Frau Garaude, was sind die größten Themen der MIPTV in den kommenden Tagen?

Es gibt auch in diesem Jahr wieder viele Themen, die die Branche bewegen aber ein ganz großes  bleibt natürlich die Serien. Das Thema ist in diesem Jahr bei der MIPTV größer als je zuvor, direkt am Sonntag schon mit unseren überarbeiteten MIPdrama Screenings.

Was wurde überarbeitet?

Wir haben diesen zusätzlichen Tag mit Screenings von zwölf Produktionen im vergangenen Jahr schon sehr erfolgreich eingeführt. Wir konnten 450 Besucher registrieren, 350 davon waren Einkäufer. In diesem Jahr sind es erneut zwölf Produktionen, allerdings haben wir auf Anregung der Besucher diesmal unterschieden in „Work in Progress“ mit Trailern aus den Produktionen und sechs Produktionen, die mit ihrer fertigen Pilotfolge antreten. Wir sind damit dem Wunsch der Einkäufer nachgekommen, ganze Episoden zu sehen, wo immer das möglich ist. Und gleichzeitig den frischen Werkstattblick beizubehalten. Wir erwarten für die MIPdrama Screenings etwa 700 Besucher in diesem Jahr. Dafür sind wir dann auch ins Grand Auditorium im Palais umgezogen.



Also bleibt HighEnd-Drama das dominierende Thema aus Ihrer Sicht?

Wir haben in diesem Jahr auch einen neuen Wettbewerb für Digital Short Form Drama und Digital Short Form Animation, weil wir trotz der Freude über HighEnd-Drama auch die sehr dynamischen Entwicklungen bei Short Form Content nicht außer Acht lassen wollen. Eine der Keynotes in den nächsten Tagen hält Ivana Kirkbridge von G90 (Verizon). Dort sucht man gerade nach Short Form Content. Dann haben wir natürlich auch wieder unsere DigitalFronts im Programm, bei denen am Dienstag und Mittwoch MCNs ihre Neuheiten präsentieren. Dieser breite Blick auf Kreativität in allen Formen passt zum Motto der diesjährigen MIPTV: „The New Frontiers of Storytelling“. Statt Kämpfe der Vergangenheit fortzusetzen zwischen TV und Digital, wird deutlich: Viele Kreative sind im Storytelling vereint, nur die Umsetzung erfolgt im immer größeren Spektrum.

Die MIPdrama Screenings waren im vergangenen Jahr eine Ergänzung. Und ab 2018 soll es parallel zur Messe noch ein TV-Festival geben, wurde angekündigt.

Das ist richtig. Die Details dazu werden am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz der MIPTV vorgestellt. Dem kann ich an dieser Stelle nicht vorgreifen. Das ist eine Initiative, die von der Stadt  Cannes ausgeht, mit denen wir natürlich ohnehin schon immer sehr eng zusammenarbeiten.

Neben der Fiktion: Was ist für Sie 2017 darüber hinaus Trend?

Wir haben das nicht zu entscheiden, aber wollen abbilden, was die Branche beschäftigt. Wir führen daher in diesem Jahr einen Leadership-Summit für Virtual Reality ein. Wir bringen die Pioniere dieser Technik zusammen und wollen in Cannes einen regelmäßigen Austausch zu dieser aufregenden neuen Möglichkeit Geschichten zu erzählen, Marken zu integrieren und Content zu produzieren. Aus der Faszination wird ein Geschäft und wir bieten die Plattform für alle Marktteilnehmer, sich darüber auszutauschen.

Welche Rolle spielt die deutsche Branche für die MIPTV?

Sie spielt wie auch schon in all den Jahren zuvor eine sehr wichtige Rolle. Deutschland liegt seit Jahren, gemessen an der Teilnehmerzahl bei MIPTV, auf dem vierten Platz. Was sich in den letzten Jahren verändert hat, ist der höhere Output des deutschen Marktes im Segment der Highend-Serien. Wir haben natürlich auch wieder deutsche Beiträge bei den MIPdrama Screenings sowie den International Screenings während der MIPTV.  Und ich freue mich sehr, dass Alexander Coridaß von ZDFenterprises in diesem Jahr einer der Preisträger der Medaille d’Honneur ist und am Mittwochabend geehrt wird.

Im Zeitalter von Streaming und permanenter Verfügbarkeit aller Informationen: Was für einen Mehrwert hat eine Fernsehmesse wie die MIPTV?

Es gibt so viele gute Gründe Cannes zu besuchen. Sie haben Recht, wir können heute fast alles online streamen. Aber haben Sie die Zeit dazu? Die MIPTV holt aus dem Arbeitsalltag raus und bündelt die Aufmerksamkeit der Branche. Aber entscheidend ist sicherlich das persönliche Gespräch: Egal ob in vereinbarten Terminen, den zahlreichen Veranstaltungen oder in diesem Jahr auch ganz neuen Networking-Gelegenheiten. Wir haben bewusst neue Chancen geschaffen, um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, die sich noch nicht kannten. MeetUps nennen wir das. Die Qualität eines direkten Austauschs von Angesicht zu Angesicht ist weiterhin eine ganz andere, trotz aller digitalen Möglichkeiten. So wie unser Gespräch ja auch. Nichts geht doch nach dem Messetag über den abendlichen Spaziergang durch die Straßen von Cannes oder entlang der Croisette. Eine Begegnung, ein Mittagessen oder ein Drink am Abend kann in Cannes Karrieren ändern.

Wer noch nie nach Cannes gefahren ist, fragt manchmal nach dem Unterschied zwischen MIPTV und MIPCOM. Sind das schlicht Frühjahr- und Herbst-Edition? Oder sehen sie die beiden Messen unterschiedlich positioniert?

Beides ist richtig. Ja, MIPTV und MIPCOM sind im Grunde die Frühjahr- und Herbst-Edition der gleichen Messe. Beide bringen die globale Entertainment-Branche zusammen. Aber es gibt Spezialisierungen: Am Wochenende vor der MIPTV im Frühjahr gibt es mit MIPformats und MIPdoc zwei spezielle Konferenzen sowie besagte MIPdrama Screenings. Außerdem haben wir im Frühjahr stets einen besonderen Blick auf Innovationen, z.B. mit den Digital Fronts. Im Herbst haben wir zur MIPCOM die MIPjunior und eine Messe voller Highlights der gerade gestarteten TV-Saison.

Man merkt das Engagement bei der MIPTV. Ein Ausbau und neue Anreize waren ja auch nötig nachdem einige US-Marktteilnehmer sich auf den Herbst fokussieren und die MIPTV auslassen.

Es freut mich, wenn unsere Bemühungen wahrgenommen werden.

Aber was sagen Sie Messebesuchern, die den Entschluss fassen, sich die MIPTV künftig sparen zu wollen?

Zunächst einmal ist ja jeder frei in der Entscheidung, was er tun möchte oder nicht. Wie gesagt: Wir arbeiten an der MIPTV und auch wenn sie nicht so groß ist wie die MIPCOM im Herbst, bleibt sie für die Branche zu dieser Jahreszeit der weltweit führende Event mit mehr als 11.000 Besuchern. Nicht dass da ein falscher Eindruck entsteht: Es gibt abgesehen von der MIPCOM sonst keine Veranstaltung mit mehr Besuchern. Meine persönliche Meinung dazu: Die Branche entwickelt sich so schnell und immer schneller. Da muss man es sich schon leisten können, die MIPTV zu verpassen. Und sie würden ja auch Cannes verpassen.

Frau Garaude, herzlichen Dank für das Gespräch.