Erklärt vielleicht auch, warum sich Daytime-Gameshows lange so schwer getan haben. Die sind natürlich günstiger als Primetime-Events, aber galten bzw. gelten deutschen Sendern dann als zu billig, dabei haben die Briten ja durchaus auch viele Gameshows im Tagesprogramm…

Rob Clark: Gameshows sind in Europa ein vergleichsweise junges Genre, zumindest in der Daytime. Das ist ein amerikanisches Genre. In Großbritannien sind es nicht die Gameshows, wir haben fast ausschließlich Quizshows. Ein gänzlich anderes Genre. Kurz erklärt: Dort geht es um Glück, hier um Leistung. Britische Quizshows sind wirklich klein und oft speziell. Jeder glaubt, er hätte das neue „Who wants to be a millionaire?“ gefunden bis ich ihn daran erinnere, dass das Format damals nicht nachmittags um 14.30 Uhr bei BBC One gestartet wurde. Aber es muss ja nicht das ganz große Ding werden. Das Schöne ist doch, dass der Markt sich so fragmentiert hat, dass es für jedes Publikum und jeden Sender bzw. jede Plattform ein anderes, passendes Format geben kann. Es kämpfen nicht mehr alle zwingenderweise um die gleichen Formate. Und dank der neuen Vielzahl von Plattformen, die nach Eigenproduktionen suchen, hat sich auch für „X Factor“ die Chance ergeben, bei Sky Deutschland wieder zurückzukehren.

Haben die jüngsten Gameshows in der US-Primetime dem Genre international nochmal einen Schub gegeben?

Rob Clark: Natürlich! Wir freuen uns, dass FremantleMedia dort auch mitgeholfen hat. In Zeiten in denen Du in der US-Primetime 30 Millionen erreichen musstest, waren Gameshows kein Thema. Aber inzwischen sind fünf Millionen eine ganz gute Reichweite, solange genügend junge Menschen schauen. Und die schauen! Wir dürfen auch nicht vergessen: In den USA gibt es eine ganze Generation, die nie eine Gameshow in der Primetime gesehen hat, weil das Genre so lange auf den Vorabend oder die Daytime beschränkt war. Das Genre fühlt sich für die von den Werbekunden so gewünschten jungen Zielgruppe neu an, auch wenn Ute und ich eher denken „Here we go again…and again.“

Ich höre das Argument - es sei ja toll, dass inzwischen auch geringe Zuschauerzahlen reichen würden, weil so mehr nischige Produktionen umgesetzt werden können - nun schon einige Zeit. Aber irgendwann schrumpft sich jede Nische zu klein…

Rob Clark: Wir haben in den USA in der Tat einen Einbruch der TV-Reichweite erlebt, aber es pendelt sich gerade ein. Ich gehe davon aus, dass wir einen Großteil des Effekts durch neue Marktteilnehmer nun in dem Niveau eingepreist haben, das wir aktuell beobachten können. Ich glaube nicht, dass es kontinuierlich abwärts geht. Und ich will auch nicht die Nische zum neuen Maßstab machen. Natürlich braucht es die großen Leuchttürme. Nicht ohne Grund hat ABC sich entschieden, „American Idol“ zu machen.

Ute Biernat: Die Sender suchen nach bekannten Marken. Wir sind doch inzwischen weniger im Wettbewerb der Sender als im Wettbewerb der einzelnen Programme. Sky wollte mit „X Factor“ ein großes internationales Erfolgsformat und die Aufmerksamkeit für die Beauftragung zeigt ja auch schon die Wirkung, die ein solches Format auf dem Markt hat.

Aber welchen Sinn macht eine Castingshow hinter der Bezahlschranke? Braucht eine Show, deren Gewinner/in am Ende bekannt sein sollte, um seine bzw. Ihre Musik zu verkaufen, nicht das größtmögliche Publikum?

Rob Clark: Bei Sky Italia hat es doch auch funktioniert!

Der Fernsehmarkt in Italien sieht aber doch nun etwas anders aus als in Deutschland, was den Wettbewerb von Castingformaten und die Dominanz von Free-TV angeht. Es ist doch auf jeden Fall eine der größten Wetten, die UFA Show & Factual eingeht….

Ute Biernat: Ich mache mir da ehrlich gesagt nicht so große Sorgen, weil es in Deutschland drei Genres gibt, die seit Jahren die größten Reichweiten generieren: Krimi, Sport und Casting. Und ich würde Pay-TV in Deutschland nicht mehr als Nischenmarkt bezeichnen. Die Reichweite ist nicht zu vergleichen mit der noch vor wenigen Jahren und bekanntlich will Sky mit seinem Entertainment-Sender Sky 1 breiter werden. Und „X Factor“ passt in diese Strategie. Es geht doch am Ende nicht darum, wie viele CDs oder Downloads man verkauft. „X Factor“ erzählt eine aufregende Reise von Talenten, mit der Sky viel Aufmerksamkeit gewinnen will.

Rob Clark: Thomas, ich verrate Ihnen jetzt vorab unsere große MIPTV-Überraschung. Wie Ute sagte: Krimi, Sport und Casting funktionieren in Deutschland immer. Deswegen jetzt exklusiv für Sie: Unser neuestes Format ist eine Castingshow für ehemalige Bundesliga-Profis, die darum kämpfen Deutschlands bester Trickdieb zu werden (lacht). Das wird ein Instant Hit. Sie haben es weltexklusiv.

Und das Schöne an dieser Branche ist doch: Wann immer man nach Cannes fährt, gibt es irgendeine Firma die glaubt, genau so banal den nächsten Hit gefunden zu haben und irgendetwas total Absurdes vorstellt. Kochshow meets Tanzshow - oder so.

Ute Biernat: Rob, nimm unsere Kochtanzshow sofort aus dem MIP-Katalog (lacht).

Eine Frage noch zu Castingshows: Wir alle wissen inzwischen, dass längst nicht bei jeder Show am Ende ein wirklicher Star gefunden wird. Warum funktionieren die Shows dann immer noch?

Rob Clark: Das ist doch eine Frage für die dritte oder vierte Staffel. Aber doch nicht zur 15. Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“! Thomas, sind Sie Fußball-Fan?

Ja.

Rob Clark: Von welchem Team?

Fortuna Düsseldorf.

Rob Clark: Und wie lange sind Sie schon Fan?

Seit 23 Jahren. Habe auch eine Dauerkarte.

Rob Clark: Hat das Team in den letzten Jahren irgendwas gewonnen?

Nein, aber immerhin steigen Sie nun wohl in die Bundesliga auf.

Rob Clark: Dann haben Sie sich Ihre Antwort auf die Frage nach den Castingshows selbst gegeben. Sie bleiben ja auch dran und hoffen jedes Jahr aufs Neue, dass es diesmal etwas werden könnte. Sie verlieren nicht sofort den Glauben, sobald es mal nicht so läuft wie gedacht, oder? Und keine der Castingshows verspricht heute noch, den nächsten globalen Superstar zu finden. Wir wollen tolle Sängerinnen und Sänger entdecken und das haben unsere Castingshows über die Jahre getan. Manchmal waren es nicht nur die Gewinner, die danach Karriere gemacht haben. Und ja, okay, der Fairness halber: Auch „The Voice“ hat schon tolle Leute gefunden. So, ich hab’s gesagt. Darf ich noch eine Frage stellen?

Natürlich.

Rob Clark: Wer ist gerade Nr. 1 in den deutschen Charts?

Ich habe keine Ahnung.

Rob Clark: Ich behaupte: Vor 15 Jahren hätten Sie die Antwort gekannt. Weil damals die Charts einen Massengeschmack gespiegelt haben, den es so heute bei einzelnen Künstlern noch zu beobachten gibt, aber sonst jeder seine eigenen relevanten Charts hat. Ist es nicht spannender zu fragen, was der meistgestreamte Song bei Spotify ist? Nr.1 zu sein in „den Charts“ hat doch nicht mehr die gleiche Bedeutung.

Kommen wir nochmal zurück zu den Gameshows und „Wer weiß denn sowas?“ oder wie es international verkauft wird „Who knew?“ Gab es einen Moment in der Geschichte der Sendung an dem Sie ahnten, hier ein besonderes Format entwickelt zu haben?

Rob Clark: Da würde ich gerne kurz was sagen. Ute hat immer sehr stark an das Format geglaubt. Wir haben zunächst einen ersten Piloten gemacht, der allerdings nicht sehr überzeugend war. Doch Ute und Christof haben so unerschütterlich an die Idee zu „Who knew?“ geglaubt, dass ich noch einmal Geld für einen zweiten Piloten investiert habe. Das ist eigentlich höchst ungewöhnlich.

Was war denn an dem ersten Piloten so anders im Vergleich zu der Show, die jetzt ein Erfolg geworden ist?

Ute Biernat: Alles. Das war sehr trocken und ein erbitterter Kampf darum, wer der Klügste ist. Wir saßen dann mit Kai Pflaume und Andreas Gerling zusammen und haben darüber gesprochen, wo wir hinwollen mit der Sendung. Gerling war es dann, der gesagt hat: Uns fehlt der Humor, die leichte Note. Wir dürfen das nicht zu ernst nehmen. Also bin ich zu Rob gegangen und habe ihm erklärt, dass wir das Ganze nochmal machen müssen. Und er hat uns unterstützt.

Rob Clark: Natürlich! Ute ist ja unsere Königin der Gameshows. Ich glaube in keinem anderen Land haben wir so viele Gameshows on air gebracht wie dank Ute in Deutschland. Das ist höchst bemerkenswert. Deswegen vertraue ich da ihrem Gespür. Und mit welchem Ergebnis? Das Weihnachtsspecial von „Wer weiß denn sowas?“ war 2017 unter den Top10 der meistgesehenen FremantleMedia-Produktionen weltweit – also auch Märkte wie die USA oder Indien miteinbezogen. Was für eine Erfolgsgeschichte aus diesem trockenen ersten Piloten geworden ist (lacht).

"Etablierter Host und neues Format oder etabliertes Format und neuer Host – anders geht es in Deutschland nicht."

(Ute Biernat, Geschäftsführerin UFA Show & Factual)

Was ist das Geheimnis des Formats?

Ute Biernat: Man kann mitspielen, scheitern und sich trotzdem nicht wirklich blamieren. Das ist elementar für die Sendung, weil diese Atmosphäre dafür sorgt, dass wir so viele Prominente bekommen, die sonst den üblichen Promi-Quizshows absagen. Na gut, und inzwischen hilft die Mordsquote (lacht). Aber was Rob mir vielleicht beantworten kann: Warum haben wir es bislang noch nicht in mehr der größeren Märkte verkauft?

Vielleicht weil es doch stark an der Besetzung hängt, also mehr an den Personen als der Struktur?

Ute Biernat: Ich würde vermuten, weil es sehr öffentlich-rechtlich ist. Im Grunde passiert ja eigentlich nicht viel in der Show…

Rob Clark: Du bist ein Verkaufsgenie. Mit dem Satz verkaufe ich es definitiv nicht  (lacht)

Ute Biernat: (lacht) Ach, ihr wisst doch was ich meine: Keine große Showbühne, keine Band, keine große Action. Es wird geraten und geredet. Es ist eben ein Quiz.

Rob Clark: Ich hab ja eingangs gesagt, dass es mir total egal ist, wie lange ein Rollout dauert. Ich bin absolut sicher, dass „Who knew?“ auch ein internationaler Hit wird. Aber die deutsche Sprache wirkt so wissenschaftlich, so dass ich mit der deutschen Fassung nicht so gut in den Verkauf gehen kann, weil es auf Anhieb kein Mensch versteht, da deutsch gesprochen wird. Und dann ist es auch noch eine Show mit Humor – aus Deutschland! Das macht es etwas schwieriger, aber die Quoten im Ersten sprechen natürlich für sich. Wir werden dieses Jahr sicher noch einmal hohes Interesse mit dem Track Rekord generieren. Außerdem stellen wir den Kern des Formats besser heraus. Denn letztlich geht es um Fun Facts und Life Hacks – das ist gefragt und wird in sozialen Medien geteilt. Das wollen wir jetzt stärker betonen. Und wir sind ja auch bereits in sechs Ländern. Da würden sich andere Distributoren schon zufrieden zurücklehnen und irgendeinem Journalisten sagen, das sei deshalb jetzt schon der nächste internationale Hit.

Gibt es derzeit Trends im Genre Gameshow?

Rob Clark: Wenn es einen Trend gibt, dann den, dass es keinen gibt. Nehmen wir mal als Beispiel das Format „The Wall“ von den Kollegen von Endemol Shine und schauen uns daneben dann „Wer weiß denn sowas?“ an. Das eine Format ist XXL-Plinko und definiert sich über ein spektakuläres Set – und das andere könnte kein größerer Kontrast dazu sein. Sie sehen: Das Feld ist breit.

Ist es - auch mit Blick auf „Wer weiß denn sowas?“ - einfacher geworden für eigene deutsche Ideen? Lange haben Produzenten geklagt, dass deutsche Sender immer erst auf einen Erfolg im Ausland gewartet haben…

Ute Biernat: Nun, „Wer weiß denn sowas?“ ist auch on air, weil Kai Pflaume es wollte. Dass diese Idee umgesetzt wurde, ist also maßgeblich auch durch die Personalie des Moderators getrieben. Das ändert also leider noch nichts an der Situation, dass es weiterhin schwierig ist, mit einer eigenen Showidee bei Sendern Gehör zu finden, wenn der Sender nicht gerade auf der Suche nach einem Format für einen wichtigen Kopf ist. Außerdem haben wir das Dilemma, dass 90 Prozent der Sender es total toll fänden, neue Gesichter zu etablieren. Aber ein neues Gesicht und ein noch nicht erprobtes Format – da hört der Mut dann oft auf. Etablierter Host und neues Format oder etabliertes Format und neuer Host – anders geht es in Deutschland nicht.

Frau Biernat, Herr Clark, herzlichen Dank für das Gespräch.