Die Bandbreite der vergangenen Tage war zunächst mal unverändert groß: Am Wochenende ging es ums Dokumentarische bei der MIPdoc und das Formatgeschäft bei der MIPformats, seit Montag dann um das ganze Spektrum des Fernsehens und das Festival Canneseries stellt kommende Serienprojekte in den Mittelpunkt. Es mangelte auch nicht an kleinen feinen und großen skurrilen TV-Ideen, aus denen sich ein Teil der Faszination dieser Fernsehmesse speist, bei der Fernsehen aus allen Teilen der Welt, den Rest der internationalen Fernsehwelt für seine oft eher speziellen Erfolge begeistern will.



Aber am Ende gehen von der MIPTV 2019 keinerlei Impulse aus. Kein Genre oder Format hat die internationalen Fachbesucher spürbar in den Bann gezogen. Die Zeiten jener Blockbuster sei ohnehin vorbei, beteuern stets alle Gesprächspartner - aber hoffen trotzdem weiterhin darauf. Die MIPTV 2019 bleibt in Erinnerung als eine spürbar ruhigere Messe als in den Vorjahren. Kaum vorstellbar, dass Veranstalter Reed Midem diesmal stabile oder gar steigende Besucherzahlen aus dem Hut zaubern kann. Die Hotelpreise und nicht ausgebuchten Restaurants in Cannes waren deutliche Indikatoren.

Die Reed Midem wird weiter an der Frühjahrs-Ausgabe der Fernsehmesse arbeiten müssen. Die MIPTV gerät seit Jahren durch immer neue bzw. andere, ausgebaute Veranstaltungen unter Druck. Die US-Studios konzentrieren sich im Frühjahr schon seit Jahren auf ihre LA Screenings im Mai, britische Firmen haben zuletzt rund um den BBC Showcase in Liverpool im Februar eine Art britische Screeningwoche etabliert. Und auch Festivals wie die Berlinale, die sich dem TV geöffnet haben, graben Cannes ein Stück weit das Wasser ab.

Ob man angesichts dieser Entwicklungen für Zusatz-Veranstaltungen wie MIPdoc oder MIPformats noch einmal zusätzlich Geld verlangen oder das generell anspruchsvolle Preisniveau durchziehen kann, ist fraglich. Tröstlich für die Veranstalter: Der neuen Ruhe in Cannes konnten die natürlich auch weiterhin zu Tausenden angereisten Fernsehmacher durchaus etwas abgewinnen. Das Klagelied ist der Entspannung gewichen. Hat man sonst im 30 Minuten-Takt kurze Termine gemacht, die netto meist nicht mehr als 20 Minuten Gespräch ermöglichten und Badge-Träger gehetzt durch das Palais des Festivals und Cannes rannten, lag diesmal in der Ruhe die Kraft.

Viele der von uns befragten Ver- und Einkäufer freuten sich darüber, die wenigeren Termine für gehaltvollere Gespräche nutzen zu können. Ein entspannterer Austausch zahle nachhaltiger auf die Kundenbindung ein als das stressige Speed Dating in möglichst hoher Taktung. Die Stimmung also war gut in den vergangenen Tagen in Cannes. Natürlich will und muss die MIPTV letztlich eine Fernsehmesse bleiben, aber mehr Networking und weniger von der hektischen Illusion eines Bazaars, dessen Angebot heutzutage ohnehin schon von zuhause checken kann, ist nicht verkehrt.

Zu viel Networking kann eine gefährliche Verlockung sein. Manche Messe träumt heutzutage davon, einen Kultcharakter zu entwickeln wie die SXSW in Austin, doch die CeBIT hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass eine komplette Abwendung von einer klar auf Relevanz für die Industrie angelegten Veranstaltung auch der finale Sargnagel sein kann. Es bleibt daher spannend zu sehen, welchen Weg die Reed Midem mit der MIPTV einschlagen wird. Wie viel Festival (Canneseries) verträgt eine Messe, wie selbstbewusst wird man bei den Preisen bleiben? Und würde eine klarere Aufteilung der Themen zwischen Frühjahr und Herbst nicht doch Sinn machen?