu sein und Spanien in diesem Markt wieder nach vorn zu bringen. Jede Krise birgt also auch eine Chance, wie man so sagt. Dem spanischen Fernsehen hat das geholfen. Dieser Ehrgeiz ist bei einigen deutschen Produktionen doch leider gar nicht existent.

War der deutsche Markt sich zu lange einfach selbst genug?

Insgesamt könnte man das vielleicht so sagen: Man hat Programm gemacht, um das eigene Programmschema zu füllen. Das wurde gut gemacht, aber darüber hinaus gab es dann keine Ziele. Wobei die Öffentlich-Rechtlichen doch immer wieder mal an der internationalen Wirkung ihrer Programme interessiert waren. Koproduktionen waren bei ihnen stets ein Thema und spielten je nach Programmverantwortlichem mal eine größere, mal eine kleinere Rolle. Da ging es immer auch ein bisschen um den europäischen Gedanken. Die kommerziellen Sender haben sich stärker nach amerikanischen Vorbildern ausgerichtet und viel zu lange und immer noch zu viel einfach nur in den USA eingekauft.

Aber ich finde nicht, dass man dem deutschen Fernsehen vorwerfen kann, ein abgeschotteter Raum zu sein. Wenn man das jemandem vorwerfen kann, dann dem französischen Fernsehen, das wie das französische Kino auch über viele Jahre unter einer Glocke stattfand. Eine Glocke, aus der nichts raus, aber auch nichts rein drang. Deswegen traf es die französische Produktionslandschaft plötzlich so hart, als der Zuschauer durch technische Möglichkeiten Zugriff auf bessere Produktionen aus dem Ausland bekam. So hart hat es den deutschen Markt nicht getroffen.

Gibt es denn über Spanien hinaus gerade Märkte, die Sie als besonders spannend erachten?

Wir denken nicht in Märkten, sondern tatsächlich in einzelnen Produktionen. Und die lassen sich überall finden. HBO Europe hat in Tschechien mit „Burning Bush“ Großartiges produziert. Es lief ja gerade letzte Woche auch auf Arte. Und aus Australien kommt zum Beispiel die junge, charmante Serie „Wonderland“, die wir auch auf der MIPTV präsentieren. Ein paar Jahre zuvor war Kanada sehr gefragt und aus Italien kommt jetzt unsere Koproduktion „Gomorrah“, die in Deutschland bei Sky zu sehen sein wird. Ach überhaupt: In Italien wurden ja die großen TV-Events geboren. Aber das war zu einer Zeit, bei der Sie nicht mal auf der Welt waren. Man muss einfach mit offenen Augen durch die Welt gehen. Was ich hasse, wo ich wirklich böse oder grantig werde, um es mal bayerisch zu sagen, ist, wenn Menschen vorher schon alles wissen wollen. Ich kann gutes Fernsehen nur entdecken, wenn ich es erst einmal geschaut habe. Und wenn wir gerade feststellen, dass sich auch deutsche Sender plötzlich für nicht-englischsprachige Produktionen interessieren, dann zeigt das doch Folgendes: Viele haben viel zu lange über Fernsehen aus anderen Ländern geurteilt, das sie gar nicht kannten.

Die MIPTV steht vor der Tür. Eine Frage noch dazu: Welche Stimmung herrscht im Markt? Welche Stimmung erwarten Sie in Cannes?

Die Märkte in Cannes sind ja nicht die einzigen Momente, in denen wir die Stimmung des Marktes spüren. Schließlich sind wir das ganze Jahr über mit unseren Kunden in Kontakt. Festzustellen ist ein weiterhin überaus großes Interesse an neuen Produkten. Da gab es schon schlechtere Zeiten. Daher erwarte ich für die MIPTV eine sehr positive und offene Stimmung. Dennoch sind frühere Zeiten, in denen alles ging und nichts unmöglich war, vorbei. Diese wilden Jahre hat Cannes hinter sich.

Herr Mojto, herzlichen Dank für das Gespräch.