Wenn im Doku-Bereich zuletzt so etwas wie ein globaler Trend ausgemacht werden konnte, dann war es ganz sicher True Crime. Die Netflix-Reihe "Making a Murderer" ist noch immer in aller Munde und gilt – bei aller Kritik – für viele Beobachter als Inbegriff dieses Genres, das echte Kriminalfälle in den Mittelpunkt stellt. Patrick Hörl, Geschäftsführer des Doku-Spezialisten Autentic, sieht den Trend inzwischen jedoch abgeebbt. "Da ist die Karawane in der Zwischenzeit weitergezogen", sagte er in Cannes im Gespräch mit DWDL.de.

Doch auch wenn True Crime in diesem Jahr auf der Fernsehmesse in Cannes nicht mehr derart präsent zu sein scheint wie noch vor einem Jahr, so zeigen sich doch an manchen Stellen die Auswirkungen des Netflix-Hits. Ein Beispiel ist die sehr sehenswerte erste Staffel von "American Crime Story", die sich ausführlich mit dem Fall O.J. Simpson beschäftigt und gleichermaßen zum Zuschauer- wie Kritiker-Liebling avancierte. 

Das ist nicht selbst verständlich, schließlich standen die Macher vor der schweren Aufgabe, Spannung zu erzeugen, obwohl man als Zuschauer im Vorfeld bereits wusste, wie die Geschichte endet. Es ist ein Experiment, das ganz sicher gelungen ist. Quasi nebenbei zeigt die Simpson-Story recht beeindruckend, dass die Grenzen der Genres mehr und mehr verschwinden, schließlich lässt sich True Crime auf mannigfaltige Weise umsetzen – also nicht nur in Form einer klassischen Doku. Selbst die Macher von Factual-Entertainment-Formaten haben den Reiz echter Kriminalfälle mittlerweile für sich entdeckt, wie sich in diesen Tagen auf der MIPdoc und der MIPformates in Cannes gut beobachten lässt.

So stammt aus den Niederlanden das Format "Murder or Suicide", das es sich zur Aufgabe gemacht hat, rätsel- und zweifelhafte Selbstmorde zu untersuchen – in der Hoffnung, dadurch noch einmal neue Ermittlungen anzustoßen. Einen anderen Weg schlägt das aus Israel stammende Format "Sins of the Father" ein, das vor allem aus psychologischer Sicht spannend ist. Im Mittelpunkt stehen nämlich die Töchter und Söhne eines Kriminellen – für die Sendung nehmen sie nun allen Mut zusammen, um ihn wieder zu sehen.


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Während sich die Unterhaltung zumindest in Teilen an Dokumentationen orientiert, werden viele Dokumentationen im Gegenzug unterhaltender. Der Sender National Geographic, der sich bislang auf die Produktionen von Dokumentationen konzentrierte, wagt sich neuerdings sogar in den Fiction-Bereich vor: "Genius" nennt sich die Dramaserie, die die Geschichte des fantasievollen, rebellischen und genialen Physikers Albert Einstein erzählt, der ungeeignet für einen Lehrauftrag schien, aber eines der größten Mysterien des Universums entschlüsselte. 

Hamish Mykura , EVP Programming and Development bei National Geographic Global Networks, sprach in diesem Zusammenhang auf der MIPdoc von einer "Premium-Strategie", die sein Haus einschlagen will. Tatsächlich mangelt es dieser Tage mit Blick auf den Dokumentationsbereich nicht an hochwertigen Produktionen – und daran hat eben auch ein vergleichsweise neuer Player wie Netflix, der weiter erstaunlich große Summen in Hochglanz-Dokus investiert, einen Anteil. Und wer weiß: Vielleicht ist das nächste "Making a Murderer" und damit der nächste große Trend ja schon bald in Sicht.